In seiner Heimat droht Sergei Eliseev das Gefängnis und eine harte Strafe für die Art, wie er lebt, wen er liebt und wie er sich kleidet. Aktuell wohnt er deshalb in Berlin, Russland hat er Anfang 2022 verlassen. In Deutschland unterstützt er nun die queere Community, die aktuell zum Pride Month (deutsch: Stolzer Monat) zusammenkommt, ihre Freiheit feiert, aber auch für die Sichtbarkeit und Stärkung von LGBTQIA+ Rechten (LGBTQIA+ ist die Bezeichnung für lesbische, schwule, bi, trans*, queere, intergeschlechtliche und asexuelle Menschen) auf der ganzen Welt kämpft.
Höhepunkt in jedem Jahr ist der Christopher Street Day (CSD), der in Würzburg am 23. Juni mit der Eröffnungsveranstaltung "PRISM" beginnt. Denny Garcia, im Dornheim zuständig für die Kuration, und das Team dahinter veranstalten das Event in dem Club und vernetzen mit der Partyreihe die internationale LGBTQIA+ Szene. Denn für den CSD-Auftakt hat Garcia den DJ mit dem Künstlernamen "Raum Tester" nach Würzburg geholt. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen als Mitbegründer der queeren Techno-Szene in Russland:
Sergei Eliseev: Als erstes möchte ich ganz deutlich sagen: Für mich sind die russische Kultur und die Regierung zwei verschiedene Dinge. Ich bin der größte Fan von Russland, aber ich hasse die russische Regierung. Was nur wenige wissen: Russland hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts sogar die nachsichtigsten Gesetze bezüglich LGBTQIA+ Personen in ganz Europa. Homophobie ist also kein typisch russisches Ding, sondern der Bevölkerung von der Regierung anerzogen worden. Und wie stehe ich dazu? Ich bin traurig, dass mein Heimatland unter diesen feigen Politikern leidet. Für mich fühlt es sich auch immer noch sehr unangenehm an, dass ich meine eigene Identität so lang versteckt habe – wie ein ganz schlimmer Kater nach dem Feiern.
Sergei Eliseev: Als Jugendlicher habe ich oft Anfeindungen erlebt. In dem Moment als mir bewusst wurde, dass ich schwul bin, war mir klar, dass ich nach meiner Schulzeit nach Moskau ziehen werde. Ich habe nie in diese Kleinstadt reingepasst, in der ich aufgewachsen bin. Ich wurde dort so oft missverstanden –und nicht nur das. Ich musste mir echt viel Mist anhören, weil ich mich "unangemessen" verhalten und gekleidet habe. Glücklicherweise bin ich aufgrund meiner sexuellen Orientierung nie in eine lebensbedrohliche Situation gekommen. Als ich dann nach Moskau gezogen bin und angefangen habe, an der technischen Universität zu studieren, war ich endlich von intelligenten und fortschrittlichen Menschen umgeben, die sich nicht mehr für meine sexuelle Orientierung interessiert haben.
Sergei Eliseev: Weil ich denke, dass es unwahrscheinlich wichtig ist, die Menschen in Russland daran zu erinnern, dass sie das Recht haben zu sein, wer oder was sie möchten. Ich glaube, dass diese queeren Safe-Spaces (deutsch: Schutzräume) sie auch Schritt für Schritt dazu ermutigen, sich selbst genauso zu zeigen, wie sie sind und sicher sein können, dass sie genauso perfekt sind.
Sergei Eliseev: Ja, ich habe anfangs nur in Moskau aufgelegt. Großstädte sind immer ein bisschen offener als der Rest vom Land. Aber als mein Bekanntheitsgrad wuchs, bin ich auch in andere Städte gereist und habe dort Partys veranstaltet. Einmal habe ich in Rostow am Don aufgelegt und ich weiß noch, wie glücklich ich darüber war, dass so viele queere Menschen gekommen sind. Aber kurz vor meinem Auftritt stürmte die Polizei plötzlich die Veranstaltung. Sie sind unvorstellbar brutal gewesen, haben die Gäste auf den Boden gedrückt und durchsucht. Besonders brutal sind sie mit den Männern in femininer Kleidung und den hübsch gemachten Personen umgegangen. Die wurden geschlagen und als Schwuchteln beschimpft. Ich konnte nur dastehen und zusehen. Ich habe die Angst in ihren Augen gesehen und wie sie geweint haben. Die, die zehn Minuten vorher noch so glücklich auf der Tanzfläche standen und gestrahlt haben. Das tat mir unglaublich weh und mir wurde in dem Moment klar, dass dies das echte Russland ist. Ein Land, was in Bezug auf Bürgerrechte und Freiheit noch viel Arbeit vor sich hat.
Sergei Eliseev: Ich glaube, dass der russische Staat die Bevölkerung indoktriniert. Sie können sich dem manchmal nicht widersetzen und übernehmen die absurden Ideen und Gesetze. Aber das Level an Absurdität dieser Vorschriften nimmt jedes Jahr zu und genau deshalb wird leider auch das Denken der meisten Russinnen und Russen immer absurder.
Sergei Eliseev: Als das Gesetz Anfang 2023 in Kraft getreten ist, war ich schon nicht mehr in Russland. Ich habe die Geduld mit dem russischen Staat verloren, als dieser am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert ist. Ich bin absolut gegen diesen Krieg.
Sergei Eliseev: Das bedeutet mir einfach alles. Wenn ich es beschreiben müsste, würde ich sagen, dass ich mein Leben in einen Film verwandelt habe, zu dem ich das Drehbuch schreibe. Als hätte ich alles, was ich in der Theorie schon wusste, endlich in die Tat umgesetzt. Ich weiß endlich, was es bedeutet, in einem Safe-Space zu leben. Ich kann mich kleiden und leben, wie ich es möchte und sicher sein, dass ich nicht ausgelacht, beschimpft oder dafür kritisiert werde.
Sergei Eliseev: Ich fühle mich sehr geehrt, bei diesem Event dabei zu sein. Es zeigt mir, dass ich alles richtig mache und es gibt mir das schöne Gefühl, Teil einer globalen, sich unterstützenden Gemeinschaft zu sein. Deshalb möchte ich mich auch bei Denny Garcia bedanken für diese wunderbare Möglichkeit. Ich würde das so gern meinem Ich erzählen – dem damals 15-Jährigen Teenager, dem immer gesagt wurde, dass er sich viel zu schwul anzieht und Junkie-Musik hört. Ich würde ihm gern sagen: Hey, in ein paar Jahren wirst du dich selbst feiern, gemeinsam mit tausenden Menschen, die ganz ähnlich ticken wie du. Du wirst DJ auf dem wichtigsten LGBTQIA+ Event sein und dazu noch in Deutschland spielen. Für mich ist das einfach immer noch unvorstellbar.
Sergei Eliseev: Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht. Ich bin gerade sehr glücklich in Deutschland zu leben. Ich habe hier in Berlin meinen Partner und er ist meine Familie. Ich bin der Auffassung, dass mein Zuhause dort ist, wo ich bin. Hier in Deutschland bin ich glücklich und dankbar für die Freiheit, aber auch darüber, dass ich jeden Tag neue Dinge über mich selbst lernen kann. Ich vermisse meinen Vater, meine Schwestern und meine Freunde in Russland sehr und ich würde sie am liebsten ganz fest umarmen. Aber im Moment, kann ich mir nicht vorstellen, dass ich wieder in Russland lebe. Trotzdem wünsche ich meinem Land das Beste für die Zukunft.
Lieber Gruß Martin Dobat
Wenn der Mann die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen will, muss er Voraussetzungen erfüllen, unter anderem
ein 8 Jahre Jahre währender dauerhafter und rechtmäßiger in Deutschland,
ein unbefristetes oder auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Einbürgerung,
die geklärte Identität und Staatsangehörigkeit,
grundsätzlich die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit,
mündliche und schriftliche deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau B 1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen,
der Nachweis über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland (Einbürgerungstest)
die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts für sich und die unterhaltsberechtigten Angehörigen
Gewährleistung der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse,
etc.
Herr Eliseev ist wg. seiner Lebensart geflüchtet und ich glaube kaum, dass er die Partei "Einiges Russland" wählen würde.
Warum außerdem sollte man seine Staatsbürgerschaft ändern wollen nur weil man mit der momentanen Regierung gebrochen hat weil sie viele diktatorischen und totalitären Züge in sich trägt?
Wenn man ihm das zum Vorwurf macht dann kann man sich auch fragen warum es überhaupt noch Menschen mit deutschem Pass gibt oder ob die Vorfahren etwa lupenreine Nazibefürworter gewesen sind!