
Seit dem 15. Oktober gilt für Pflegeeinrichtungen eine neue Coronavirus-Testverordnung (TestV), laut der Mitarbeiter, Bewohner und Besucher von Pflegeeinrichtungen einmal wöchentlich mit einem Antigen-Schnelltest auf das Coronavirus getestet werden können. Ehe die Tests eingesetzt werden können, muss jede Einrichtung ein umfangreiches Testkonzept erarbeiten, das unter anderem die Organisation der Testungen regelt und deren qualifizierte Durchführung sicherstellt. Dieses Konzept muss vom zuständigen Gesundheitsamt bewilligt werden.
Doch bevor die Antigen-Schnelltests überhaupt im Umlauf sind, sorgt die neue Verordnung bei manchen Besuchern bereits für Missverständnisse. "Wir führen derzeit sehr viele Diskussionen mit Besuchern und Angehörigen", sagt Pflegedienstleiterin Melanie Klepper vom Alloheim-Seniorenzentrum "Taubertal" in Röttingen. "Viele sind der Ansicht, dass wir ab sofort dazu verpflichtet sind, alle Besucher per Schnelltest zu testen – sogar, wenn sie angeben, Corona-typische Symptome zu haben. Das ist aber nicht richtig und sorgt immer wieder für teils aufgebrachte Diskussionen."
Neben dem Bedürfnis der Besucher, ihre Angehörigen sehen zu können, vermutet Ulrike Schneider vom Seniorenzentrum "Taubertal" hinter dem Ansturm auf die Antigen-Schnelltests fehlendes Wissen zu den Hintergründen der Verordnung. "Viele Angehörige, Bewohner und Dienstleister haben angenommen, dass wir in den Pflegeeinrichtungen unmittelbar nach der Mitteilung über die Testverordnung rundum ausgestattet, geschult und vorbereitet sind", sagt die die Sonderbeauftragte der Geschäftsführung der Alloheim-Senioren-Residenzen. Aber: "Es gab für uns keine Vorbereitung."
Eine große Zahl an Besuchern, die auf Antigen-Schnelltests drängen, um ihre Angehörigen sehen zu können, hat Eva von Vietinghoff-Scheel, Geschäftsführerin der Senioreneinrichtungen des Landkreises Würzburg, noch nicht verzeichnet. "Ich kann mir aber vorstellen, dass viele eine große Not haben, ihre Verwandten in Pflegeeinrichtungen zu sehen." In den sieben Einrichtungen des Landkreises sei man bemüht, den Angehörigen regelmäßige Besuche zu ermöglichen, "durch die Antigen-Schnelltests würde sich an der Besuchssituation nicht viel ändern", ist sie überzeugt.

Von Vietinghoff-Scheel steht den Tests kritisch gegenüber: Zum einen seien sie sehr unangenehm, da das Teststäbchen tief durch die Nase eingeführt werde. Zum anderen seien sie nicht sonderlich aussagekräftig. "Die Schnelltests geben nicht die Sicherheit, die wir benötigen", stellt von Vietinghoff-Scheel klar und schickt ein konkretes Beispiel hinterher: Der Antigen-Schnelltest eines Mitarbeiters, der aus dem Ausland zurückgekommen war, sei negativ ausgefallen; sein PCR-Test vom Flughafen dagegen positiv. "Mit einem negativen Ergebnis des Antigen-Schnelltests wiegt man sich in Sicherheit, ist es aber vielleicht nicht", so die Geschäftsführerin.
Den einzigen Mehrwert der Tests sieht sie darin, dass durch diese hochsymptomatische und hochansteckende Personen schnell erkannt und erst gar nicht in die Heime eingelassen würden. Doch: "Diese Besucher sollten auch jetzt schon keinen Zugang zu unseren Einrichtungen erhalten", so von Vietinghoff-Scheel. Dazu käme, dass man keine Ärzte habe, um die Tests durchzuführen – sie müssten also an Pflegefachkräfte delegiert werden. "Wir sind aber auch schon zu normalen Zeiten mit unseren Pflegekräften am Limit."
Limitierte Tests führen dazu, dass Besuche selektiert werden müssen
Die Komplexität des Themas den Besuchern ihrer Einrichtung zu vermitteln, ist schwierig, findet Ulrike Schneider. Sie erzählt von einer Angehörigen, die angeboten hätte, privat Schnelltests zu kaufen und zur Verfügung zu stellen, wenn sie dafür häufiger zu Besuch kommen könnte. 20 Teststäbchen soll es laut Testverordnung monatlich pro Bewohner geben – doch mit diesen Tests müssen alle Besucher, das Personal, die Bewohner selbst, externe Dienstleister und externes medizinisches Personal getestet werden. "Der Angehörigen war nicht klar, dass wir schon die personellen Kapazitäten für 20 Tests pro Bewohner nicht haben", so Schneider.
Sie kritisiert zudem die knappen Testkapazitäten: "Befindet sich ein Bewohner in einem präfinalen Stadium, wollen normalerweise viele Angehörige Abschied nehmen. Die Limitierung der Testanzahl führt zwangsläufig dazu, dass Besuche selektiert werden müssen."
Tests sollen außerhalb der Einrichtungen stattfinden
Sowohl in Röttingen als auch bei den Pflegeeinrichtungen des Landkreises wurde bereits ein Testkonzept erarbeitet, das dem Gesundheitsamt vorliegt. Zentral ist darin unter anderem die Frage, wo die Schnelltests durchgeführt werden können. "Es ist wenig sinnvoll, einen eventuell an Covid-19 erkrankten Menschen im Innenbereich der Einrichtung zu testen", sagt Schneider. Sie schlägt eine Art Testcontainer im Freien vor. Auch von Vietinghoff-Scheel betont, dass außerhalb der Einrichtung getestet werden soll. "Alle Heimbetreiber wollen das Virus draußen halten." Schließlich habe man an Beispielen wie etwa im Ochsenfurter Seniorenzentrum Fuchsenmühle beobachten können, wie schnell und verheerend Corona in einem Pflegeheim um sich greifen könne.
Was diese Art von Testung in der Praxis bedeuten würde, erläutert Schneider: "Eine Fachkraft müsste den Container aufsuchen, den Test durchführen und 20 Minuten auf das Ergebnis warten. Somit würde sie bei jedem einzelnen Besucher für 30 Minuten aus dem Versorgungsablauf des Bewohners ausfallen. Bei einem positiven Testergebnis eines Besuchers müsste sie zusätzlich eine umfangreiche Dokumentation für das Gesundheitsamt erstellen." Ihr Fazit: Für die Testungen fehlen Räumlichkeiten und Personal; einen Arzt, der das Personal in der Durchführung der Tests schult, habe man in Röttingen erst nach langem Suchen gefunden.
Keine präventiven PCR-Testungen für Bewohner mehr möglich
Ein weiterer Kritikpunkt von Seiten der Pflegeeinrichtungen an der neuen Testverordnung ist die Tatsache, dass PCR-Reihentestungen unter den Bewohnern ohne konkreten Anlass nun nicht mehr möglich sind. "Ich verstehe, dass man Laborkapazitäten nicht verstopfen will – aber doch nicht zu Lasten von Heimbewohnern", so Eva von Vietinghoff-Scheel. Die Strategie, präventive Testungen bei Bewohnern von Pflegeeinrichtungen auf Antigen-Tests zu beschränken, sei ihr unverständlich. Das Gesundheitsamt des Landkreises Würzburg bestätigt auf Nachfrage, dass eine Abweichung von dieser Strategie laut neuer Testverordnung nicht möglich ist. Anders sieht es bei den Mitarbeitern aus: "Die Einrichtungen haben die Möglichkeit, ihr Interesse an Reihentestung mittels PCR für die Mitarbeiter beim örtlichen Gesundheitsamt anzuzeigen. Dieses stimmt mit der Einrichtung Ort und Zeitraum der Testung ab", heißt es aus dem Gesundheitsamt.
PCR-Tests bei Bewohnern und Mitarbeitern werden nach der Testverordnung nur dann durchgeführt, wenn dem Gesundheitsamt ein positiver Mitarbeiter oder Bewohner in einem Heim gemeldet wird. Bezüglich der Antigen-Schelltests heißt aus dem Gesundheitsamt weiter: "Wir empfehlen jeder Einrichtung dringend, die vorhandenen Testmöglichkeiten auszuschöpfen und entsprechende Reihentestungen durchzuführen."
Schnelltests, CoronaWarnApp, Masken FFP2, kontaktbeschränkung etc. können in der Summe einen gute Beitrag leisten um das Infektionsrisiko zu minimieren.
Für die Beschäftigten in den Altersheimen aber eine zusätzliche, schwere Belastung.