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Würzburg
Corona und Influenza: Wie gefährlich wird die Grippewelle in diesem Winter?
Die Pandemie hat die Influenza im letzten Jahr ausgebremst. Was ist, wenn jetzt viele Beschränkungen fallen? Was ein Hausarzt und ein Virologe für Unterfranken erwarten.
Im vergangenen Jahr hat Corona die Grippewelle ausgebremst. Gilt das auch für diesen Winter oder beginnt bald wieder das kollektive Husten und Schniefen?
Foto: Christin Klose, dpa | Im vergangenen Jahr hat Corona die Grippewelle ausgebremst. Gilt das auch für diesen Winter oder beginnt bald wieder das kollektive Husten und Schniefen?
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:55 Uhr

Es war eine der wenigen willkommenen Folgen der Corona-Pandemie: Im vergangenen Jahr ist die Grippewelle fast komplett ausgefallen. Vor dem nächsten Winter aber rufen Mediziner und Politiker aktuell eindringlich zur Influenzaimpfung auf. Die Befürchtung: In diesem Jahr könnte sich die Grippe wieder deutlich stärker ausbreiten. Welche Rolle spielt dabei Corona? Hat die Grippesaison in Unterfranken bereits begonnen? Und gibt es genug Impfstoff? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie verlief die vergangene Influenzasaison?

In Bayern gab es nach Angaben aus dem Gesundheitsministerium von Oktober 2020 bis April 2021 insgesamt nur 78 Grippefälle, auch aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen. Zum Vergleich: Noch in der Saison 2019/2020 wurden bayernweit 55 231 Grippeinfektionen gezählt. Mittlerweile sind die meisten Corona-Beschränkungen gelockert - und Fachleute rechnen wieder mit einer höheren Zahl an Influenzaerkrankungen. 

Warum könnte die Grippewelle 2021 heftiger verlaufen?

"Wir sehen jetzt im Herbst bereits erheblich mehr grippale Infekte und Erkrankungen", sagt der Würzburger Virologe Prof. Lars Dölken. Influenzaviren seien dabei aktuell noch selten, das sei aber nicht ungewöhnlich für Oktober. Die Grippewelle werde in diesem Winterhalbjahr "sicherlich nicht wieder komplett ausfallen", prognostiziert Dölken. Allerdings sei schwer vorauszusagen, wie stark sich die Influenza-Saison entwickle. Dass die Bevölkerung durch die lange Corona-Isolation generell anfälliger für Grippeviren sei, glaubt Dölken nicht. "Das ist Unfug und versucht nur unbegründet Ängste zu schüren."

Corona und Influenza: Wie gefährlich wird die Grippewelle in diesem Winter?

Andere Experten hingegen rechnen nach dem Ende der Corona-Schutzmaßnahmen mit einer besonders heftigen Grippewelle. So warnt etwa der Deutsche Hausärzteverband vor einem starken Anstieg von Infektionskrankheiten infolge der Pandemie: Die Menschen hätten wegen der Beschränkungen eineinhalb Jahre kaum Kontakt zu verschiedenen Viren gehabt – insofern sei ihr Immunsystem nicht gut trainiert und anfälliger. "Unser Immunsystem lernt durch Infektionen", sagt  Dr. Christian Pfeiffer, der unterfränkische Vorsitzende des bayerischen Hausärzteverbandes. Ohne Training sei die Immunabwehr "durchaus geschwächt". Zudem warnt der Mediziner aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg) vor der Annahme, dass die Grippeimpfung durch die Corona-Impfung überflüssig sei. Die Annahme sei falsch. 

Influenza oder andere Infekte - wie viele Grippefälle gibt es bisher?

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet in seinem jüngsten Wochenbericht bundesweit 25 bestätigte Influenzainfektionen (Stand 19.10.). Im Vergleich zur Vorwoche ist die Aktivität bei akuten Atemwegserkrankungen damit laut RKI stabil geblieben. Auffallend sei aber eine "ungewöhnlich starke" Zirkulation von RS-Viren und zahlreiche Infektionen mit Rhinoviren. Das gilt auch für Unterfranken: In die Hausarztpraxen der Region kommen von Woche zu Woche mehr Patientinnen und Patienten mit Infekten, sagt Dr. Christian Pfeiffer. Meist handele es sich um Erkältungen, "Grippe haben wir noch keine".

Infekte gebe es deutlich mehr als im Vorjahr - "da hatten wir AHA-Regeln, die sehr gut eingehalten wurden". Im Vergleich mit den Jahren vor der Corona-Pandemie liegen die Erkältungszahlen dem Allgemeinmediziner zufolge auf einem normalen Niveau. Der Herbst sei schon immer Schnupfen- und Husten-Zeit gewesen. Auffallend sei, dass sich aktuell vor allem Kinder und junge Menschen anstecken, sagt Pfeiffer: "Ich hatte bisher kaum einen Patienten über 60 Jahren."

Wie hoch ist die Nachfrage nach Grippeimpfungen?

Aus Angst vor einem Zusammentreffen von Grippe- und Corona-Welle hatten Ärzte und Politiker 2020 dringend zur Influenzaimpfung aufgerufen. Tatsächlich wurden so 22 Millionen Grippeimpfungen erreicht. Gemessen an internationalen Empfehlungen lassen sich aber in Deutschland meist zu wenige Menschen gegen Grippe impfen. In seiner Praxis sei die Nachfrage bislang gut, sagt Hausärzte-Sprecher Pfeiffer – allerdings kämen vor allem Menschen, die sich "schon immer impfen lassen".

Wer sollte sich gegen Grippe impfen lassen?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Influenzaimpfung für alle Personen ab 60 Jahren, für Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sowie für Schwangere und Menschen mit Grunderkrankungen wie Herz- oder Kreislaufkrankheiten oder Diabetes. Geimpft werden sollten außerdem Menschen mit erhöhtem beruflichem Risiko, zum Beispiel medizinisches Personal. Neu ist, dass für über 60-Jährige ein sogenannter Hochdosis-Impfstoff empfohlen wird, der als effektiver gilt.

Kann man sich gegen Corona und Grippe gleichzeitig impfen lassen?

Ja. Nach Angaben der Ständigen Impfkommission kann gleichzeitig gegen Grippe und Corona geimpft werden. Der Impfstoff sollte dann aber in unterschiedliche Gliedmaßen gespritzt werden und Patientinnen und Patienten müssen ausführlich über die "möglichen, vermehrten vorübergehenden lokalen und systemischen Impfreaktionen" aufgeklärt werden.

Wie wirksam ist der diesjährige Grippeimpfstoff?

Aufgrund der "Grippepause" im vergangenen Winter sind der Verlauf der aktuellen Saison und die Frage, welche Virusvariante dominieren, Virologe Lars Dölken zufolge schwer vorhersehbar: Wie gut die entwickelten Impfstoffe wirken, wisse man deshalb noch nicht. Da das Grippevirus aufgrund der niedrigen Infektionszahlen weltweit kaum Spielraum gehabt habe, um sich groß zu verändern, geht Dölken von einer "sehr guten Wirksamkeit" aus.

Reicht der Grippeimpfstoff?

Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stehen in diesem Jahr insgesamt 27 Millionen Dosen normaler Grippeimpfstoff zur Verfügung. Hausarzt Christian Pfeiffer geht davon aus, dass das ausreiche. Bei dem Hochdosis-Impfstoff für Ältere gibt es nach Angaben des bayerischen Hausärzteverbandes allerdings momentan Engpässe. Das liegt laut Pfeiffer "wohl nicht an der Gesamtmenge des bestellten Impfstoffs", sondern daran, "dass er in mehreren Teillieferungen an die Apotheken geht – und die erste ist vergriffen". Der Verband rechnet aber damit, dass noch in dieser Woche Nachschub über den Großhandel kommt.

 
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