Gurkenwasser statt Streusalz gegen Straßenglätte, Moose, die Feinstaub in Städten aus der Luft filtern, Wäsche waschende und Plastik fressende Bakterien, ein T-Shirt aus lebenden Algen, ein Geldbeutel aus Pilzen statt aus Leder oder Tierfutter aus Insekten und Mikroalgen: Das alles sind Beispiele für Bioökonomie.
Das Wissen aus der Biologie zu nutzen, um endliche Ressourcen wie Erdöl, Erdgas, Kohle oder Torf durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen und somit nachhaltiger zu produzieren, ist der Gedanke hinter diesen Ideen.
In den nächsten Wochen wird sich auch diese Redaktion in einer Serie mit dem Thema Bioökonomie auseinandersetzen und fragen: Wie lassen sich Ökonomie und Ökologie vereinen? Wie können Konsum und Produktion nachhaltig werden?
Nachhaltigkeit wird in der Öffentlichkeit diskutiert
Nachhaltigkeit meint, nicht mehr zu verbrauchen, als nachwachsen, sich regenerieren und wieder bereitgestellt werden kann. Denn die Erde als Lebensraum für Menschen und Tiere ist nur begrenzt ausbeutbar. Das wird vermehrt auch in der Öffentlichkeit diskutiert.
Die von Greta Thunberg gestartete "Fridays for Future"-Bewegung hat auch in Unterfranken Unterstützer. Die Folgen des vom Menschen verursachten Klimawandels wirken sich auch hier massiv aus: Es wird wärmer und trockener, der Wald leidet, das Wasser fehlt. Der Würzburger Klimaforscher Heiko Paeth bezeichnet Mainfranken sogar als "Hotspot".
Der Corona-Ausbruch in Deutschlands größtem Schlachtbetrieb Tönnies heizte die Debatte über die Arbeits- und Produktionsbedingung in der Fleischindustrie an. Verbraucher fragen, woher das Fleisch kommt und wie es produziert wird. Es ist ein Beispiel von vielen, das zeigt: Konsum und Produktion müssen sich in vielen Bereichen ändern, um nachhaltig zu sein.
Innovative Ideen verändern herkömmliche Produkte
Damit das gelingt, braucht es innovative Ideen: Wie können Pflanzen mehr Kohlenstoffdioxid (CO2) binden? Welche Möglichkeiten gibt es, Müll zu vermeiden? Wie lassen sich Abfälle verwerten? Auf welche Weise kann sich jeder im Alltag umweltbewusster verhalten?
Die Bioökonomie will Antworten auf diese Fragen finden. Es geht um den Klimawandel, die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung, den Umgang mit endlichen Ressourcen, eine sichere Versorgung mit Energie und die Gesundheit einer alternden Bevölkerung.
Das T-Shirt aus Algen kann so viel Sauerstoff erzeugen wie eine sechs Jahre alte Eiche. Ein Dübel, der zur Hälfte aus Rizinusöl besteht, ist umweltfreundlicher als einer aus Erdöl. Ein Extrakt aus Olivenblättern kann giftige Säuren und Salze beim Gerben ersetzen. Pflanzendünger lässt sich aus Abfällen wie Kaffeesatz, Bananen- und Eierschalen selbst herstellen.
Um solche Ideen zu fördern, startete die Bundesregierung ein Förderprogramm mit einem Volumen von 2,4 Milliarden Euro und für einen Zeitraum von sechs Jahren auf Grundlage der "Nationalen Bioökonomiestrategie". Deren Ziel ist eine "biobasierte Wirtschaft".
Mainfranken hat Potenzial in der Bioökonomie
Um diese Ideen geht es auch in unserer Artikelreihe, die in Zusammenarbeit mit der Universität Würzburg und der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt entsteht. Auch die Macromedia Hochschule in Köln war beteiligt. Rund 200 Studierende haben sich mit der Bioökonomie befasst und zeigen an Beispielen, welches Potenzial Mainfranken hier hat.
Ihre Arbeiten sind eingebunden ins "Wissenschaftsjahr 2020/21" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, bei dem es in diesem Jahr eben auch um die Bioöokomie geht. In den vergangenen Jahren ging es unter anderem um die Digitalisierung, das Arbeiten in der Zukunft oder um Künstliche Intelligenz.
"Die Bioökonomie ist ein zentrales ökonomisches Thema – global, aber vor allem auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das Thema bewegt die Menschen", sagt Professor Kim Otto. Er lehrt Wirtschaftsjournalismus an der Uni Würzburg. Das Projekt biete die Möglichkeit, eine große ökonomische Frage zu diskutieren und in die Öffentlichkeit zu tragen.
Studierende stellen Projekte aus der Region vor
"Es handelt sich um eine genauso lebensnahe wie komplexe Materie", ergänzt Professor Lutz Frühbrodt, Leiter des Masterstudiengangs Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation an der Hochschule Würzburg.
Die Studierenden stellen in ihren Beiträgen Projekte aus der Region vor, darunter eine nachhaltige Fleischproduktion im Landkreis Haßberge oder umweltverträgliche Fleischalternativen aus Bamberg, biologische Reinigungsmittel aus Schweinfurt oder Pflanzenkohle aus Würzburg, für die Reste aus der Schokoladenindustrie verarbeitet werden.
Ebenso arbeiten Forscher in der Region daran, wie Elektromobilität als umweltverträgliche Technologie vorangebracht werden kann, aus welchen Materialen nachhaltige Baustoffe sind oder wie Biokunststoffe haltbarer und somit markttauglich gemacht werden können.
Unsere Serie startet mit der Frage, wie die Forscher am Biozentrum der Uni Würzburg erreichen wollen, dass Pflanzen in Zukunft bis zu fünfmal mehr für das Klima schädliches CO2 aus der Luft aufnehmen können.
Die Ausstellung "Bioökonomie" an Bord der "MS Wissenschaft" ist vom 30. September bis zum 4. Oktober 2020 in Würzburg zu sehen. Weitere Informationen unter www.ms-wissenschaft.de