Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus werden strikter. Veranstaltungen werden abgesagt, Besuche in Pflege- und Seniorenheimen stark eingeschränkt, Schulen und Kitas geschlossen. Warum das nötig ist und andere wissenswerte Dinge zum Coronavirus erläutert Professor Carsten Scheller vom Institut für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg.
Die Infektion mit dem Coronavirus selbst ist zunächst einmal nicht wirklich anders als eine Infektion mit dem Grippevirus. Coronaviren sind keine Killerviren, sondern ganz normale Erkältungsviren.
Wir wollen vermeiden, dass wir jetzt einen sprunghaften Anstieg von Erkrankungsfällen bekommen. Die Influenza-Saison ist noch nicht vorüber, und die Grippewelle wird uns in den Kliniken vielleicht noch zwei bis drei Wochen beschäftigen, bevor dann wieder viele Betten frei werden. Jede Woche, um die wir die Coronawelle nach hinten verschieben können, ist also hilfreich. Und Schulschließungen oder häusliche Quarantäne für Patienten mit milden Erkrankungen sind ein geeignetes Mittel, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen.
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Das Virus ist relativ neu für uns, und wir werden in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten sehr viel dazulernen, was uns dabei helfen wird, das Virus und dessen Ausbreitung besser zu verstehen und gegebenenfalls auch einzudämmen. Dazu gehören auch ganz grundlegende Fragen, zum Beispiel: Wie groß ist die Dunkelziffer der Zahl der Infektionen, die deshalb nicht auffallen, weil die Infizierten keine Symptome haben? Wie abhängig ist die Übertragung von der Jahreszeit? Aber auch: Gibt es Medikamente, die man gegen das Virus einsetzen kann? Zurzeit werden einige Medikamente getestet und die nächsten Wochen werden zeigen, ob wir diese für die Behandlung nutzen können.
Das kann man im Moment leider noch nicht sicher sagen. Grundsätzlich gilt, dass Coronaviren wetterfühlig sind. Sie werden besonders leicht in der kalten Jahreszeit übertragen. Allerdings kann es sein, dass die Infektion in den nächsten Wochen so viel Fahrt aufnimmt, dass sie vom einsetzenden Frühjahr oder Sommer nicht mehr wirkungsvoll abgebremst werden kann. Umso wichtiger ist es deshalb, alles zu versuchen, die Infektionswelle so stark wie möglich abzubremsen, um ihr den Schwung zu nehmen. Und das geht am besten in der Anfangszeit einer Epidemie, und wenn möglichst viele von uns den Anweisungen der Behörden Folge leisten.
Auch das können wir nicht mit Sicherheit sagen. Die meisten Virologen gehen aber davon aus, dass wir im Herbst einen Wiederanstieg der Infektionszahlen sehen werden, sollte das Coronavirus im Frühjahr tatsächlich zurückgedrängt werden. Auch hier können wir auf Erfahrungswerte zurückblicken: Die zunächst als relativ gefährlich eingestufte Schweinegrippe ist zunächst in einer kleinen Welle im Frühjahr 2009 zu uns herübergeschwappt, um dann nach einer Sommerpause als relativ harmloses Virus im Herbst wieder zurückzukommen. Es ist gut möglich, dass wir eine ähnliche Entwicklung auch beim neuen Coronavirus sehen werden.
Diese 60 bis 70 Prozent sind ein theoretischer Wert. Er ergibt sich aus folgender Überlegung: Ein Infizierter steckt nach bisherigen Erkenntnissen im Durchschnitt drei weitere Personen an. Diese wiederum geben das Virus jeweils an weitere drei Personen weiter. Nachdem sie die Infektion durchgemacht haben, sind diese Personen immun gegen eine erneute Infektion mit dem Virus. In der Anfangszeit einer Infektionswelle findet das Virus problemlos neue Opfer, in denen es sich vermehren kann, weil die Zahl der noch empfänglichen Menschen sehr hoch ist. Je länger die Infektionswelle andauert, desto mehr Menschen haben sich infiziert und sind anschließend immun geworden. Wenn dann irgendwann der Zustand erreicht ist, dass von den drei Personen, die sich normalerweise infizieren könnten, bereits zwei immun sind, kann sich das Virus nicht weiter ausbreiten und verschwindet dann mit dem letzten Erkrankten wieder aus der Welt. Zwei von drei sind 66 Prozent, daher der oben genannte Wert von 60 bis 70 Prozent.
Ob dieser theoretische Wert wirklich erreicht wird, ist nicht sicher, weil er von der Übertragungszahl - in diesem Fall ist es die Zahl drei - abhängt, und die ist nicht unveränderlich. Sie kann zum Beispiel vom Wetter beeinflusst werden, von der Jahreszeit, von der Bevölkerungsdichte in den einzelnen Regionen und auch von der Art des Sozialverhaltens.
Bei der Virusgrippe, die durch das Influenzavirus verursacht wird, geht die Herstellung eines Impfstoffes sehr schnell und dauert lediglich ein halbes Jahr. Das ist allerdings eine Ausnahmesituation, weil wir für Grippeviren bereits einen funktionierenden und zugelassenen Impfstoff haben, der lediglich saisonal angepasst werden muss. Bei Coronaviren steht kein solcher Impfstoff zur Verfügung, auf den wir aufbauen könnten. Da fängt die Entwicklung in der Tat bei Null an. Selbst wenn es ausgesprochen schnell gehen würde, und wir innerhalb der nächsten zwölf Monate einen Impfstoffkandidaten bekommen sollten, muss von diesem zunächst ja auch erst einmal die Wirksamkeit und Sicherheit nachgewiesen werden. Bevor dann ein solcher Impfstoff zugelassen wird und in großer Menge produziert werden kann, ist die Coronawelle sehr wahrscheinlich bereits lange über uns hinweggeschwappt und ein großer Teil der Menschen ist bereits durch die durchgemachte Infektion vor einer Neuinfektion geschützt.
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Das Coronavirus verbreitet sich hauptsächlich über Tröpfcheninfektion durch die Luft. Das Virus vermehrt sich in unserem Atemtrakt, also dem Nasen-Rachen-Raum, und bei tiefer sitzenden Infektionen auch in den Bronchien oder der Lunge und sogar im Verdauungstrakt. Wenn wir ausatmen, sprechen, niesen oder husten wird eine Vielzahl kleinster Tröpfchen in die Umgebungsluft abgegeben. In diesen Tröpfchen ist auch das Virus enthalten und kann dann von anderen Personen durch Einatmen aufgenommen werden. Diese Tröpfchen fliegen in der Luft etwa ein bis zwei Meter weit, bevor sie zu Boden sinken. Deshalb ist es wichtig, voneinander Abstand zu halten, um die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung zu verringern.
Das Virus kann auch als Schmierinfektion aufgenommen werden, wenn zum Beispiel jemand in seine Hand niest, wir diese Hand schütteln und sie später zu unserem Gesicht führen. Aus diesem Grund sollten wir jetzt auf Händelschütteln und Umarmungen bei Begrüßungen verzichten und uns regelmäßig die Hände waschen.
Chirurgische Gesichtsmasken sind gut geeignet, um zu vermeiden, dass Sie andere Menschen infizieren, wenn Sie selbst bereits an einer Erkältung erkrankt sind. Deshalb werden zum Beispiel Besucher im Krankenhaus gebeten, solche Masken zu tragen. Für den Selbstschutz taugen diese Masken allerdings recht wenig.
Desinfektionsmittel für die Hände sind beim Betreten eines Krankenhauses oder eines Pflegeheims sinnvoll. Für zu Hause ist das Händewaschen mit Seife die bessere Wahl. Niemand muss sich jetzt aber Masken, Handschuhe oder Desinfektionsmittel kaufen. Und wenn Sie in der Öffentlichkeit niesen oder husten müssen, machen Sie es doch einfach wie die Profis: Benutzen Sie entweder ein frisches Einwegtaschentuch und werfen es danach weg, oder aber, falls sie keines zur Hand haben, niesen Sie in ihre Armbeuge und nicht in die Hand.
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Da wir jetzt noch in der Anfangsphase der Infektionswelle stehen, sind Maßnahmen zur Eindämmung der Infektion am wirkungsvollsten. Sie verhindern, dass ein Erkrankter das Virus noch weiter übertragen kann. Unser Problem ist zurzeit aber eigentlich gar nicht die Umsetzung von Quarantäne-Maßnahmen für diejenigen wenigen Personen, von denen wir wissen, dass sie infiziert sind, sondern für die möglicherweise viel größere Zahl von Menschen, die infiziert sind, es aber nicht wissen. Denn in den meisten Fällen verläuft die Coronavirus-Infektion ausgesprochen harmlos und ist von einem normalen Schnupfen oder Husten nicht zu unterscheiden.
Sie sollten ganz bewusst Sozialkontakte vermeiden. Gehen Sie nicht zu einer Geburtstagsfeier oder in den Sportverein. Wenn Sie sich krank fühlen, lassen Sie Einkäufe von anderen erledigen. Nehmen Sie lieber das Fahrrad statt den Bus. So schützen Sie sich und andere. Nur so können wir die Epidemie wirkungsvoll verlangsamen.
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