Ernst-Otto Berk ist Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr und war zuletzt bis 2014 stellvertretender Kommandeur der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg). Zuvor war Berk im Bundesverteidigungsministerium unter anderem als Referatsleiter für Militärpolitik tätig und bei der Nato mit der Integration neuer Mitgliedsstaaten betraut. Im Interview spricht der 70-Jährige, der in Mainbernheim (Lkr. Kitzingen) wohnt, darüber, wann der Krieg in der Ukraine beendet werden kann - und warum die westlichen Staaten mit dem russischen Präsidenten weiterhin reden müssten.
Ernst-Otto Berk: Letztendlich kann nur Wladimir Putin den Angriffskrieg einstellen. Es ist unstrittig, dass der Krieg gegen Völkerrecht verstößt und alle Indizien deuten darauf hin, dass Kriegsverbrechen begangen wurden. Die Empörung, die Fassungslosigkeit und die Wut der Öffentlichkeit sind nachvollziehbar. Aber in der Politik müssen diese Emotionen durch Rationalität und Pragmatismus ergänzt, wenn nicht sogar ersetzt werden. Als Politiker muss man mit anderen politischen Akteuren umgehen – auch mit Putin. Das lässt sich nicht ändern.
Berk: Die westliche Staatengemeinschaft muss klären: Wollen wir die Ukraine zu einem lange dauernden Abnutzungskrieg befähigen? Natürlich müssen sich die Ukrainer verteidigen. Sie dürfen den Krieg nicht verlieren. Waffenlieferungen, logistische Unterstützung und Sanktionen gegen Russland helfen dabei. Aber parallel müssen alle anderen Möglichkeiten verfolgt werden, um den Krieg zu beenden.
Berk: Der Besuch von Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer bei Putin war ein richtiger Ansatz. Nur durch Gespräche lässt sich herausfinden, was Putin eigentlich will. Die Kommunikationskanäle müssen offen bleiben. Die Ukraine muss den Krieg so lange durchhalten, bis auf der Gesprächsebene eine Lösung gefunden wurde. Gewinnen darf Putin nicht.
Berk: Es muss für beide Seiten, für die Ukraine und für Putin, gesichtswahrend ablaufen. Das ist schwer. Da ist Staatskunst und Kreativität gefragt. Das Verhindern des russischen Angriffs in ukrainisches Kernland kann Kiew als Erfolg, die Besetzung des Donbass kann Moskau als Erfolg verkaufen. Darauf könnte man zunächst einen bilateralen Vertrag gründen. Es darf natürlich keinen Gewinner und keinen Verlierer geben. Ein "Abkommen zur Beendigung des russischen militärischen Engagements in der Ostukraine" – in Anlehnung an die diplomatischen Formulierungen zur Beendigung des Vietnamkrieges 1973 – wäre doch für beide Seiten eine akzeptable Lösung.
Berk: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rückt bereits von seiner Forderung nach einem Nato-Beitritt der Ukraine ab. Das ist für Putin ein sehr wichtiger Punkt. Henry Kissinger (Anm. d. Red.: ehemaliger US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger) hat 2014 gesagt, dass die Ukraine niemals zu einem Vorposten der einen Seite gegenüber der anderen werden darf, wenn sie gedeihen will. Ich glaube, da steckt auch heute noch viel Wahrheit darin. Die Souveränität und die bestehenden Grenzen der Ukraine müssten garantiert werden.
Berk: Das ist der Grundsatz. Das darf aber kein unumstößliches Dogma sein. Im Nordatlantikvertrag ist geregelt, dass die Mitgliedsstaaten einstimmig andere Staaten zum Beitritt einladen können, wenn sie zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets beitragen. Trifft das im Fall der Ukraine zu? Es kann doch sein, dass im Fall der Ukraine ein neues Abkommen oder ein neuer Vertrag zielführender sind. Es geht nicht nur um die Ukraine, sondern auch um die europäische Sicherheitsarchitektur. Es müssen so konkrete Punkte wie erneute Nato-Erweiterungsrunden, Status der Ukraine und Sicherheitsgarantien für bündnisfreie Staaten einer Lösung zugeführt werden. Dem zukünftigen außenpolitischen Verhalten Russlands, und gegebenenfalls auch dem Expansionsdrang, müssen Fesseln angelegt werden. Gegenseitige Unterrichtung über militärische Aktivitäten und Rüstungskontrolle sind hierfür geeignet.
Berk: Darüber können wir schimpfen. Wir können Putin dafür verurteilen und das ist auch geboten, aber Russland bleibt ein strategisches Schwergewicht. Langfristig wird die Politik wieder einen Weg finden müssen, mit ihm umzugehen. Das sollte auch nicht als "Einknicken" vor Russland gewertet werden. Ohne Gespräche wird dieser Krieg nicht zu einem Ende kommen. Wir müssen mit Russland, vermutlich auch noch unter Putin, Formen und Regeln für ein vernünftiges Miteinander und ein gewaltfreies Zusammenleben finden.
Berk: Wenn eine vertragliche Neuordnung bis zum 50. Jahrestag der KSZE-Schlussakte 2025 gelänge, könnte es eine neue Zeitenwende geben. Im August 1975 unterzeichneten Vertreter von 35 Staaten des West- und Ostblocks in Helsinki eine Übereinkunft über die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Etwas Vergleichbares muss wieder gelingen. Dem müssen aber Gespräche zwischen der Ukraine und Russland vorausgehen. Die Ukraine ist ein souveräner Staat und so muss sie auch behandelt werden. Die westliche Staatengemeinschaft kann nicht über das Land hinweg verhandeln. Es wird viel Zeit in Anspruch nehmen, bis das Vertrauen für solche Gespräche geschaffen ist. Denn geschlagene Wunden zwischen Ukraine und Russland werden lange nachbluten. Sie dürfen aber dem, was die politische Vernunft gebietet, nicht entgegenstehen.
Wenn heute einer mehr als 5 Jahre aus der Bundeswehr raus ist, fängt er fast bei Null an.
Ein paar strategische Gedanken ok, aber mehr eben nicht.
Ich halte auch die Einschätzung dafür, dass man nach wie vor Kommunikationskanäle offenhalten muss für richtig.
Allerdings ist meiner Meinung nach seit den Verbrechen in Butscha eine gesichtswahrende Lösung für Putin kaum noch möglich. Ich denke kaum, dass die Ukraine dazu noch bereit sein wird.
Wahrscheinlicher ist entweder dass Putin im Mai das Erreichen der Ziele verkündet, rechtzeitig zu den Siegesfeierlichkeiten des 2. Weltkriegs - oder hier ein langer Abnutzungskrieg entsteht.
Verständlicherweise wird die Bereitschaft der Ukraine so etwas Russland noch zuzugestehen irgendwo in der Nähe des absoluten Nullpunkts sein.
Herr Berk sollte unbedingt unsere unfähigen Politiker, allen voran Bundeskanzler Scholz, als Berater unterstützen.
Einer Verteidigungsministerin, die von nix Ahnung hat? Von Grünschleimern, deren Geschwätz von gestern niemanden mehr interessiert???
Phantasten überall und Putin lacht sich kaputt. Wartet mal bis nächsten Winter, da geht der A… auf Grundeis.
Wenns überhaupt so lange dauert.
Wir hängen an der Energieleine. Man wird es schon noch begreifen müssen…