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Würzburg
Bedeutender Schritt im Kinderschutz: Würzburger Childhood Haus soll Retraumatisierung von Kindern verhindern
Viele Akteurinnen und Akteure aus Stadt und Landkreis arbeiten an der Planung für ein Würzburger Childhood-Haus mit. Wer sich einsetzt, wo es entstehen soll und wie weit die Planungen sind.
Kinder, die Opfer von sexueller und körperlicher Gewalt geworden sind, brauchen einen geschützten Raum.
Foto: Getty Images | Kinder, die Opfer von sexueller und körperlicher Gewalt geworden sind, brauchen einen geschützten Raum.
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 01.09.2024 02:35 Uhr

Kinder, die Opfer von sexueller und körperlicher Gewalt geworden sind, brauchen einen geschützten Raum, um das Geschehene verarbeiten zu können und auch, um Retraumatisierungen zu vermeiden. Spätestens seit der Nachricht des Missbrauchs von mehreren behinderten Jungen durch einen Würzburger Logopäden vor fünf Jahren ist der Schutz minderjähriger Opfer bei den Behörden und Institutionen in Stadt und Landkreis Würzburg zu einem wichtigen Thema geworden.

Schon vor zwei Jahren entstand deshalb die Idee zu einem sogenannten Childhood-Haus in Würzburg, um damit betroffenen Kindern und Jugendlichen solch ein geschütztes Umfeld zu schaffen. Die Würzburger Einrichtung soll das zehnte Childhood Haus in Deutschland und das zweite in Bayern werden: Mitte Juni 2023 hatte Königin Silvia von Schweden in München das erste eröffnet. Die Monarchin ist Gründerin und Schirmherrin der "World Childhood Foundation".

Auch in Würzburg werden die Planungen konkreter. Nach Informationen des neu gegründeten Fördervereins Projekt Childhood-Haus Würzburg e.V. und im Gespräch mit dessen Vorsitzender Åsa Petersson, erklären wir, was genau das Childhood-Haus ist, was es kosten wird und wo es entstehen soll.

Was ist ein Childhood-Haus? 

Ein Childhood-Haus ist eine multidisziplinäre, ambulante Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche, die Opfer oder Zeugen von sexualisierter und körperlicher Gewalt geworden sind. "Die Kinder sollen dort eine kinderfreundliche Umgebung vorfinden, die ihnen die Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse und die Ermittlungen von Polizei und Justiz so wenig belastend wie möglich macht", erklärt die Vorsitzende des Fördervereins, Åsa Petersson.

Die Opfer erhalten dort nicht nur die nötige psychologische und medizinische Betreuung: Auch die vielen Termine, bei den in einem Missbrauchsfall beteiligten Behörden fallen weg. Denn: "Alle Institutionen kommen zum Kind und nicht das Kind zu den Institutionen."

Die Protagonisten des Childhood-Hauses Würzburg bei der konstituierenden Sitzung des Vereins am 30. Juli 2024.
Foto: Alina Menschick | Die Protagonisten des Childhood-Hauses Würzburg bei der konstituierenden Sitzung des Vereins am 30. Juli 2024.

Warum braucht Würzburg ein solches? 

Gewalt gegen Kinder und Jugendliche passiert überall. Das Childhood-Haus soll ein Ort sein, der den Kindern Schutz und Hoffnung gibt. "Erfahrungen aus anderen Childhood-Häusern zeigen sogar, dass die Fallzahlen erstmal nach oben gehen", so Åsa Petersson. Die Vermutung liege nahe, dass mehr Opfer durch diesen Schutz bereit seien, Hilfe zu suchen. Das skandinavische Modell, weiß Petersson, sei weltweit anerkannt, da betroffene Kinder und Jugendliche nur eine Anlaufstelle haben.  

Wer sind die Kooperationspartner des Projekts? 

Das Projekt stellt eine neue Dimension regionaler Zusammenarbeit im Bereich Kinderschutz dar. Das Universitätsklinikum, die Julius-Maximilians-Universität, die Stadt Würzburg, die Landkreise Würzburg und Main-Spessart sowie pro familia Bezirksverband Unterfranken e.V., Wildwasser Würzburg e.V., Menschenskinder e.V. und die Flyeralarm Kids Foundation setzen sich künftig dafür ein, das Childhood-Haus langfristig zu sichern und den Kinderschutz in der Region weiter zu stärken. Die Kooperation ist geprägt von einer intensiven Vernetzung der existierenden regionalen Beratungs- und Behandlungsangebote.

Wie sieht das genaue Konzept des Childhood-Hauses aus? 

Bisher drohe von Gewalt betroffenen Kindern und Jugendlichen die Gefahr, während eines Strafverfahrens mehrfach befragt zu werden – von der ersten polizeilichen Befragung über die medizinische Untersuchung bis hin zum Gerichtsverfahren –, was zu Retraumatisierungen führen könne, so die Ausführungen des Fördervereins.

Die speziell eingerichteten Räumlichkeiten im Childhood-Haus, geschultes Fachpersonal und kurze Wege zwischen den beteiligten Behörden sollen die Betroffenen vor Mehrfachbefragungen schützen. Das bedeutet, dass im Childhood-Haus die Abklärung und insbesondere auch die strafrechtliche Aufarbeitung unter vorrangiger Berücksichtigung des Schutz-, Unterstützungs- und Hilfebedarfs des betroffenen Kindes erfolgt.

Als Nächstes soll mit den Justizbehörden eine Kooperationsvereinbarung geschlossen werden, die die Zusammenarbeit zwischen dem Förderverein Projekt Childhood-Haus Würzburg e.V., dem Amtsgericht Würzburg, dem Landgericht Würzburg und den Ermittlungsbehörden regelt, erklärt Åsa Petersson.

Wo soll der geschützte Raum für die Kinder in Würzburg entstehen? 

Bisher ist geplant, dass das Childhood-Haus auf dem Gelände der Universität am Hubland entsteht. Die Akteurinnen und Akteure haben sich dort bereits nach Räumlichkeiten umgeschaut. Wichtig ist, dass die Justizbehörden die Räume beispielsweise für Befragungen nutzen können, das bedeutet, dass  ein spezielles Sicherheitskonzept möglich sein muss.    

Wie hoch sind die Kosten für das Projekt?

Nach einem bisherigen Finanzplan werden für die ersten drei Jahre Betriebskosten in Höhe von etwa 800.000 bis 900.000 Euro anfallen, erklärt Åsa Petersson. Im Anschluss werde eine langfristige Finanzierung geplant. Auf lange Sicht hin, hoffen die Initiatorinnen und Initiatoren, dass die Einrichtung irgendwann in staatliche Obhut überführt werden könne.

Seit wann gibt es einen Förderverein? 

Bereits im September 2015 entstanden im Rahmen einer Fachtagung mit Benefizgala in der Würzburger Residenz erste persönliche Kontakte zu der World Childhood-Foundation, die schon zuvor Projekte von Wildwasser Würzburg e.V. in der Region unterstützt hat.

Um den Aufbau der neuen Einrichtung zu unterstützen, hat sich nun am 30. Juli 2024 der Förderverein Projekt Childhood-Haus Würzburg e.V. gegründet. Zur ersten Vorsitzenden des Vereins wurde Åsa Petersson gewählt, Prof. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik am UKW, übernimmt den stellvertretenden Vorsitz. Weitere Vorstandsmitglieder sind Petra Müller-März von Wildwasser Würzburg e.V. sowie Prof. Marcel Romanos, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und psychosomatik am UKW.

Eine staatliche Förderung gibt es bisher nicht. "Der Verein ist auf Spenden angewiesen, derzeit wird ein Spendenkonto eingerichtet", berichtet Åsa Petersson.    

Wann startet das Würzburger Childhood-Haus?

Eine vorsichtige Prognose ist laut Åsa Petersson, dass das Projekt im Laufe des Jahres 2025 starten könnte. Der Besuch von Königin Silvia von Schweden wäre dann genau zehn Jahre her. Zuletzt hatten die Akteurinnen und Akteure das Childhood-Haus in Heidelberg besucht. "Gespräche mit dem dortigen Fachpersonal haben uns wichtige Erkenntnisse gebracht." Kontakte gebe es auch zum Childhood-Haus in München.  

Ansprechpartnerin bei Fragen rund um das Projekt ist Alina Menschick, Direktion Universitäts-Kinderklinik,  E-Mail: Menschick_A@ukw.de.

 
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