zurück
Ochsenfurt
"Der Hospizdienst hat mein Leben verändert": Wie eine Ochsenfurterin Sterbende auf ihrem letzten Weg begleitet
Andrea Schuhmann ist seit 18 Jahren ehrenamtliche Hospizbegleiterin. Was sie bereits erlebt hat und warum das Ehrenamt ihren Blick auf Tod und Trauer verändert hat.
Hospizbegleiterinnen und -begleiter bringen Zeit mit zum Reden, Zuhören und Schweigen. Sie sollen alte und schwerkranke Personen auf ihrem letzten Weg unterstützen.
Foto: Getty Images (Symbolfoto) | Hospizbegleiterinnen und -begleiter bringen Zeit mit zum Reden, Zuhören und Schweigen. Sie sollen alte und schwerkranke Personen auf ihrem letzten Weg unterstützen.
Anna-Lena Behnke
 |  aktualisiert: 01.08.2024 02:42 Uhr

Sie liest vor, hört sich Sorgen und Ängste an, schenkt Berührungen und ein offenes Ohr. Andrea Schuhmann begleitet Menschen auf ihrem letzten Weg. "Ich bin einfach nur für die Person da", sagt die Ochsenfurterin. Völlig ohne Erwartungen. Schuhmann ist ehrenamtliche Hospizbegleiterin – und das seit 18 Jahren. Sie besucht regelmäßig Menschen, deren Lebensende mehr oder weniger kurz bevorsteht. Menschen, die niemanden mehr haben, in keinem engen Kontakt zur eigenen Familie stehen oder deren Angehörige, die Betreuung nicht alleine stemmen können.

Dabei geht es im Hospizdienst nicht um medizinische Aufgaben. Stattdessen stehe das Wohlbefinden der oft schwerkranken Personen im Vordergrund, sagt Schuhmann, die selbst im Gesundheitsbereich arbeitet. "Es geht darum, den Menschen zu sehen und seine Befindlichkeiten." Ein forderndes, aber auch bereicherndes Ehrenamt. "Der allererste Kontakt, der allererste Blick sind mir bis heute noch im Kopf – aber auf eine positive Art", sagt sie.

Die Hospizarbeit beschränkt sich dabei nicht nur auf die letzten Stunden einer sterbenden Person. "Es kommt immer wieder vor, dass Menschen noch einmal richtig aufblühen, wenn sie merken, da ist jemand, der es mit ihnen ernst meint", sagt Schuhmann. Wie lange eine Begleitung dauere, sei dadurch sehr individuell. 

Sorgen und ungelöste Konflikte sind oft Thema in der Hospizbegleitung

Hat sie die Begleitung einer Person übernommen, besuche sie diese in der Regel einmal pro Woche – ob im Pflegeheim, zu Hause oder in der Klinik, sagt die 55-Jährige. In akuten Fällen komme sie auch häufiger. Oft halte sie gemeinsam mit den Menschen Rückschau auf ihr Leben. "Manche sind wehmütig und haben sich Dinge anders vorgestellt, andere sind aber auch stolz und darauf vorbereitet, zu sterben", berichtet die Ochsenfurterin.

"Es entstehen grundehrliche Verbindungen. Da ist nichts aufgesetzt."
Andrea Schuhmann, Hospizbegleiterin aus Ochsenfurt

Aber auch Sorgen und ungelöste Konflikte seien immer wieder Thema. "Es ist nicht selten so, dass mir die Menschen Dinge erzählen, die nicht einmal die Angehörigen wissen." Denn als Außenstehende sei sie komplett unvoreingenommen. Noch dazu unterliege sie der Schweigepflicht. In anderen Fällen wiederum laufe die Begleitung ganz ohne Gespräche ab. Dann halte sie den Menschen die Hand oder spreche ein Gebet.

Auch nach 18 Jahren sei sie immer noch beeindruckt von dem Vertrauen, das ihr oft entgegengebracht werde, sagt Schuhmann. "Es entstehen grundehrliche Verbindungen. Da ist nichts aufgesetzt." Noch dazu spüre sie oft eine große Dankbarkeit der Menschen.

Unterstützung für pflegende Angehörige

Gleichzeitig hilft die Hospizbegleitung in vielen Fällen auch den Angehörigen – besonders, wenn eine schwerkranke Person zu Hause gepflegt wird. "Anfangs war ich ein bisschen skeptisch", sagt eine Ochsenfurterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Gemeinsam mit ihrer Familie hat sie ihren pflegebedürftigen Schwiegervater über Monate zu Hause betreut. 

Andrea Schuhmann aus Ochsenfurt ist seit 18 Jahren ehrenamtlich im Hospizdienst der Malteser.
Foto: Anna-Lena Behnke | Andrea Schuhmann aus Ochsenfurt ist seit 18 Jahren ehrenamtlich im Hospizdienst der Malteser.

Unterstützung bekamen sie von Andrea Schuhmann. Ihr sei es zu Beginn schwergefallen, sich auf das Hilfsangebot einzulassen, schildert die Angehörige. "Ich habe nicht verstanden, warum sich jemand freiwillig ans Bett einer schwerkranken Person setzt, die er gar nicht kennt", sagt sie. Heute könne sie – auch dank der eigenen Erfahrungen – verstehen, dass die Pflege und Betreuung bedürftiger Menschen nicht nur belastend, sondern auch bereichernd sein kann.

Und sie habe das Angebot zu schätzen gelernt. "Ich kann das jedem empfehlen", sagt die Ochsenfurterin. Ihr Schwiegervater habe die Begleitung gut angenommen. "Außerdem war es eine große Entlastung, einmal eine Stunde spazieren gehen zu können und zu wissen, es ist jemand da", sagt sie.

Ein neunmonatiger Kurs bereitet Ehrenamtliche auf ihre Aufgaben vor

Der Hospizdienst im Landkreis Würzburg ist ein Angebot der Malteser. Anfragen gehen bei einer übergeordneten Stelle in Würzburg ein, die diese dann an die Hospizbegleiter vor Ort weitergibt. Insgesamt sind nach Angaben der Malteser im Landkreis Würzburg etwa 140 Ehrenamtliche im Einsatz, 30 davon in Ochsenfurt und Umgebung. 

Ein neunmonatiger Kurs bereitet künftige Hospizbegleiter und -begleiterinnen auf ihre Aufgaben vor. Es gehe unter anderem darum, sich aktiv mit Tod und Trauer auseinanderzusetzen – Themen, die in der Gesellschaft oft noch tabuisiert werden, sagt Schuhmann. Sie gibt mittlerweile selbst in Ausbildungskursen ihr Wissen weiter und leitet sogenannte "Letzte Hilfe"-Kurse an der Volkshochschule.

Schuhmann sieht in ihrem Ehrenamt eine zutiefst erfüllende Aufgabe

Schuhmann selbst schildert das Ehrenamt als eine zutiefst erfüllende Aufgabe. "Oft gehe ich danach mit einem guten Gefühl nach Hause und denke mir: Eigentlich wollte ich doch dem anderen etwas Gutes tun", sagt sie mit einem Schmunzeln. Denn der Kontakt mit den Menschen an ihrem Lebensende hole sie stets an den Boden der Tatsachen und beflügle sie gleichzeitig, beschreibt die 55-Jährige. Auch die Angst vor dem Tod habe die Arbeit mit sterbenden Menschen ihr ein Stück weit genommen.

"Meine Erfahrungen im Ehrenamt haben mich total verändert – und auch mein Familienleben." Sie habe durch das Ehrenamt gelernt, wie wichtig es ist, genau zuzuhören und Aufmerksamkeit zu schenken, anstatt Ratschläge zu geben.

Dennoch hat sie als Hospizbegleiterin auch schwierige Momente erlebt. "Was mir leidtut, sind Familienstreitigkeiten", sagt Schuhmann. In der Anfangszeit hätten Konflikte in ihr den Wunsch geweckt, einzugreifen und die Probleme zu lösen. Heute wisse sie: Es ist nicht ihre Aufgabe. Bisher habe sie mit jeder Begleitung gut abschließen können.

Hospizbegleitung sei gefragt, sagt Koordinatorin Christine Freitag. Pflegenotstand, aber auch veränderte Familienstrukturen tragen ihr zufolge zu einem größer werdenden Bedarf bei. Trotzdem: "Ich bin seit fast 15 Jahren dabei und es ist noch nie passiert, dass wir eine Begleitung nicht besetzen konnten", sagt Freitag. Dafür seien die Malteser allerdings darauf angewiesen, dass sich immer wieder Ehrenamtliche für den Hospizdienst fänden.

Sie habe den Schritt zum Hospizdienst nie bereut, sagt Schuhmann, die mittlerweile mehr als 25 Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet hat. "Ich würde jedem die Ausbildung empfehlen – auch für sich selbst", sagt sie. "Man muss sich nur trauen und darauf einlassen."

Weitere Informationen zur Hospiz- und Trauerarbeit der Malteser gibt es online unter www.malteser-unterfranken.de/angebote-und-leistungen/hospizarbeit

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Ochsenfurt
Würzburg
Anna-Lena Behnke
Ehrenamtliches Engagement
Hospize
Pflegenotstand
Sorgen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Alexander Götz
    Ein sehr interessanter Artikel und meinen allerhöchsten Respekt vor diesem Ehrenamt. Schön, dass es solche Menschen wie sie, gibt!👍Vielen Dank.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten