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Würzburg
Was der Tönnies-Skandal für Metzgereien im Landkreis bedeutet
Corona-Fälle und miese Arbeitsbedingungen: Große Schlachthöfe stehen in der Kritik. Welchen Einfluss hat die Debatte um Billig-Fleisch auf Metzgereien in der Region Würzburg?
Die Metzgerei Benedini in Ochsenfurt verkauft nur Fleisch aus eigener Schlachtung. Dafür kommen Kunden auch von weiterweg.
Foto: Thomas Obermeier | Die Metzgerei Benedini in Ochsenfurt verkauft nur Fleisch aus eigener Schlachtung. Dafür kommen Kunden auch von weiterweg.
Anna-Lena Behnke
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:37 Uhr

Der Skandal um den Schlachthof Tönnies dürfte einigen, die sich sonst gerne Wurst aufs Brot oder ein Steak auf den Grill legen, den Appetit verdorben haben. Im Juni war es dort zu einem massiven Corona-Ausbruch gekommen, der katastrophale Arbeitsbedingungen an die Öffentlichkeit gebracht hatte. Große Schlachtbetriebe sind daraufhin in die Kritik geraten. Doch achten Verbraucher nun stärker darauf, woher ihr Fleisch kommt? Und was bedeutet das für Metzgereien im Landkreis Würzburg?

Kunden fragen nach

"Die Kunden stellen mehr Fragen zur Herkunft des Fleisches", sagt Hans-Georg Müller, Inhaber der Landmetzgerei Müller in Kleinrinderfeld. Der Metzgermeister und Ernährungsberater hat vor sechs Jahren den Familienbetrieb übernommen. Geschlachtet wird dort seit jeher selbst. Die Massenproduktion in riesigen Schlachthöfen sieht er daher kritisch: "Billiges Fleisch kommt nur zustande, wenn dabei irgendjemand auf der Strecke bleibt."

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Davon sei nicht nur die Qualität betroffen, sondern auch das Tierwohl und die Arbeiter aus dem Ausland, wie der Tönnies-Skandal gezeigt habe. Vielen Verbrauchern sei das nun auch stärker bewusst geworden. "Das Interesse an hochwertigem Fleisch ist schon da", sagt Müller. Trotzdem: "Wenn erstmal ein bisschen Gras über die Sache gewachsen ist, wird wohl für viele wieder der Preis entscheiden", befürchtet er.

Ähnlich geht es Sonja Benedini. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann die Metzgerei Benedini in Ochsenfurt. Die Produkte ihres Betriebs stammen ebenfalls aus eigener Schlachtung und auch die Tiere kommen von Landwirten aus dem näheren Umkreis. "Die Leute fragen seit dem Tönnies-Skandal schon nach", berichtet Benedini von ihren Erfahrungen der vergangenen Wochen. Allerdings lasse das Interesse mittlerweile schon wieder nach. Mit einem langfristig veränderten Einkaufsverhalten rechnet sie daher nicht.

Konkurrenz durch Großkonzerne

Optimistischer zeigt sich da Horst Schömig, Obermeister der Metzger-Innung Würzburg: "Ich habe schon die Hoffnung, dass die Leute jetzt endlich begriffen haben, was in den großen Fabriken vor sich geht." Schömig arbeitet seit etwa 50 Jahren in der Metzgerei Hermann Schömig und führt den Betrieb in vierter Generation.

Auch er erlebt seit einigen Wochen ein größeres Augenmerk der Kunden auf die Herkunft des Fleisches, das in den Auslagen seiner Metzgerei liegt. "Wir hatten jetzt vermehrt neue Kunden, die auch nachfragen, wo wir schlachten lassen", sagt der Metzgermeister, der sein Fleisch von einem Metzger mit eigenem Schlachthaus aus Forchtenberg in Baden-Würtemberg bezieht.

"So billig wie Supermärkte Fleisch und Wurst verramschen – da können wir nicht mithalten."
Horst Schömig, Obermeister der Metzger-Innung Würzburg

In Bayern schlachte aktuell noch rund ein Drittel der Metzgereien selbst, so Schömig. Denn die Betriebe haben zunehmend mit Auflagen und steigenden Kosten zu kämpfen. Auch die Konkurrenz durch das billige Fleisch der Großkonzerne ist aus seiner Sicht ein bereits Jahrzehnte währendes Problem. "So billig wie Supermärkte Fleisch und Wurst verramschen – da können wir nicht mithalten", sagt der Metzgermeister.

Allerdings trage auch der Verbraucher einen entscheidenden Teil zur aktuellen Situation bei. "Wenn es niemand haben wollen würde, könnten Großkonzerne auch nicht in diesem Stil produzieren", so Schömig. Sorgen um die Zukunft der eigenen Metzgerei mache er sich keine. Denn die habe einen festen Kundenstamm, der für gute Qualität auch etwas mehr zahlt. Für die Branche sei es aber durchaus eine Herausforderung, die nicht einfach zu bewältigen ist.

Metzgermeister Hans-Georg Müller schlachtet und verarbeitet das Fleisch für seine Metzgerei in Kleinrinderfeld selbst. Das Interesse an hochwertigem Fleisch ist seit dem Tönnies-Skandal gewachsen.
Foto: Thomas Obermeier | Metzgermeister Hans-Georg Müller schlachtet und verarbeitet das Fleisch für seine Metzgerei in Kleinrinderfeld selbst. Das Interesse an hochwertigem Fleisch ist seit dem Tönnies-Skandal gewachsen.

Diese Erfahrung hat auch Rainer Schömig gemacht, der in Lengfeld das Gasthaus "Zum Hirschen" sowie ein Hotel und eine Metzgerei betreibt. "Langfristig mache ich mir schon Sorgen", sagt Schömig. Pro Woche verarbeitet der Familienbetrieb etwa 15 Schweine und einen Bullen. Überschaubar im Vergleich zu Großkonzernen.

"Wenn kein Umdenken stattfindet, bleiben immer mehr Kleine auf der Strecke", befürchtet Schömig. Im schlimmsten Fall komme dann in zehn Jahren das gesamte Fleisch in deutschen Verkaufstheken aus Osteuropa. "Es ist eben die Frage, ob die Leute das riskieren wollen oder nicht doch den kleinen Betrieb vor Ort unterstützen", sagt Schömig. Letztlich liege die Entscheidung beim Verbraucher.

 
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