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Veitshöchheim
Brigadegeneral a. D. zum Ukraine-Krieg: "Es darf keinen Gewinner und keinen Verlierer geben"
Ernst-Otto Berk war viele Jahre stellvertretender Kommandeur in Veitshöchheim. Welche Lösung sieht er für ein Ende des Krieges und wie sollte man mit Putin umgehen?
Ernst-Otto Berk ist Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr und diente im Bundesverteidigungsministerium unter anderem als Referatsleiter für Militärpolitik.
Foto: Jonas Keck | Ernst-Otto Berk ist Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr und diente im Bundesverteidigungsministerium unter anderem als Referatsleiter für Militärpolitik.
Jonas Keck
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:06 Uhr

Ernst-Otto Berk ist Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr und war zuletzt bis 2014 stellvertretender Kommandeur der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg). Zuvor war Berk im Bundesverteidigungsministerium unter anderem als Referatsleiter für Militärpolitik tätig und bei der Nato mit der Integration neuer Mitgliedsstaaten betraut. Im Interview spricht der 70-Jährige, der in Mainbernheim (Lkr. Kitzingen) wohnt, darüber, wann der Krieg in der Ukraine beendet werden kann - und warum die westlichen Staaten mit dem russischen Präsidenten weiterhin reden müssten.

Frage: Wer oder was kann den Krieg in der Ukraine stoppen?

Ernst-Otto Berk: Letztendlich kann nur Wladimir Putin den Angriffskrieg einstellen. Es ist unstrittig, dass der Krieg gegen Völkerrecht verstößt und alle Indizien deuten darauf hin, dass Kriegsverbrechen begangen wurden. Die Empörung, die Fassungslosigkeit und die Wut der Öffentlichkeit sind nachvollziehbar. Aber in der Politik müssen diese Emotionen durch Rationalität und Pragmatismus ergänzt, wenn nicht sogar ersetzt werden. Als Politiker muss man mit anderen politischen Akteuren umgehen – auch mit Putin. Das lässt sich nicht ändern.

Die aktuelle Debatte dreht sich vor alle um Waffenlieferungen und Sanktionen.

Berk: Die westliche Staatengemeinschaft muss klären: Wollen wir die Ukraine zu einem lange dauernden Abnutzungskrieg befähigen? Natürlich müssen sich die Ukrainer verteidigen. Sie dürfen den Krieg nicht verlieren. Waffenlieferungen, logistische Unterstützung und Sanktionen gegen Russland helfen dabei. Aber parallel müssen alle anderen Möglichkeiten verfolgt werden, um den Krieg zu beenden.

Welche wären das?

Berk: Der Besuch von Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer bei Putin war ein richtiger Ansatz. Nur durch Gespräche lässt sich herausfinden, was Putin eigentlich will. Die Kommunikationskanäle müssen offen bleiben. Die Ukraine muss den Krieg so lange durchhalten, bis auf der Gesprächsebene eine Lösung gefunden wurde. Gewinnen darf Putin nicht.

Wie kann eine Lösung aussehen?

Berk: Es muss für beide Seiten, für die Ukraine und für Putin, gesichtswahrend ablaufen. Das ist schwer. Da ist Staatskunst und Kreativität gefragt. Das Verhindern des russischen Angriffs in ukrainisches Kernland kann Kiew als Erfolg, die Besetzung des Donbass kann Moskau als Erfolg verkaufen. Darauf könnte man zunächst einen bilateralen Vertrag gründen. Es darf natürlich keinen Gewinner und keinen Verlierer geben. Ein "Abkommen zur Beendigung des russischen militärischen Engagements in der Ostukraine" – in Anlehnung an die diplomatischen Formulierungen zur Beendigung des Vietnamkrieges 1973 – wäre doch für beide Seiten eine akzeptable Lösung.

Welche Eckpunkte müssten in einem Abkommen geregelt werden?

Berk: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rückt bereits von seiner Forderung nach einem Nato-Beitritt der Ukraine ab. Das ist für Putin ein sehr wichtiger Punkt. Henry Kissinger (Anm. d. Red.: ehemaliger US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger) hat 2014 gesagt, dass die Ukraine niemals zu einem Vorposten der einen Seite gegenüber der anderen werden darf, wenn sie gedeihen will. Ich glaube, da steckt auch heute noch viel Wahrheit darin. Die Souveränität und die bestehenden Grenzen der Ukraine müssten garantiert werden.

Sollte nicht jedes Land seine Bündnispartner frei wählen dürfen?

Berk: Das ist der Grundsatz. Das darf aber kein unumstößliches Dogma sein. Im Nordatlantikvertrag ist geregelt, dass die Mitgliedsstaaten einstimmig andere Staaten zum Beitritt einladen können, wenn sie zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets beitragen. Trifft das im Fall der Ukraine zu? Es kann doch sein, dass im Fall der Ukraine ein neues Abkommen oder ein neuer Vertrag zielführender sind. Es geht nicht nur um die Ukraine, sondern auch um die europäische Sicherheitsarchitektur. Es müssen so konkrete Punkte wie erneute Nato-Erweiterungsrunden, Status der Ukraine und Sicherheitsgarantien für bündnisfreie Staaten einer Lösung zugeführt werden. Dem zukünftigen außenpolitischen Verhalten Russlands, und gegebenenfalls auch dem Expansionsdrang, müssen Fesseln angelegt werden. Gegenseitige Unterrichtung über militärische Aktivitäten und Rüstungskontrolle sind hierfür geeignet.

Im Herbst 2014 wurde Ernst Otto Berk (rechts) bei einem feierlichen Appell in der Balthasar-Neumann-Kaserne in Veitshöchheim verabschiedet. Hier mit Divisions-Kommandeur Generalmajor Bernd Schütt (Mitte) und Berks Nachfolger, Brigadegeneral Andreas Helmut Hannemann.
Foto: Dieter Gürz (Archiv) | Im Herbst 2014 wurde Ernst Otto Berk (rechts) bei einem feierlichen Appell in der Balthasar-Neumann-Kaserne in Veitshöchheim verabschiedet.
Putin hat immer wieder bewiesen, dass man Verträge oder Abkommen brechen kann.

Berk: Darüber können wir schimpfen. Wir können Putin dafür verurteilen und das ist auch geboten, aber Russland bleibt ein strategisches Schwergewicht. Langfristig wird die Politik wieder einen Weg finden müssen, mit ihm umzugehen. Das sollte auch nicht als "Einknicken" vor Russland gewertet werden. Ohne Gespräche wird dieser Krieg nicht zu einem Ende kommen. Wir müssen mit Russland, vermutlich auch noch unter Putin, Formen und Regeln für ein vernünftiges Miteinander und ein gewaltfreies Zusammenleben finden.

Das klingt angesichts der Bilder aus Butscha und anderen Orten in der Ukraine nach einem langen Weg. Von welchem Zeitraum gehen Sie aus?

Berk: Wenn eine vertragliche Neuordnung bis zum 50. Jahrestag der KSZE-Schlussakte 2025 gelänge, könnte es eine neue Zeitenwende geben. Im August 1975 unterzeichneten Vertreter von 35 Staaten des West- und Ostblocks in Helsinki eine Übereinkunft über die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Etwas Vergleichbares muss wieder gelingen. Dem müssen aber Gespräche zwischen der Ukraine und Russland vorausgehen. Die Ukraine ist ein souveräner Staat und so muss sie auch behandelt werden. Die westliche Staatengemeinschaft kann nicht über das Land hinweg verhandeln. Es wird viel Zeit in Anspruch nehmen, bis das Vertrauen für solche Gespräche geschaffen ist. Denn geschlagene Wunden zwischen Ukraine und Russland werden lange nachbluten. Sie dürfen aber dem, was die politische Vernunft gebietet, nicht entgegenstehen.

 
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  • jgust@gmx.de
    Ganz ehrlich, alles gut und schön, aber wo kommen plötzlich all die Ex Generäle her und geben Ihren Sinn oder Unsinn im TV und Print ab.
    Wenn heute einer mehr als 5 Jahre aus der Bundeswehr raus ist, fängt er fast bei Null an.
    Ein paar strategische Gedanken ok, aber mehr eben nicht.
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Haha, und eine Verteidigungsministerin die noch nie im Leben IRGENDETWAS mit Militär zu tun hatte, befehligt das alles.......
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  • juergenmagic@t-online.de
    Sehr guter und fundierter Bericht von jemand, der Ahnung von der Materie hat. Dass man die Ukraine mit Waffen vollstopft, ist auch keine Lösung. Vor allen Dingen hat die Bundeswehr auch nichts zum Abgeben. Die Damen und Herren von CDU/CSU , usw. brauchen gar nicht die Klappe so weit aufreißen, die haben ja die Bundeswehr kaputt gespart. Außerdem sollte man sich nicht zu arg einmischen, um Russland nicht zu provozieren. Dass 55% der Bevölkerung für schwere Waffenlieferungen sind, ist schon verwunderlich. Die meisten sind aus reinem Aktionspopulismus dafür.
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  • mail@marc-stuermer.de
    Realistisch gesehen gibt es zwei Möglichkeiten: entweder Putin übersteht diesen Krieg innenpolitisch, dann wird er uns noch sicherlich viele Jahre erhalten bleiben. Oder es wird in Russland für ihn so eng, dass er bald ermordet wird. Dazwischen gibt es nicht viel.

    Ich halte auch die Einschätzung dafür, dass man nach wie vor Kommunikationskanäle offenhalten muss für richtig.

    Allerdings ist meiner Meinung nach seit den Verbrechen in Butscha eine gesichtswahrende Lösung für Putin kaum noch möglich. Ich denke kaum, dass die Ukraine dazu noch bereit sein wird.

    Wahrscheinlicher ist entweder dass Putin im Mai das Erreichen der Ziele verkündet, rechtzeitig zu den Siegesfeierlichkeiten des 2. Weltkriegs - oder hier ein langer Abnutzungskrieg entsteht.
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  • mail@marc-stuermer.de
    Noch hat Putin nicht gewonnen. Und gesichtswahrend bedeutet, dass man ihm etwas gibt, was er in seinem Land als Sieg verkaufen kann bzw. zulässt, dass er dies bekommt.

    Verständlicherweise wird die Bereitschaft der Ukraine so etwas Russland noch zuzugestehen irgendwo in der Nähe des absoluten Nullpunkts sein.
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Das Versprechen der Nato nicht beizutreten würde vermutlich genügen.
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  • e.max.s@t-online.de
    Das sind endlich mal realitätsbezogene vernünftige Gedanken wie man die Beendigung dieses Konfliktes angehen müsste.

    Herr Berk sollte unbedingt unsere unfähigen Politiker, allen voran Bundeskanzler Scholz, als Berater unterstützen.
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  • bernd.31267@web.de
    Während ein Militär besonnen die Politik an ihre Aufgaben erinnert, schreien Mitglieder der pazifistischen Partei nach schweren Waffen…
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  • Martin.Heberlein@gmx.de
    Die Überschrift ist ja auch sehr missverständlich: Er meinte, bei einer vertraglichen Lösung dürfe es keine Gewinner und Verlierer geben...
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  • e.max.s@t-online.de
    Wo steht denn was von "vertraglicher Lösung"?
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  • e.max.s@t-online.de
    Ok., dachte sie beziehen sich auf die Überschrift.
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  • Martin.Heberlein@gmx.de
    Es ist schon sehr auffällig, dass in diesem Konflikt ausgerechnet die altgedienten, hochrangigen Militärs die vernünftigsten Einschätzungen abgeben. Die wissen, wovon sie sprechen und halten offensichtlich nichts von emotionalem Kriegsgeschrei, das zu nur noch brutaleren Situationen, als sie eh schon bestehen, führt.
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  • seneca
    Endlich ein durchdachter Beitrag mit Lösungsansätzen. Sollte man mal Frau von der Leyen lesen lassen und auch ins Englische übersetzen.
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  • marion-wallisch@t-online.de
    Endlich eine zielführende Beurteilung der Situation, die ohne Hysterie und moralischem Zeigefinger, Wege in eine Lösung des Konfliktes aufzeigt. So kann man Menschenleben retten - und das wollen wir doch alle.
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Ein hervorragender Interviewpartner, sehr kluge und differenzierte Antworten.
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  • schlauesmaedchen2018
    Ich bin dankbar für so viel Besonnenheit und Pragmatismus.
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  • Braun_Matthias@hotmail.com
    In jedem Krieg gibt es nur Verlierer. Das war noch nie anders.
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  • sepele
    Netter Spruch. Aber natürlich gibt es kriege, die sich für imperialistische Aggressoren - wie hier Russland - lohnen. Wenn sie erfolgreich verlaufen. Was wir verhindern müssen.
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  • Funkenstern
    Ach ne. Mit Dummsgebabbel???
    Einer Verteidigungsministerin, die von nix Ahnung hat? Von Grünschleimern, deren Geschwätz von gestern niemanden mehr interessiert???
    Phantasten überall und Putin lacht sich kaputt. Wartet mal bis nächsten Winter, da geht der A… auf Grundeis.
    Wenns überhaupt so lange dauert.
    Wir hängen an der Energieleine. Man wird es schon noch begreifen müssen…
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