Für die Bundesregierung sind sie in Pflegeheimen in der aktuellen Situation unumgänglich: die Antigen-Schnelltests. Diese sollen "jetzt zügig und prioritär in diesem Bereich eingesetzt werden, um auch bei steigenden Infektionszahlen einen bestmöglichen Schutz zu gewährleisten und sichere Kontakte zu ermöglichen", heißt es in dem Beschluss, den die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder am 28. Oktober verfasst haben.
Doch Aussagen unterfränkischer Pflegeexperten lassen darauf schließen, dass diese Vorgabe in der Praxis bislang kaum oder gar nicht umgesetzt wird. Mit Blick auf den Corona-Ausbruch im Ochsenfurter Altenheim "Fuchsenmühle" oder die aktuell 211 infizierte Personen in Unterfrankens Pflegeheimen (Quelle: Regierung von Unterfranken, 5.11.) fragt man sich: Warum nicht?
Schnelltests sind zeitintesiv
Das Problem besteht darin, dass die Testung in der Praxis weitaus zeitintensiver ist als es der Begriff "Schnelltest" vermuten lässt. Wie aufwändig nur ein einziger Test wäre, erklärt Sonja Schwab, die als Fachbereichsleiterin "Gesundheit und Alter" im Caritasverband der Diözese Würzburg über 120 unterfränkische Caritas-Pflegeeinrichtungen vertritt. Schwab rechnet pro Testung nur eines einzigen Heim-Besuchers mindestens eine halbe Stunde.
"Der Test darf nur von einer examinierten Pflegefachkraft durchgeführt werden; die müssten wir herbeirufen."Die Testerin müsse laut Schwab vor dem Test einen geeigneten Raum finden, diesen desinfizieren, sich selbst Schutzanzug, Schutzbrille und Schutzhandschuhe anziehen und mit dem Besucher den Abstrich machen. Anschließend müsse die Pflegekaft "eine Viertelstunde aufs Ergebnis warten, danach den wartenden Besucher informieren, das Testzimmer desinfizieren, sich wieder umziehen und gegebenenfalls einen positiven Fall weitermelden.“
Zusätzliche Arbeitszeit wird vom Staat nicht entlohnt
Wenn schon ein einziger Test eine halbe bis eine dreiviertel Stunde Arbeitskraft braucht, wieviel Arbeitskraft würde dann wohl die vom Bund gewollte regelmäßige Schnelltestung von Heimbewohnern, Mitarbeitern und Besuchern binden? Tatsächlich wurde genau dies in Schwabs Geschäftbereich schon ausgerechnet.
Spielbeispiel: das Würzburger Caritas-Altenheim St. Thekla, in dem 110 Bewohner leben und das pro Monat rund 540 Besucher zählt. "Wenn wir jeden Besucher testen, alle Mitarbeiter wöchentlich und die Bewohner alle paar Tage, dann kommen wir auf 3600 Tests pro Monat", sagt Schwab. Ihrer Rechnung nach wäre damit mindestens die Monatsarbeitszeit einer Vollzeit-Pflegefachkraft verbraucht. "Und wir können es uns nicht leisten, eine Pflegevollzeitkraft für die Tests abzuziehen. Man müsse abwägen, meint Schwab, "und für die Pflege brauchen wir diese Fachkraft nötiger."
Entschiede man sich trotzdem, eine Fachkraft pro Heim nur für Tests abzustellen, täte man dies praktisch auf eigene Kosten. "Die Stelle würde vom Staat nicht refinanziert“, sagt Schwab. Lediglich die Finanzierung der Schnelltests selbst, des Materials also, sei in der Testverordnung des Bundes versprochen.
Finanzierung der Schnelltests nicht gesichert
Allerdings klaffen auch bei der Finanzierung der Schnelltests Theorie und Praxis weit auseinander. Sieben Euro zahlt der Staat den Heimen pro Schnelltest. Aber für sieben Euro seien die Tests nicht zu bekommen, sagt Sonja Schwab, die gerade am Vortag bei diversen Herstellern die Preise für Schnelltests verglichen hat. "Ein Test kostet zwischen 10 und 15 Euro." Über die Behörden funktioniere der Bezug von Schnelltests bisher auch nicht. "Von den vom Freistaat versprochenen 10 Millionen von Tests für Bayern habe ich auch noch nichts gesehen", sagt Schwab. Über das Gesundheitsamt gebe es die jedenfalls aktuell nicht.
Verteilung der Tests hängt von Inzidenzwert ab
Tatsächlich bestätigt Dagmar Hofmann, Sprecherin des Würzburger Gesundheitsamts, dass Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) die Verteilung der Schnelltests an die Gesundheitsämter, die wiederum Heime versorgen sollten, vom jeweiligen Inzidenzwert abhängig mache. "Der Landkreis Würzburg beispielsweise hat schon vor Wochen Bedarf angemeldet, hat aber wegen der Inzidenzen, die lange unter 100 lagen, nichts bekommen", sagt Hofmann.
Dass etwa das zum Kreis Würzburg zugehörige und aktuell von Corona stark betroffene Heim "Fuchsenmühle" in Ochsenfurt also jemals Schnelltests erhalten habe, könne sie ausschließen, sagt Hofmann. In der Stadt Würzburg, die schon länger Corona-Inzidenzen von über 100 hat, sind laut Aussage von Sprecher Christian Weiß Schnelltests für Heime schon eingetroffen, aber noch nicht verteilt worden. "Sie warten auf den Einsatz", sagt er.
Zuverlässigkeit schlechter als bei PCR-Tests
Allerdings ist die Zuverlässigkeit bisher gehandelter Schnelltests schlechter als bei PCR-Tests. Antigen-Schnelltests benötigten sehr viel mehr Virus, um zu einem positiven Ergebnis zu kommen, erklärt der Würzburger Virologe, Professor Lars Dölken. Dadurch übersehe dieser Test viele Infektionen. "Dieser Test eignet sich sehr gut, um jemanden rauszufiltern, der für seine Umgebung gerade hochinfektiös ist", sagt Dölken. Allerdings sei auch die Fehlerquote an falsch-positiven Ergebnissen höher als beim PCR-Test.
Selbst wenn Schnelltests demnächst also häufiger ausgeliefert und – bei großem Zeit- und Personalaufwand – häufiger in Altenheimen eingesetzt werden als bisher, können sie nur hochinfektiöse Personen herausfiltern, nicht aber zuverlässig alle Corona-Infektionen anzeigen. Der verantwortungsvollen Besuchsregelung in Heimen, der Reihentestung des Personals und der Bewohner mit PCR-Tests kommt also weiterhin eine große Bedeutung zu.