zurück
Würzburg
Corona-Spätfolgen: Wie eine Ärztin den Kampf der Patienten erlebt
Wer Covid-19 hatte, kämpft teils lange mit Folgen. Warum? Ist eine völlige Genesung möglich? Und was haben Ärzte über das Virus gelernt? Eine Würzburger Infektiologin erklärt.
Seit Beginn der Pandemie haben Ärzte und Wissenschaftler einiges bei der Behandlung von Covid-19-Patienten gelernt (Symbolbild). Über Spätfolgen allerdings ist noch wenig bekannt.
Foto: Marcel Kusch, dpa | Seit Beginn der Pandemie haben Ärzte und Wissenschaftler einiges bei der Behandlung von Covid-19-Patienten gelernt (Symbolbild). Über Spätfolgen allerdings ist noch wenig bekannt.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:39 Uhr

Im März war es das "neuartige" Coronavirus. Sechs Monate später haben Wissenschaftler und Mediziner einiges über Sars-CoV-2 gelernt. Einiges, aber längst nicht alles. Gerade wenn es um Spätfolgeneiner Corona-Erkrankung geht, gibt es nach wie vor viele Fragezeichen. "Wir kennen den Langzeitverlauf noch nicht", sagt die Infektiologin Dr. Susanne Wiebecke. Sie hat an der Würzburger Uniklinik bislang etwa 70 Covid-19-Kranke behandelt und berät Kollegen auf der Intensivstation bei der Betreuung schwerer Fälle. Ein Gespräch über Learning-by-doing in Kliniken, wochenlang kämpfende Patienten und die Frage, ob von einer Corona-Erkrankung immer etwas zurückbleibt.

Frage: Sie haben seit Beginn der Pandemie zahlreiche Corona-Patienten behandelt. Was hat Sie dabei überrascht?

Susanne Wiebecke: Wir mussten das Krankheitsbild Schritt für Schritt kennenlernen. Anfangs wussten wir zu wenig, als dass uns etwas überrascht hätte – höchstens vielleicht, wie schwer Patienten teilweise in sehr kurzer Zeit erkrankt sind. Wir hatten einige Betroffene, die schon nach wenigen Stunden Aufenthalt im Krankenhaus beatmungspflichtig wurden. Diese Dynamik des Krankheitsgeschehens bei Einzelnen hat uns in gewisser Weise überrascht. Die Gesetzmäßigkeiten dahinter kennen wir bis heute nicht.

Und was haben Sie in den vergangenen sechs Monaten über diese Viruserkrankung gelernt?

Wiebecke: Zunächst mussten wir die klinische Klassifikation kennenlernen, also die Einschätzung, ob es ein milder oder kritischer Fall ist. Danach richtet sich die Behandlung. Wir sind bei Corona von einem ganz individuellen Ansatz ausgegangen und interdisziplinär wurden mit der Zeit Konzepte entwickelt: Wann beatmet man? Welche unterstützenden Maßnahmen gibt es oder nutzt man Therapien, die die überschießende Entzündungsaktivität unterdrücken? Gleichzeitig wurden in individuellen Heilversuchen antiviral wirksame Mittel eingesetzt. Hier hat sich in der Zwischenzeit einiges relativiert, so würden wir heute die ein oder andere Substanz nicht mehr einsetzen.

Die Infektiologin Dr. Susanne Wiebecke (Archivbild aus dem Jahr 2017) hat an der Würzburger Uniklinik bislang etwa 70 Covid-19-Kranke behandelt. 
Foto: Daniel Peter | Die Infektiologin Dr. Susanne Wiebecke (Archivbild aus dem Jahr 2017) hat an der Würzburger Uniklinik bislang etwa 70 Covid-19-Kranke behandelt. 
Was meinen Sie damit konkret?

Wiebecke: Öffentliche Aufmerksamkeit erregt hat zum Beispiel Hydroxychloroquin. In Zellkulturmodellen hatte dieses Mittel die Vermehrung des Virus gehemmt. Hier gibt es jedoch zwischenzeitlich Studiendaten, die keine relevanten Auswirkungen auf den tatsächlichen Verlauf von Covid-19 zeigen. Bewährt hat sich hingegen der Einsatz von Dexamethason, einem Kortison-Präparat. In Studien konnte eine deutlich geringere Sterblichkeit bei beatmungspflichtigen Patienten belegt werden und es wird heute für die Behandlung von schwer Covid-19-Kranken empfohlen. Gleiches gilt für Remdesivir, auch das hat sich qualifiziert und wird von uns eingesetzt.

Wie lange hatten Ihre Patienten mit Corona zu kämpfen?

Wiebecke: Das war sehr unterschiedlich. Wir hatten Patienten, die nach wenigen Tagen wieder entlassen werden konnten. Auf der anderen Seite gab es auch ältere Menschen und Patienten mittleren Alters, die wir von den Intensivstationen nach einem schweren Krankheitsverlauf übernommen haben und die noch mehrere Wochen bei uns auf der Infektionsstation lagen.

Ist geheilt, wer aus der Klinik entlassen wird – oder leiden viele Corona-Kranke unter Spätfolgen?

Wiebecke: Grundsätzlich haben wir Corona-Patienten nach der Entlassung wieder ambulant einbestellt und nochmals eine Diagnostik durchgeführt, um eben den Verlauf besser beurteilen zu können. Für eine Bewertung ist es insgesamt noch etwas zu früh. Gezeigt hat sich aber bereits: Es gibt schwer betroffene Patienten, denen es nach der Erkrankung überraschend gut geht – aber auch Patienten mit milderen Verläufen, die lange nach der Entlassung aus dem Krankenhaus noch Beschwerden bemerken. Das ist aber nicht neu, wir kennen das von der Influenza oder vom Pfeifferschen Drüsenfieber. Auch bei diesen Erkrankungen fühlen sich Patienten zum Teil noch monatelang beeinträchtigt und klagen über unterschiedlichste Befindlichkeitsstörungen.

Welche Beeinträchtigungen sind das bei Covid-19?

Wiebecke: Dazu gibt es noch keine strukturierten Informationen, wir dokumentieren bisher die Einzelfälle. Und hier wird eine Vielzahl von Befindlichkeitsstörungen genannt, angefangen von Müdigkeit über Antriebsschwäche und Leistungsdefizite bis zu anhaltenden Geschmacksstörungen.

Warum bei manchen Corona-Patienten (Symbolbild) Spätfolgen auftreten, bei anderen hingegen nicht, stellt Mediziner noch vor Rätsel.  
Foto: Peter Kneffel, dpa | Warum bei manchen Corona-Patienten (Symbolbild) Spätfolgen auftreten, bei anderen hingegen nicht, stellt Mediziner noch vor Rätsel.  
Was weiß man bisher über das Risiko, dass nach Corona solche Spätfolgen auftreten – ist das mit Vorerkrankungen höher?

Wiebecke: Eben das sehen wir nicht. Nicht jeder Patient mit relevanten Vorerkrankungen hat zwangsläufig einen lang andauernden Heilungsprozess. Wir haben auch jüngere Patienten, die noch unerwartet lange unter Beschwerden leiden – obwohl man von der klinischen Untersuchung her von einer Ausheilung ausgehen dürfte. Sie klagen über Defizite, für die wir bisher keine Erklärung finden.

Geht es nur um physische Folgen oder auch um psychische Probleme?

Wiebecke: Das ist schwer zu differenzieren. Wenn man als bisher junger und leistungsfähiger Mensch gewisse Defizite spürt und das dauert viele Wochen an, dann hat das natürlich Auswirkungen auf die Psyche. Es lässt sich aber keine sichere Kausalität feststellen.

Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass sich aktuell vor allem junge Menschen anstecken?

Wiebecke: Ich denke, das hat etwas mit dem Risikoverhalten zu tun. Ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen sind nach wie vor sehr, sehr vorsichtig.

Es gibt auch Theorien, dass sich das Virus verändert oder abgeschwächt hat. Was halten Sie davon?

Wiebecke: Grundsätzlich ist das natürlich möglich. Aber es ist momentan nicht zu beweisen.

Werden Corona-Patienten wieder ganz gesund oder bleibt von der Erkrankung immer etwas zurück?

Wiebecke: Wir gehen aus der Erfahrung mit anderen Infektionserkrankungen davon aus, dass man wieder komplett gesundet. Genau wissen wir es aber nicht, da wir den Langzeitverlauf eben noch nicht kennen.

Und wann etwa wird man Langzeitfolgen einschätzen können? Ist es denkbar, dass nach fünf oder zehn Jahren plötzlich wieder Beschwerden auftreten?

Wiebecke: Nein. Wenn es keine Organschäden gibt, sollte sich der Krankheitsverlauf innerhalb von Monaten bessern. Wir kennen es aber von der Grippe, dass Patienten manchmal nach über einem Dreivierteljahr noch sagen, ich bin immer noch nicht wieder der, der ich vorher war. Im Einzelfall ist es allerdings immer sehr schwierig, spätere Beschwerden genau auf die Viruserkrankung zurückzuführen. Derzeit laufen zahlreiche Studien zu den Spätfolgen und wir warten auf die Auswertung.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Susanne Schmitt
Coronavirus
Covid-19
Infektiologen
Infektionskrankheiten
Infektionsstationen
Klinische Medizin
Krankenhäuser und Kliniken
Patienten
Universitätskliniken
Viruserkrankungen
Ärzte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • K. D.
    @chrihand
    ……bei Ihnen,wie es scheint,bereits geschehen! Wie kann man helfen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • T. F.
    Sehr gutes Interview! Vielen Dank!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • C. H.
    So...und nun mal die Anzahl dieser Patienten mit einer Influenza-Infektion vergleichen.
    Genauso die Art von extremen Verläufen, Spätfolgen und die Krankheitsbilder...
    Diese Infos gerne aus den offiziellen Quellen entnehmen!

    Und nun?

    Wieder meine Frage: wo ist dieses saugefährliche Virus, von dem alle reden?

    Da könnte man auch das West-Nil-Virus ins Feld führen. Hat ähnliche Zahlen, was das Verhältnis zu Infizierten, milden und extremen Verläufen angeht. Interessiert aber keinen, obwohl es gerade nach D schwappt....
    Eins aber glaube ich: Corona befällt das Gehirn. Direkt oder indirekt....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • L. W.
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • J. B.
    Also wir haben aktuell im Bekanntenkreis und auf der Arbeit 3 Infizierte.
    West -Nil -Virus keiner.
    Soviel zu ihrer Aussage vergleichbare Zahlen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • U. S.
    Also ich kenne keinen mit Corona. Aber ich kenne jemand der an West-Nil erkrankt war.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • J. B.
    Da können sie ja froh sein .
    Nicht sehr lustig wenn es den Freundeskreis trifft.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. S.
    @chrisand....sie kennen anscheinend niemanden der an der Pandemie erkrankt ist, sonst würden sie nicht so einen Käse verzapfen.....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • J. H.
    Manoman! Ich habe gerade ein Déjà Vu!

    Die selben naiven Kommentare habe ich irgendwie schon im Februar gelesen. Die meisten haben es aber wohl begriffen, manche erst auf die harte Tour am eigenen Leib oder an dem der Familie und Freunde.

    Ist das eine Schutzmechanismus des Gehirns aus der Vor-Steinzeit, reale Gefahren einfach aus zu blenden? Man lebt weiter wie zuvor und und ignoriert einfach den Säbelzahntiger? Kann man machen. So hat man wenigstens die Illusion, alles liefe normal weiter. Bis halt dann ...

    Was Sie mit Ihrer Gesundheit machen, ist Ihre Sache. Ich hoffe aber, dass Sie nicht selbst zum Superspreader für andere werden, nur weil Sie die Realität verweigern. Ihre Freiheit hört da auf, wo die der anderen beginnt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten