Als er 1952 starb, war er zumindest in der katholischen Welt bereits zu einem Denkmal geworden. Michael Kardinal Faulhaber, der 1869 geborene Bäckersohn aus Heidenfeld bei Schweinfurt, "galt als Symbol der Kontinuität in den Brüchen der letzten Jahrzehnte", sagt Wolfgang Weiß. Der Professor für Kirchengeschichte an der Universität Würzburg spricht im Museum im Kulturspeicher auf einer öffentlichen Veranstaltung, die den Titel "Auf schmalem Grat. Das umstrittene Wirken Kardinal Faulhabers in der NS-Zeit" trägt.
Auf schmalem Grat bewegt sich auch der Würzburger Stadtrat, denn er soll in der zweiten Jahreshälfte darüber entscheiden, ob der gegenüber dem Mainfranken Theater gelegene Kardinal-Faulhaber-Platz entweder seinen Namen verliert, ob das Namensschild lediglich um eine sogenannte Kontextualisierung ergänzt wird - oder ob alles einfach bleibt, wie es ist. Denn auch Michael Faulhaber ist im Zuge der Debatte um die NS-Verstrickung von Würzburger Namenspaten in den Fokus geraten. Doch der Kardinal macht es den Entscheidungsträgerinnen und -trägern im Rathaus alles andere als leicht, die Forschungslage gilt als uneinheitlich und zum Teil noch als unbeackertes Feld.
Intensive Diskussion zu Faulhabers Rolle begann erst in den 1960er Jahren
Nach Faulhaber, der in Würzburg Theologie studierte, Bischof von Speyer und Erzbischof von München und Freising war und 1921 zum Kardinal ernannt wurde, ist der Platz in Würzburg seit dem Todesjahr 1952 benannt. Über Kritik an seiner Person und an seinem Wirken in der NS-Zeit dürfte der verstorbene Kardinal damals erhaben gewesen sein. Faulhaber galt nach 1945 vielen als eine Art katholischer Fels in der Nazi-Brandung und als einer, der den Bedrängten geholfen hatte. "Erst in den 1960er Jahren setzte eine intensive Diskussion ein, ob das Verhalten Faulhabers in den Umbrüchen und Herausforderungen seiner Zeit tatsächlich so leuchtend war", sagt Historiker Weiß im Kulturspeicher vor den knapp 100 Zuhörerinnen und Zuhörern.
Auch die Würzburger Straßennamenkommission hatte 2020 in ihrem Bericht Indizien dafür gesehen, dass sich Faulhaber "dem Nationalsozialismus zu wenig entgegengestellt und weniger für bestimmte Verfolgtengruppen getan hat, als ihm möglich gewesen wäre". Damit unterscheidet sich die Diskussion um den berühmten Kardinal schon vom Ausgangspunkt her von der Debatte über andere Namenspaten, um die es bisher gegangen war. Diese standen – mehr oder minder – als (Mit)-Täter des Regimes in der Kritik. Bei Faulhaber geht es vor allem darum, was er zwischen 1933 und 1945 in seiner hohen kirchlichen Position unterlassen hat, was er also nicht getan hat.
Neben Wolfgang Weiß sind zu der von Florian Schwegler (Bayerischer Rundfunk) moderierten Diskussion die Theologin Antonia Leugers (Universität Erfurt), der Geschichtsprofessor Andreas Wirsching (LMU München) und der ehemalige Münchner Stadtarchivar Hans-Joachim Hecker eingeladen. Wie sich zeigt, hat die Stadt damit eine gute Wahl getroffen. Denn schnell werden Unterschiede in der Bewertung von Faulhabers Wirken und Nuancen bei der Beschreibung seiner Persönlichkeit deutlich, die vier Podiumsgäste werden gleichsam zu Mittlern der Widersprüchlichkeit von Faulhabers Persönlichkeit.
Der Hauptvorwurf gegen Faulhaber zielt auf die unterbliebene Unterstützung für Jüdinnen und Juden während der NS-Zeit und den fehlenden Protest gegen deren Verfolgung und Deportation. Dass Faulhaber dennoch lange als "Freund der Juden" galt, führt Andreas Wirsching auf einen rein theologischen Hintergrund zurück: auf das Jüdische im Alten Testament, das Faulhaber in seinen Adventspredigten 1933 verteidigte.
"Das war mutig, aber alles was nach Christi Tod ist, wurde von Faulhaber in eine andere Kategorie eingeordnet, da kommen dann auch antisemitische Stereotype vor", sagt Wirsching. "Das setzt sich fort in seiner Haltung in der gesamten Judenverfolgung im NS-Regime bis hin zur Deportation." Faulhaber habe klar unterschieden und sich lediglich für "getaufte Juden" (in der Sprache der Täter "nichtarische" Christen) eingesetzt, nicht jedoch für Menschen, die jüdisch blieben. "Sein Referenzrahmen ist die katholische Kirche. Ihn interessiert nicht, was mit den Juden passiert", sagt Wirsching und zitiert einen überlieferten Satz des Kardinals: "Die Juden können sich selber helfen."
Für Faulhaber war die Demokratie ein Verfall der Sitten
"Was hätte ein öffentlicher Protest bewirkt? Wir wissen es nicht", meint dagegen Hans-Joachim Hecker, der in seiner Zeit im Stadtarchiv München die Diskussion um die dortige, letztlich nicht umbenannte Faulhaberstraße verfolgt hat. Der Kardinal habe einen Einsatz gegen die Deportation von Jüdinnen und Juden für schlicht "aussichtslos" gehalten, auch daher habe er sich auf die getauften Juden beschränkt. Hecker, der eine Reihe von Argumenten zugunsten von Faulhaber anführt, plädiert zudem dafür, Akteure "aus ihrer Zeit heraus" zu verstehen.
Dass man den aus eher kleinen Verhältnissen stammenden Faulhaber in sein historisches und vor allem auch in sein kirchliches Umfeld einordnen muss, darüber herrscht auf dem Podium Konsens. Zum Weltbild des späteren Kardinals gehören Gehorsam gegenüber der Obrigkeit und vor allem gegenüber Gott ebenso wie ein stockkonservatives Ordnungsverständnis. Für den Kirchenmann ist die Demokratie in erster Linie ein Verfall der Sitten. "Die Zäsur 1918/19 war für ihn traumatisch. Er hatte physische Angst vor der revolutionären roten Masse", sagt Wirsching. Faulhaber habe deshalb die Weimarer Republik strikt abgelehnt und 1922 gesagt: "Gottesrecht bricht Staatsrecht". Dass diese Formel für Faulhaber universal galt, zweifelt Wirsching indes an: "Mit Blick auf das NS-Regime sagte er das nie."
Die Kirchenhistorikerin Antonia Leugers konnte als eine der ersten die vor ein paar Jahren aufgetauchten Tagebücher Faulhabers durchsehen. Diese zeichneten das Bild eines nach 1918/19 "ängstlichen, sich versteckenden" Menschen, der sich auf die Seite der "Ordnung" stellt. "Diese Ordnung ist die des rechten Lagers", sagt Leugers. Eine Sichtweise, die auch Andreas Wirsching teilt, der in Faulhabers Feindschaft zur Weimarer Republik eine "Schnittstelle zum Nationalsozialismus" sieht.
Entscheidend aber ist letztlich Faulhabers Verhalten in der NS-Zeit. Hat er die Nähe zu Hitler gesucht und deshalb den Diktator 1936 auf dem Obersalzberg besucht? Oder ging es bei dem "untauglichen Versuch" (Hecker) lediglich darum, bei Hitler die Einhaltung des Konkordats zu fordern? Waren religiöse Äußerungen Faulhabers auch politisch zu verstehen (Weiß) oder kam der Kardinal angesichts der menschenverachtenden Diktatur "aus dem Rahmen der Kirche nicht hinaus" (Wirsching)? Warum hat er zu den Judenmorden in Polen geschwiegen, obwohl er von ihnen wusste? Und wie muss man es werten, dass sich Faulhaber zwar gegen Zwangssterilisierungen aussprach, aber zugleich meinte, man könne diese Menschen "doch in Lager sperren" (Leugers)?
Es sei eine "inneren Schwäche der katholischen Amtskirche" gewesen, schätzt Andreas Wirsching ein, dass diese nicht zu einem "allgemein-menschlichen Rechtsboden" gefunden habe, eine Schwäche, für die Faulhaber stehe. Aber was bedeuten Versäumnisse, unterlassene Hilfen und verstörende Sätze für den Namen eines Platzes in der Würzburger Innenstadt? Reicht das für die öffentliche Aberkennung einer Ehre?
Nach einer Fragemöglichkeit fürs Publikum ist es an dem Abend im Kulturspeicher die letzte Aufgabe des Podiums, ein Votum für oder gegen eine Umbenennung des Kardinal-Faulhaber-Platzes abzugeben. Die Begründungen sind unterschiedlich, das Ergebnis ist es nicht. Alle vier Podiumsgäste sprechen sich dagegen aus. Der Kreis schließt sich: Faulhaber war eben kein Täter, sondern ein Nicht-Täter.
Antonia Leugers schlägt noch vor, vielleicht einen Spalt ins Straßenschild zu machen, als Zeichen "für das Zwiespältige, Ambivalente". Per QR-Code sollten Passantinnen und Passanten mehr über den Kardinal erfahren können. "Faulhaber muss man auf jeden Fall erklären, man muss die Diskrepanzen offenlegen", sagt sie, "er ist kein Vorbild."
Zu Kardinal Faulhaber findet am Donnerstag, 14. Juli, eine weitere Veranstaltung statt, die der Würzburger Verein DenkOrt Deportationen organisiert hat. Im Theater Bockshorn spricht der Historiker und Autor Leo Hiemer zum Thema "Der fehlbare Kardinal? Michael von Faulhaber zwischen Papst und Führer". Beginn ist 20 Uhr, der Eintritt ist frei.
Heute besonders die Menschen nachher!
Jemand, der Demokratie als Verfall der Sitten einstuft, kann nicht Vorbild sein und somit auch nicht Namensgeber für einen Platz in Würzburg.
werden in Deutschland Menschen von der Justiz verfolgt und bestraft, weil sie Menschen helfen, die von der Justiz trotz Hilfsbedürftigkeit abgewiesen wurden und somit Exempel statuiert, um andere von ähnlichen Handlungen abzuhalten - oder wie darf man das sonst verstehen?
Anstatt sich darüber zu zanken, ob bestimmte Menschen im III. Reich eher Opfer oder eher Täter waren und was sie ggf. dazu motiviert hat, sollte man mMn lieber GANZ SCHNELL dafür sorgen, dass sich hier und heute niemand davor fürchten muss, Mitmenschlichkeit zu üben statt tatenlos zuzuschauen, wie der Staat und seine Organe mit Menschen umspringen, die offenbar Hilfe benötigen, aber keine bekommen.
Hilfe darf nicht unter Strafe stehen - sonst könnten wir ganz schnell wieder da landen, wo wir zu Zeiten u. a. von Kardinal Faulhaber schon mal waren.
hier ein paar zitate:
- wir beten für die gottlosen juden, die unserem herrn jesus christus gekreuzigt hatten...
(karfreitagsfürbitten noch bis in die 70er jahre hinein gelesen worden), gott sei dank hat
man diese stelle modernisiert, da dies gegen den jüdischen glauben sprach.
- da die juden den herrn jesus christus gekreuzigt hatten,... (im freitagsgebet der kirche, das
auch noch bis vor kurzem gebetet wurde)
finde solche stellen wirklich nicht für ökumenische zusammenarbeit mit den brüdern und schwestern im jüdischen glauben vereinbar. kardinal faulhaber dachte halt damals völlig im konsenz mit der röm.-kath. lehre, was mit dem umgang von jüdischen mitbürgern damals zeitgemäß war. man weiß aber nicht, wievielen er trotzdem geholfen hatte.
Wenn man schon an der Straßentafel darauf hinweisen muss, dass die Person zweifelhaft ist, ja dann lässt man es doch einfach und nimmt andere Namen. Da gibt es doch genug Auswahl ??
Das ist nicht wirklich Ihr Ernst, oder?
Mit dem Argument dürfte man nach NIEMANDEM eine Straße benennen!