Entsetzen und Erschütterung sind aus jedem Satz zu lesen. Auf Nachfrage der Redaktion versucht die evangelische Dekanin Edda Weise das eigentlich Unerklärliche zu erklären: Wie ist es dem dringend tatverdächtigen Logopäden gelungen, in der Kindertagesstätte am Würzburger Heuchelhof kleine Jungs für den Dreh von Kinderpornografie zu missbrauchen?
"Der mutmaßliche Täter ist mit hoher krimineller Energie in unsere Kita eingedrungen und hat diesen Ort, an dem Kinder mit und ohne Behinderung Bildung und unbefangene Gemeinschaft erleben sollen, für seine perfiden Taten missbraucht", schreibt Weise. Die Dekanin vertritt die Kirchengemeinde, die Träger der integrativen Einrichtung ist, in der über 40 Kinder betreut werden. Ob unter den Opfern des Logopäden auch behinderte Jungen sind, dazu machen die Ermittler bislang keine Angaben.
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Laut Edda Weise hat der Beschuldigte als Therapeut seine Leistungen "in Absprache mit Eltern, Ärzten und Krankenkassen" in den Räumen der Kita angeboten. Dazu gehöre auch, "dass er mit Kindern alleine war", so die Dekanin auf Nachfrage. Dieses Vertrauen von Kindern, Eltern und Kita-Mitarbeitern habe der mutmaßliche Täter "in abscheulicher Weise" missbraucht. Mittlerweile bestehe die Möglichkeit nicht mehr, dass externe Therapeuten Einzelbehandlungen in den Räumen der Kita anbieten.
Kita bekennt sich zu Verhaltenskodex
Edda Weise schreibt in ihrer Antwort auf Fragen der Redaktion, für die Kita bestehe ein "Schutzkonzept", das regelmäßig aktualisiert und mit den Mitarbeitenden besprochen und bei Fortbildungen geschult werde. Der Leitsatz dieses "Verhaltenskodex" laute: "Dem Schutz, der Fürsorge, der Erziehung und Bildung und der Wahrung der Rechte der Kinder sind wir verpflichtet."
Daraus ergäben sich Verhaltensgrundsätze, die dafür sorgen sollen, "dass Grenzverletzungen und Übergriffe präventiv vermieden werden". Konkret nennt die Dekanin unter anderem Wertschätzung, keine Toleranz für abwertendes Verhalten, Sexualpädagogik, einen konstruktiven Umgang mit Konflikten sowie die Wahrnehmung gesetzlicher Meldepflichten, sobald beispielsweise der Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung besteht.
Jugendamt empfiehlt offene Türen und Vier-Augen-Prinzip
Für die Stadt Würzburg, die die Rechtsaufsicht über alle Kindertageseinrichtungen in Würzburg hat, betont Sprecherin Claudia Lother, es gebe keine rechtlichen Vorschriften, die regeln, ob ein Therapeut mit Kindern allein in einem Raum sein darf. Es gebe aber "Handlungsempfehlungen" seitens des Jugendamts. Lother: "Diese empfehlen 'offene Türen' wie auch das 'Vier-Augen-Prinzip'."
Für die Kindertagesstätte, die in der Vergangenheit regelmäßig große Anerkennung für ihr integratives Konzept bekam, heißt es nun, ins Wanken geratenes Vertrauen wieder zu stabilisieren. Die Frage, ob Eltern bereits nach Alternativen für ihre Kinder suchen, lässt die Dekanin unbeantwortet. Sie unterstreicht, dass Vertreter des Trägers, des Jugendamts und die Kita-Mitarbeiter seit Bekanntwerden der Taten "in mehreren Elternveranstaltungen" mit den Müttern und Vätern im Gespräch waren und sind. "Ihre Ängste, Sorgen und Gedanken und das Wohl der Kinder stehen im Zentrum aller Bemühungen."
Staatsanwaltschaft: Ermittlungen dauern
Unterdessen müssen die Eltern weiter warten, bis sie Gewissheit haben, ob auch ihr Kind zu den möglichen Opfern des beschuldigten Logopäden gehört. Selbst wenn der Mann nun, wie er angekündigt hatte, mit der Kripo spreche, werde es noch dauern, bis weitere Opfer und Tatorte ermittelt seien, sagte ein Sprecher der "Zentralstelle Cybercrime Bayern" in Bamberg am Freitag.