
Eigentlich hätte man sich einen ruhigen Start gewünscht, sagt Isabella Zolk, blickt sich um und lächelt verlegen. Um sie herum herrscht reges Treiben, Servicekräfte tragen Torten, Strudel und Kaffeetassen vorbei, dazwischen schlängeln sich neugierige Würzburger und inspizieren jede Ecke des Cafés. Ein ruhiger Start? Den kann man dem BrotHaus im ehemaligen Café Michel am Würzburger Marktplatz nicht attestieren.
Am Dienstag öffnete das Café am Oberen Markt, ziemlich genau zwei Jahre nachdem das Café Michel im August 2022 nach 111 Jahren in Familienhand die Schließung bekannt gab und verkündete, fortan an BrotHaus zu verpachten. Vier Generationen der Familie Michel gingen mit dem Kaffeehaus durch mehr als ein Jahrhundert, zuletzt 20 Jahre lang unter der Führung von Melanie Michel. Ihr Urgroßvater Florian Michel übernahm 1911 das Kaffeehaus mit Bäckerei in den Räumen des damaligen Café Wolpert.
Emotionale Reaktionen auf das Michel-Aus und den Wechsel zu BrotHaus
Die Nachricht, dass das Traditionshaus aufgibt und stattdessen die Burgbernheimer Bäckerei "BrotHaus" den Standort übernehmen wird, sorgte 2022 für viel Gesprächsstoff in Würzburg. Eine Sorge: Wird die Innenstadt um einen Filialenbäcker reichen? Immerhin entsprang das mittelfränkische Unternehmen einer Handwerksbäckerei, hat aber mittlerweile über 70 Filialen. Eine andere Befürchtung: Bleibt der Charme des Interieurs, die Qualität der Gebäcke, das Kaffeehaus-Gefühl, wie man es mehr aus Wien oder Prag, weniger aus Würzburg kennt? "Wird jetzt alles neu, mordern, kühl?" war in den Kommentarspalten auf mainpost.de zu lesen. Der BrotHaus-Geschäftsführer Marcus Fischer bekam wütende Mails von Würzburgern, "teilweise gingen die unter die Gürtellinie." Schließlich stellte sich sogar der Seniorchef des Café Michels schützend vor den neuen Pächter.

Isabella Zolk kann darauf heute gelassen zurückblicken: "Wir haben alles getan, um den urspünglichen Charme zu erhalten. Und ich denke, das ist uns auch gelungen", sagt sie. Sie selbst habe es überrascht, wie emotional viele Würzburger dem Café Michel verbunden waren - "umso mehr freue ich mich, dass wir bislang gerade von den Leuten ganz positive Rückmeldung bekommen haben." Schon am ersten Tag wären enorm viele ins Café gekommen, "die einfach neugierig waren, wie es jetzt hier aussieht."
So viele, dass Zolk und ihr Team an Tag zwei sogar eine Art Empfangstresen aufgebaut haben, um die vielen Besucherinnen und Besucher, aber auch die Schaulustigen zu koordinieren. Im Minutentakt strömen die Menschen herein. Wer einen Tisch möchte, bekommt einen zugewiesen. Wer einfach nur mal gucken will, darf eine Runde durch die zwei Stockwerke drehen, sich selbst ein Bild verschaffen, wie viel übrig geblieben ist vom alten Charme des Café Michels.
"Wunderschön" sagt eine alte Dame. Lange hatte sie einen Stammtisch im Café Michel, "jetzt werde ich das hier mal testen, vielleicht kommen wir dann wieder regelmäßig." Gerade ist sie die geschwungene Treppe in den ersten Stock herauf gestiegen, hier gibt es einen Coworking-Space. Eben diese alte Holztreppe war eines der Dinge, nach deren Erhalt die BrotHaus-Geschäftsführung besonders oft gefragt wurde. "Es hat mich selbst überrascht, aber die Treppe scheint für viele einfach zu diesem Haus zu gehören, ein Markenzeichen zu sein. Deswegen war für uns klar, dass wir sie auch erhalten werden, wenn es nur irgendwie geht", sagt Zolk.

Eine Herausforderung, wenn man die letzten zwei Jahre der Baustelle verfolgt hat: "Neben der Holztreppe konnten wir nicht viel erhalten, da hat uns die Bausubstanz einen Strich durch die Rechnung gemacht", sagte BrotHaus-Geschäftsführer Marcus Fischer im Sommer 2023 bei einer Baustellenbegehung. "An manchen Stellen sind uns die Decken richtig weggebröselt, da gibt es viel zu tun", sagte Fischer.
Gemeinsam mit dem Hauseigentümer Florian Michel, der selbst das Café Michel von 1977 bis 2002 betrieb, hatte sich der neue Pächter auf die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen und die Kostenverteilung geeinigt. Zahlreiche Gutachten zu Brandschutz, Statik und Marktplatz-Akustik sind dem vorangegangen. Immer wieder überraschte die historische Immobilie – nicht immer positiv: "Es gab und gibt viele Rückschläge, ja. Aber wir sind Macher, wir regen uns nicht auf und suchen nach Lösungen," sagte Fischer im Sommer 2023. Immer wieder musste deshalb auch die Wiedereröffnung verschoben werden: Zunächst war von Anfang 2023 die Rede, dann von Dezember 2023, jetzt ist es Mitte 2024 geworden.

Und jetzt? Ist die alte Stammkundschaft einverstanden mit dem neuen Konzept? "Ich find's super", sagt eine Besucherin vor dem Café. Gestern hat sie mal gespitzt, heute ist sie dann auf einen Strudel vorbei gekommen - einen alten Café Michel-Klassiker. "Der hat fast so geschmeckt wie damals", sagt sie. Nachgefragt bei Isabella Zolk erklärt sich auch, warum: Erhalten geblieben ist nicht nur die alte Holztreppe - sondern auch das Rezept für die berühmten Café Michel-Strudel.
Frau Meißner, ich denke, Ihre Leserschaft dürfte weit über dem Alter sein, so wie ich, um mit diesem Begriff noch hantieren zu müssen.
Bitte um Erklärung.
Ansonsten scheint der "Michel"an Glanz gewonnen zu haben um hoffentlich in die Fußstapfen des alten Michel treten zu können.
und es Coworking-Space nennen ;-)
genau mein HumOhr...
Coworking-Space, Brothaus stellt lediglich im ersten Stock Raum zum Arbeiten zur Verfügung. Super, zeitgemäß.