Es ist ein lauschiges Fleckchen – der Obere Burgweg im Schatten der Würzburger Marienfestung. Schmucke Siedlungshäuschen aus den frühen 1920er Jahren stehen hier umrahmt von mit Liebe gepflegten Gärten. Dort fährt nur vorbei, wer unbedingt muss, im Sommer die Festungstouristen, die den steilen Aufstieg von der Altstadt scheuen, im Winter die, die in der Festung wohnen oder arbeiten. Doch für einige Anwohner ist die Idylle zwischen Höchberger Straße und der Festung trügerisch.
Der Knackpunkt: Die Häuser gehören zur sogenannten "Lehrkolonie Marienberg", einem – wie man heute sagen würde – staatlichen "Pilotprojekt", mit dem nach dem Ersten Weltkrieg eine möglichst sparsame und wirtschaftliche Bauweise für Eigenheime im Typ des fränkischen Bauernhauses gefunden werden sollte. Die notwendigen Grundstücke wurden dabei im Erbbaurecht für 99 Jahre vergeben. Und genau dieser Zeitrahmen ist im September 2023 vorbei. Dann fällt der Grund entweder an den Staat zurück und die Bewohner erhalten eine Entschädigung für die Bauten darauf, oder das Erbbaurecht wird verlängert. Doch danach sieht es nicht aus.
Betroffen sind sieben Familien, von denen sechs nun eine Interessensgemeinschaft Oberer Burgweg gegründet haben, berichtet Sabine Pichler. Sie ist Sprecherin der Gemeinschaft und selbst betroffene Anwohnerin. "Mein Urgroßvater war Zimmermann und hat diese Häuser hier mit gebaut, seitdem wohnt meine Familie hier, meine Mutter ist 84", sagt sie. "Und alle, die hier noch auf Erbpachtgrundstücken wohnen, gehören nicht zu den Großverdienern, sondern sind zumeist Nachkommen von Handwerkern, die sich gegenseitig hier die Häuser gebaut haben."
Grundstücke am Oberen Burgweg sind deutlich teurer geworden
Zwar sei in der Vergangenheit den Bewohnern auch angeboten worden, die Grundstücke zu kaufen, das habe sich aber nicht jeder leisten können. "Wir wissen, dass es mittlerweile eine sehr gute Lage ist, aber da können wir ja auch nichts dafür", sagt sie. Ein Grundstück, das vor knapp zehn Jahren bereits den Eigentümer gewechselt habe, sei im vorigen Jahr wieder verkauft worden. Dieses Mal für mehr als das Dreifache des Ursprungspreises, weiß sie.
Was alle Betroffene am meisten wurmt: Den auf Erbpachtgrundstücken lebenden Familien sei 2018 von der Immobilienverwaltung des Freistaates Bayern schriftlich eine Fortführung des Erbpachtverhältnisses ab 2023 zu angepassten Konditionen angeboten worden, berichtet die Sprecherin. Das Schreiben liegt der Redaktion vor. Alle hätten dazu ihre Bereitschaft für weitere 60 Jahre signalisiert. Man habe für die Zukunft geplant und viele hätten weiter in die Gebäude investiert. Allerdings habe man seit 2018 auf diesbezügliche Nachfragen immer die Antwort erhalten, man werde sich melden.
Bayerische Immobilienverwaltung prüft staatliche Nutzung
Das ist nun geschehen, aber anderes als erwartet: Am 10. Januar erhielten die Betroffenen Post von der Regionalvertretung Unterfranken der Immobilienverwaltung des Freistaates Bayern in der Würzburger Georg-Eydel-Straße. Darin stand, dass nach der aktuellen Beschlusslage des Haushaltsauschusses im Bayerischen Landtag vor Verkauf oder Neubestellung eines Erbbaurechts geprüft werden müsse, ob sich dieses Grundstück für eine staatliche Nutzung eignet. Diese Prüfung sei derzeit im Gang. Treffe dies zu, sei die Verlängerung des Erbbaurechts ausgeschlossen. Und genau dies befürchten nun die Familien, die sich zusammengeschlossen haben.
Eine von ihnen, eine Familie mit zwei Kindern, fürchtet bereits Schlimmes. Ihr wurde am 10. Januar mitgeteilt, dass sich ihr Grundstück samt Haus bereits in der "tieferen Prüfung" befinde, berichtet der Familienvater, der seit 46 Jahren dort wohnt. Er möchte seinen Namen nicht genannt haben, weil er sonst bei der bevorstehenden Immobiliensuche Nachteile befürchtet, sagt er am Telefon.
Vermutlich werde das Grundstück und das benachbarte seiner Mutter für sozialen Wohnungsbau benötigt, habe man ihm geschrieben. "Ich habe angerufen und gefragt, was das bedeute. Da hieß es, die Chance, dass wir es behalten können, liege bei fünf bis zehn Prozent. Das ist wohl schon beschlossene Sache", befürchtet er und klingt resigniert.
Nicht zu Unrecht: Denn an diesem Freitag schon steht die Begutachtung des geplanten Nachfolgebaus, einer "Wohnanlage im sozialen Wohnungsbau", auf der Tagesordnung der Stadtbildkommission. Dies habe man auch nur durch Zufall erfahren, berichtet Sabine Pichler.
"Das ist aber lediglich ein Gestaltungs-Voranfrage, ob sich dort so ein Gebäude verwirklichen lassen könnte, da gibt es noch keinen Bauantrag", gibt Stadtsprecher Christian Weiß auf Anfrage Auskunft. Um die Stadträte in der Kommission dennoch über die Hintergründe zu informieren, hat Pichler ihnen als Sprecherin der Interessensgemeinschaft nun einen Brief geschrieben.
Staat will offenbar mehr als nur ein Teilstück
Der Familienvater hatte der Immobilienverwaltung bereits 2018 angeboten, das Grundstück zu teilen und einen größeren Teil 2023 an den Freistaat zurückfallen zu lassen, berichtet er. Dies sei kein Problem, habe es damals seitens der Verwaltung geheißen. "Wir brauchen kein großes Grundstück und wollten nur 450 Quadratmeter behalten", erzählt er. Jetzt will der Freistaat anscheinend aber alles.
Diese Familie werde kein Einzelfall bleiben, befürchtet Pichler. Seitens der Immobilienverwaltung habe man ihr auf telefonische Anfrage mitgeteilt: "Höchstwahrscheinlich werden sie dort nicht bleiben können, wir prüfen gerade, was wir dort oben alles machen können." Alle Erbbaugrundstücke über 400 Quadratmeter sollten demnach neu bebaut werden. Das Schreiben von 2018 sei nur eine Information gewesen, aber kein Angebot, habe es nun plötzlich geheißen, sagt Pichler.
Auf das Versprechen des Freistaates hatten die Anwohner vertraut
"Wir sind einfache Würzburger Bürger, die vom Freistaat Bayern überrollt werden", sagt sie hilflos. "Über eine mögliche eigene Nutzung durch den Freistaat war im Schreiben von 2018 nichts zu finden. Auf dieses Versprechen haben wir vertraut."
2018 sei den Erbbauberechtigten die Neubestellung eines Erbbaurechts im Jahr 2023 in Aussicht gestellt worden, antwortet der Geschäftsführer der Immobilien Bayern aus München auf Anfrage der Redaktion. Zugleich sei aber auch mitgeteilt worden, dass vertragliche Vereinbarungen frühestens ein Jahr vor Ablauf des Erbbaurechtsvertrages getroffen werden könnten, relativiert er. Im Brief von 2018 liest sich das so: "Sofern Sie an einer Neubestellung interessiert sind, wird die hierzu erforderliche Wertermittlung ca. ein Jahr vor Ablauf (...) in Auftrag gegeben."
Angesichts des angespannten Wohnungsmarkts sowie der Gründung der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim sei entschieden worden, sämtliche staatlichen Grundstücke hinsichtlich eines Staatsbedarfs in Form einer Bebauung mit Geschosswohnungsbau zu prüfen, heißt es weiter. Diese Prüfung erfolge derzeit.
Die Erbbauberechtigten seien nun auf diesen Umstand hingewiesen und auch in Kenntnis darüber gesetzt worden, dass bis zum Abschluss dieser Prüfungen keine Vertragsverhandlungen geführt werden können, schreibt der Geschäftsführer. Weitergehende Aussagen könnten bis zum Abschluss dieser Prüfungen nicht getroffen werden.
Bis dahin werden die Menschen am Oberen Burgweg weiter um ihre Heimat bangen müssen.
Dass sie zufällig auch für die Mainpost tätig ist, hat sicherlich nichts mit der tendenziösen Berichterstattung zu tun.
99 Jahre sind eine sehr lange Zeit in der man sich bemühen kann den Grund zu erwerben auf dem das Haus steht. In der Regel ist ein Haus nach ca. 30 locker bezahlt. Bei diesen Hausbesitzern kamen danach die Jahre des Wirtschaftswunders. Da hätte es doch sicher genügend Chancen gegeben mit dem Land über den Kauf des Grundstücks zu verhandeln um sich und die Familie abzusichern.
Chance gehabt, aber Chancen nicht genutzt, vermutlich weil das Leben so süßer war.
Man kann schlecht sagen, macht euch keine Sorgen ihr dürft da bleiben und dann doch alle rauswerfen.
Daher sollte der Staat zu seinem Wort von 2018 stehen und das nächste mal Nachdenken bevor man Briefe mit Versprechungen verschickt.
Es ist anzunehmen, das aufgrund der immensen Preissteigerung auch das nicht alle Familien bezahlen werden können.
Die ursprünglichen Anwohner haben damals ein Stück Land zu unglaublich günstigen Konditionen bekommen, mit der Vorgabe, dass das zeitlich begrenzt ist. Billiger konnte man zu der Zeit nicht zu seinem Eigenheim kommen. Da wusste damals jeder: Das passt für mich und meine Kinder. Danach habe ich keine Rechte mehr.
Die heute dort wohnende Generation hätte wissen können, dass die Zeit abläuft. Sie hätten sich vielleicht schon vor zehn oder zwanzig Jahren zusammenschließen, und mit der Stadt darüber reden sollen, um Klarheit über die Zukunft dieses Areals zu erlangen. Einfach wegducken und hoffen, dass alles gut wird, ist halt auch nicht so gut...
Doch die mögliche Planung von modernen Mietshäusern in dieser historischen Gegend finde ich auch recht bedenklich...
Schön, dass man auch bescheiden sein kann.
Wer dort gebaut hat, wer dort wohnt, weiß seit vielen Jahren und Jahrzehnten, wann das Erbbaurecht endet. Von Rauswerfen kann hier wohl keine Rede sein.
kann sich das ein normaler Arbeiter sowieso nicht leisten...
Steinbachtal 2.0
dazu kommt das problem, dass man so nahe an der festung und vor allem an dieser höchsten stelle zwischen zellerau und leistengrund nicht höher bauen sollte.
soll der staat doch seine erbpachtgebühr erhöhen, wenn die vorredner den bewohnern die günstige "miete" nicht gönnen.