Frust ist vermutlich das Wort, das die Gefühlswelt von Giebelstadts Bürgermeister Helmut Krämer am treffendsten beschreibt, nachdem er am Mittwoch vom endgültigen Aus für die geplante B19-Ortsumfahrung überrascht wurde. "20 Jahre Arbeit wurden mit einem Federstrich in die Tonne getreten", sagt Krämer. Zuvor hatte das Staatliche Bauamt unter Berufung auf die Planfeststellungsbehörde an der Regierung von Unterfranken mitgeteilt, dass eine Umgehungsstraße auf der geplanten Trasse nicht genehmigungsfähig sei.
Als Begründung nennt die Regierung erhebliche Eingriffe in das Europäische Vogelschutzgebiet "Ochsenfurter und Uffenheimer Gau und Gäulandschaft nördlich von Würzburg". Entscheidend dafür ist die Einschätzung der Höheren Naturschutzbehörde, die ebenfalls an der Regierung ansässig ist. Das Gebiet um Giebelstadt gilt als einer der letzten Lebensräume für den Feldhamster und die Wiesenweihe in Deutschland.
Schon im ersten Vorentwurf 2002 war man sich deshalb der besonderen Sensibilität des Verfahrens bewusst. Bevor das Staatliche Bauamt im Frühjahr 2020 den Antrag auf Planfeststellung bei der Regierung von Unterfranken einreichte, war ein umfangreiches Ausgleichsverfahren erarbeitet worden, um den seltenen Arten auf ausgewiesenen Flächen bessere Lebensbedingungen zur Verfügung zu stellen. Zuvor hatte sich der ehemalige bayerische Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) politisch für das Ausgleichsverfahren verwendet, das in Art und Umfang bis dahin einmalig in Bayern war.
Landrat Thomas Eberth (CSU) äußert sich deshalb in einer Stellungnahme "schockiert" über den Planungsstopp. "Für mich stimmt hier die Abwägung zwischen den Schutzgütern Mensch und Natur nicht", schreibt Eberth. „Obwohl sich die Gemeinde Giebelstadt seit Jahren und mit Erfolg um Ausgleichsflächen für den Bau der Umgehungsstraße bemüht hat, gewichtet die Höhere Naturschutzbehörde nun den Schutz der Wiesenweihe und des Feldhamsters höher, als den Schutz der Menschen, die an der mit hohem Verkehr belasteten Ortsdurchfahrt wohnen."
War die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde wirklich so unvorhersehbar?
Doch war die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde wirklich so unvorhersehbar? Der Bund Naturschutz (BN) hatte die acht Kilometer lange Westumfahrung von Anfang an abgelehnt und stattdessen für ortsnahe Umfahrungen um Giebelstadt und die Ortsteile Herchsheim und Euerhausen plädiert. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) kritisierte im Rahmen der Planfeststellung die Qualität der naturschutzfachlichen Bewertung und die Prüfung von Alternativtrassen.
Tatsächlich waren - wie gesetzlich vorgeschrieben - mehrere alternative Trassenführungen untersucht worden. Die Entscheidung fiel für die Trasse, die sich der Bund bereits Ende der 1970er-Jahre im Zuge eines Flurbereinigungsverfahren gesichert hatte. Für Marc Sitkewitz, Leiter der LBV-Bezirksstelle, kam diese Entscheidung nicht überraschend. "Man hat zwar formell geprüft, wusste aber am Anfang schon, welches Ergebnis herauskommen muss, weil man die Flächen ja bereits besaß", mutmaßt er.
Auch die artenschutzrechtliche Prüfung, die ein Fachbüro erstellt hatte, weist nach Sitkewitz' Ansicht Mängel und Widersprüche auf, die dazu führen, dass die Einflüsse der neuen Umgehungsstraße auf die Natur klein gerechnet werden. "Kein privater Investor hätte sich getraut, so etwas vorzulegen", sagt er. Diese Kritik habe der LBV bereits vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens vorgetragen.
Wie eine Anfrage bei der Regierung von Unterfranken ergibt, teilt die Höhere Naturschutzbehörde diese Einschätzung. Tatsächlich sei von einer erheblichen Beeinträchtigung für das Vogelschutzgebiet auszugehen. Auf Basis der vorgelegten Planungsunterlagen sei die gewählte Trasse deshalb nicht genehmigungsfähig.
Wer hat Fehler gemacht und wie könnte eine Lösung aussehen?
Wo liegt also der Fehler? "Nicht das Vogelschutzgebiet ist schuld, sondern die schlechte Planung", sagt Marc Sitkewitz. Bürgermeister Helmut Krämer hingegen nimmt das Staatliche Bauamt in Schutz. Über viele Jahre hinweg habe sich die Behörde um die Interessen der Gemeinde bemüht und Lösungswege aufgezeigt. "Den Schwarzen Peter hat die Regierung", meint Krämer deshalb. Ein Dilemma, an dem laut Sitkewitz' auch der politische Druck mitschuldig ist, der zwischenzeitlich auf das Verfahren ausgeübt wurde. "Hätte man die Fachleute ihre Arbeit machen lassen, wäre es anders gelaufen", ist er überzeugt.
Doch wie könnte nun ein Ausweg ausschauen? "Auf der bisherigen Trasse ist die Umgehungsstraße tot", sagt der Pressesprecher der Regierung von Unterfranken, Johannes Hardenacke. Im Umkehrschluss schließt das den Bau auf einer anderen Trasse nicht aus. Deshalb werde sich das Staatliche Bauamt in Kürze mit dem bayerischen Bauministerium und dem Bund als Bauherrn über das weitere Vorgehen abstimmen. "Dabei wird insbesondere zu klären sein, ob umweltverträglichere Alternativplanungen aufgestellt und auf den Weg gebracht werden sollen", so Hardenacke.
Für Bürgermeister Helmut Krämer ist das kein Trost. Um die erforderlichen Flächen zu gewinnen, müsste erneut ein Flurbereinigungsverfahren eingeleitet werden, sagt er, "der Zeithorizont dafür liegt mit allen Unwägbarkeiten bei mindestens 15 Jahren." Bei der angekündigten Abstimmung der Ministerien fordert er deshalb, mit am Tisch zu sitzen. "Es kann nicht sein, dass man uns jetzt einfach im Regen stehen lässt."
Es gibt Entscheidungen und Abwägungen, die sind einfach nicht nachvollziehbar. Es wurden Ausgleichsmaßnahmen vorbereitet, welche die Situation für die Tierwelt um ein vielfaches verbessert hätten. Naturschutz ist wichtig, aber ich denke mich daran zu erinnern, dass der Mensch ebenso zur Natur gehört. Scheinbar nicht schützenswert genug!
Von den bisherigen Kosten für Planung und Grunderwerb möchte ich gar nicht erst anfangen... Da wird mir jetzt schon schlecht.
Diese Ost-Umfahrung ist ortsnah genug, um den gesamten Durchgangsverkehr anzuziehen. Und ortsnah genug, um Autofahrer nicht abzuschrecken, die sich auf dem Weg zur Arbeit in Giebelstadt versorgen möchten. Hat schon mal jemand nachgedacht, was eine weite Umfahrung für die Geschäfte in Giebelstadt bedeutet?
Mit der Ost-Umfahrung würde somit ein großer Nutzen mit vielen Synergien entstehen, für einen Bruchteil des Kosten- und Flächenaufwands.