
Zwei Kandidaten sind noch im Rennen um den Posten des Generalmusikdirektors (GMD) am Mainfranken Theater Würzburg: Mark Rohde, 48, seit 2020 GMD des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin, und Johannes Zahn, 33, seit 2021 Erster Kapellmeister am Staatstheater Darmstadt.
Der Generalmusikdirektor ist Chefdirigent des Philharmonischen Orchesters und damit musikalisch verantwortlich für alle Sinfoniekonzerte und Musiktheaterproduktionen. Die Neubesetzung wird nötig, da Enrico Calesso, seit 2011 GMD in Würzburg, im kommenden Jahr ans Teatro Verdi in Triest wechselt.
Nach einem aufwändigen Verfahren mit Vorauswahl, Vorstellungsgesprächen und Probedirigaten bestand die letzte Runde aus zwei Moderationskonzerten, von denen Mark Rohde am Mittwoch vergangener Woche im Kleinen Haus das erste bestritt, Johannes Zahn sieben Tage später das zweite an selber Stelle. Gefordert waren jeweils ein zeitgenössisches Werk und eine Sinfonie aus dem klassischen beziehungsweise romantischen Repertoire.
Nun wird noch einmal die Findungskommission zusammentreten, die letzte Entscheidung hat dann der Stadtrat, "möglichst noch im Herbst", so der entsprechende Beschluss. Hier die Eindrücke unseres Autors von den beiden Auftritten.
Wie war der erste Eindruck?

Mark Rohde trat im schwarzen Anzug mit weißem Hemd auf, Johannes Zahn hatte den klassischen Frack gewählt. Beide wirkten offen und sympathisch und hatten offensichtlich auch einen kollegialen Draht zum Orchester gefunden. Während Rohde in seinen Ausführungen eher sachlich blieb, gestattete sich Zahn auch informelle Momente: "Ich habe vorhin meinen Taktstock vergessen. Ich gehe jetzt also nochmal raus und komme mit Taktstock, aber ohne Mikrofon zurück."
Welche Stücke wählten die Kandidaten und warum?
Mark Rohde hatte "Märchenpoem" der 1931 geborenen Komponistin Sofia Gubaidulina und Beethovens Fünfte ausgewählt. Das verbindende Element: In beide Werke sind starke autobiografische Bezüge eingeflossen. Bei Gubaidulina ist das vertonte Märchen vom kleinen Stück Kreide, das es weg von der Schultafel auf die Straße, in die Freiheit schafft, eine Parabel auf ihr Leben in und ihren Weggang aus der UdSSR. Bei Beethoven geht es ganz ähnlich um den Weg aus dem Dunkel zum Licht.
Johannes Zahn wählte Jörg Widmanns (Jahrgang 1973) "Con Brio" und die vierte Sinfonie von Johannes Brahms. Der rote Faden hier: Beide Stücke haben mit Vergangenheit zu tun. Widmann bezieht sich teils wörtlich auf Beethoven. Die Brahms-Sinfonie, entstanden 1885, ist eine Auseinandersetzung des Komponisten mit seinen Kritikern. Vor allem die Wagnerianer warfen Brahms Rückständigkeit vor, dieser konterte mit höchst gekonnten klanglichen Rückbezügen - ebenfalls auf Beethoven.
Wie legten die beiden Bewerber ihre Moderation an?
Beide Dirigenten moderierten ebenso unterhaltsam wie aufschlussreich, ließen das Orchester einzelne Passagen anspielen und ergänzten ihre Ausführungen mit Klangbeispielen am Klavier.
Mark Rohde brachte dem Publikum Gubaidulina wie Beethoven mithilfe biografischer Details näher, wobei sich auch hier Parallelen abzeichneten, etwa deren Kompromisslosigkeit beim Verfolgen künstlerischer Ziele. Bei Beethoven, der zeitlebens unter schweren gesundheitlichen Problemen litt, würdigte Rohde vor allem die lebensbejahende, humanistische Botschaft: "Das ist mit das Größte, was mir je begegnet ist."

Johannes Zahn legte seine Moderation persönlicher an. "Ich bin gebürtiger Münchner. Wenn Sie damit ein Problem haben, sagen Sie es gleich, denn daran kann ich nichts ändern", scherzte er. Vor allem bei Brahms spürte er tiefe Emotionen auf - vom trotzigen, über den unsicheren, den unglücklich verliebten Brahms bis hin zu dem Brahms, der sich - und sein Publikum - ganz wunderbar mit seiner Musik trösten kann.
Wie wirken die beiden Finalisten als Dirigenten?
Mark Rohde dirigiert klar, gelegentlich in eher kleinen Einheiten, gibt sehr zuverlässig die Einsätze für Soloinstrumente wie Gruppen und ist erkennbar Herr der Lage in jeder Situation. Hier steht Kontrolle im Vordergrund - nachvollziehbar, schließlich gab es nicht viel Probenzeit.

Johannes Zahn dirigiert mit dem ganzen Körper, steht auch mal nur auf einem Bein, modelliert den Ton mit den Händen oder lässt den Oberkörper vornüber sacken, wenn die Spannung der Musik nachlässt. Hier ist der Mut zum Risiko zu erkennen, aber auch Vertrauen in das Orchester.
Wie war die musikalische Qualität der Konzerte?
Vor allem in den Sinfonien zeigten sich Unterschiede. Mark Rohde setzte eher auf Sicherheit und Klarheit, Johannes Zahn auf Schwung und Klang. Das funktionierte im zweiten Fall besser, weil die extrem trockene Akustik des Kleinen Hauses auch kleinste Wackler gnadenlos offenlegt. Und solche sind grundsätzlich bei Beethoven leichter auszumachen als bei Brahms.

Obwohl beide Dirigenten vom Orchester mit großem Einsatz unterstützt wurden, schien es doch, als gelänge es Johannes Zahn besser, dessen expressive Reserven zu entfesseln. So geriet der Streicherchoral im zweiten Satz der Brahms-Sinfonie zum großen, bewegenden Moment, der vergessen ließ, dass es sich hier um eine Prüfungssituation handelte.
Wie reagierte das Publikum?
Am zweiten Abend war der Saal deutlich besser gefüllt als am ersten. Dafür gab es nach dem Beethoven einige Bravo-Rufe, während nach dem Brahms langer, ergriffener Beifall erklang. Während manche Besucher die aufgeräumte Klarheit bei Rohde schätzten, zogen andere Zahns verwegene Energie vor: "Da war mehr Musik drin", kommentierte ein Gast.
Wie lautet das Fazit nach den Finalkonzerten?
Die erste Lehre aus den Moderationskonzerten: Dieses spannende Format sollte gerne auch im normalen Konzertbetrieb eingesetzt werden. Was die Kandidaten anbelangt: Mit Mark Rohde bekäme Würzburg einen erfahrenen, souveränen GMD. Mit Johannes Zahn allerdings, der hier seine erste Position als Chefdirigent antreten würde, könnte die Reise aufregender werden.