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Würzburg
Beschwerde wegen Biermangel: Handwerker verewigen sich in Estenfelder Grundschule
Beim Abriss der Grundschule Estenfeld wurde eine Bierflasche gefunden, in der sich die Handwerker über die, im übertragenen Sinn, zu trockenen Arbeitsbedingungen beschweren.
Haben vielleicht genau die Herren auf dem Dach die Flasche versteckt?
Foto: Sammlung Jochen Jörg | Haben vielleicht genau die Herren auf dem Dach die Flasche versteckt?
Milia Geisler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:43 Uhr

Ein frischgezapftes Helles, ein herbes Pils oder auch ein kühles Weizen. Bier gehört zu Franken, wie Schäufele und Schoppen. Wird das nicht geliefert, kann das schon mal zu Unzufriedenheit führen. Im sonst so bürokratischen Deutschland gibt es da allerdings mehr als nur eine Option, um dem eigenen Unmut freien Lauf zu lassen. 

Kreativ löste dies eine Gruppe Bauarbeiter, die im Jahr 1964 am Bau der Grundschule Estenfeld beteiligt waren. Ihren Ärger ließen sie auf Papier aus. Bemängelt wurde zwar nicht, dass zu wenig Bier vor Ort war. Allerdings mussten die Handwerker dieses aus eigener Tasche zahlen. Ihnen zu Folge wäre das die Aufgabe von Bürgermeister Emil Messelberger, dem Protagonisten ihrer Kritik, gewesen. Nun, da die Grundschule Estenfeld abgerissen und anschließend neugebaut wird, wurde die leere Bierflasche gefunden, in welcher die Männer ihr Klagelied für die Nachwelt konservierten. 

"Auf sein Wohl haben wir getrunken"

Zwei Dokumente befanden sich in der Flasche. Das erste, zeitlich früher datierte Dokument vom 6. Juni 1964 protokolliert, dass die Bauarbeiter zwar Bier ausgegeben bekamen, allerdings nicht vom Bürgermeister Messelberger, sondern von ihrem "Frei-Wild-Liebhaber Lothar Oechsner". Die Unterschriften auf dem Dokument lassen darauf schließen, dass es sich um einen Maler aus Thüngersheim handelt. "Auf sein Wohl haben wir getrunken und unsere Arbeit an dieser Decke [...] ist uns hervorragend schnell gelungen".

Beschwichtigung des Ärgers durch "28er-Sprieße"

Geradezu lyrisch formulierten die Handwerker auch im zweiten Dokument vom 2. Juli 1964 die Situation, in der sie leidend auf dem Trockenen saßen: "Möge doch unsere Mühe durch die Nachkommen geachtet und verstanden werden". Diese Achtung erhalten sie nun nicht nur medial, sondern auch auf sentimentaler Ebene. Christoph-Rupert Schneider ist seit mittlerweile zehn Jahren Schulleiter der Grundschule Estenfeld. Er ist dort selbst zur Schule gegangen und verbindet seine eigene Kindheit mit dem Gebäude, das nun abgerissen wird. "Auch wenn es vollkommen klar ist, dass ein Neubau wirtschaftlich besser und absolut richtig ist, aber trotzdem hängt man an dem Gebäude", erklärt er der Redaktion.

Schulleiter Christoph-Rupert Schneider begutachtet die Dokumente der Bauarbeiter. Für ihn ist mit dem alten Gebäude auch sentimentaler Wert verbunden.
Foto: Benjamin Brückner | Schulleiter Christoph-Rupert Schneider begutachtet die Dokumente der Bauarbeiter. Für ihn ist mit dem alten Gebäude auch sentimentaler Wert verbunden.

Der Ärger der Handwerker sei aber durch "28er-Sprieße" gelöscht wurden, so schreiben sie. Damit beziehen sich die Autoren des Dokuments nicht auf Baustützen, sondern hopfenhaltige Kaltgetränke. Während der Arbeit habe man schlecht über das ganze Gelände rufen können, dass man ein Bier wolle, erklärt Schneider der Redaktion. Daher sei der Ausdruck "28er-Sprieß" als Codewort für Bier gängig gewesen. Die Männer beschreiben, die Decke sei schief geworden. Es lässt sich nun darüber spekulieren, ob dies am Biermangel lag.

Wie viel Bier wird Bürgermeisterin Rosalinde Schraud ausgeben?

Aktuell sind die Estenfelder Grundschulkinder im Gebäude der ehemaligen Mittelschule untergebracht. Dahingehend befinde sich die Schule in einer recht komfortablen Situation, bis das alte Gebäude abgerissen und das neue errichtet wurde. Man müsse nicht auf Container ausweichen, so Schneider. Ein Gebäude, das die Erinnerungen von über zwei Generationen Estenfelder Menschen mitgeprägt hat, verabschiedet sich dank der ehemaligen Handwerkern mit Aufsehen. "Dass da nochmal das Entstehen des Gebäudes ins Bewusstsein rückt, das ist schon Gänsehaut", so Schneider.

Ob und wie sich diejenigen verewigen, die derzeit am Neubau der Grundschule beteiligt sind, wird sich vermutlich erst in ein paar Jahrzehnten zeigen. Es stellt sich dahingehend aber die Frage, ob ihnen die amtierende Bürgermeisterin Rosalinde Schraud denselben Anlass zur Klage gibt oder doch das ein oder andere Bier spendieren wird.

 
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Kommentare
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  • Lebenhan1965
    Interessant

    diese kurze Geschichte über die Befindlichkeiten der Bauarbeiter in den 60ern des letzten Jahrhunderts.

    Und irgendwie ist es auffällig, dass (nicht nur Schul)Gebäude aus dieser Zeit eine verdächtig kurze Lebensdauer haben.

    Ältere Gebäude, die den Krieg überstanden haben, sind oft noch renovierungswürdig und scheinbar in der Substanz besser als gerade Gebäude aus dieser Epoche. Und das ist schade, denn auch der Aufwand um die Baumaterialien für den Rohbau zu erstellen kosten viel Geld und die benötigte Energie belastet unseren Planeten über den Geldbeutel hinaus.
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