Die Hürden sich hoch, wenn Geflüchtete in Deutschland arbeiten möchten. Ginge es aber nach dem Willen des Landkreistags von Baden-Württemberg, sollen Flüchtlinge künftig zur Arbeit verpflichtet werden. In einer einstimmig verabschiedeten Resolution sprechen sich die Landrätinnen und Landräte dafür aus, dass "eine über die bisherigen Regelungen und Umsetzungsformate hinausgehende Verpflichtung Schutzsuchender zur Annahme von auch gemeinnütziger Arbeit etabliert und organisiert wird".
Ist das auch in Bayern denkbar? Was sagen Landrätinnen und Landräte aus Unterfranken? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Debatte:
Wie stehen Landräte in Unterfranken zu einer Arbeitspflicht für Geflüchtete?
Die Meinungen gehen auseinander: Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann (CSU) findet den Vorschlag aus Baden-Württemberg "gut und richtig". Arbeit schaffe eine Tagesstruktur, lenke von den mit dem laufenden Asylverfahren verbundenen Unsicherheiten und Sorgen ab und biete Abwechslung vom monotonen Alltag in der Unterkunft. Außerdem, so sein Argument, biete dies auch Chancen für den späteren Sprung in den regulären Arbeitsmarkt.
Aus Sicht des Landratsamts Kitzingen wäre es für die Bevölkerung ein positives Zeichen, wenn sich Geflüchtete in der Gemeinschaft einbringen und etwas von der erhaltenen Unterstützung der Allgemeinheit zurückzugeben. "Auch ist Arbeit ein wesentlicher Faktor für ein intaktes Selbstwertgefühl und natürlich für finanzielle Unabhängigkeit", teilt eine Sprecherin mit.
So argumentiert auch Jens Marco Scherf, Landrat in Miltenberg. Solidarität lebe von Akzeptanz, sagt der Grünen-Politiker. Die wiederum erfordere, dass jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten seinen Beitrag leiste.
Doch es gibt auch kritische Stimmen: "Die Intention des baden-württembergischen Landkreistages ist durchaus nachvollziehbar", antwortet eine Sprecherin des Landkreises Bad Kissingen. Die Integration könne dadurch gefördert werden. "Trotzdem halten wir den Vorstoß für nicht zielführend. Vielmehr müsste daran gearbeitet werden, Asylverfahren schneller und konsequenter umzusetzen. Dazu gehört auch die zeitnahe Rückführung von Personen, die kein Bleiberecht haben."
Würzburgs Landrat Thomas Eberth (CSU) hält pauschale Vorgaben für Flüchtlinge für "schwierig". Man müsse "unterscheiden, in welcher persönlichen Situation ein Geflüchteter ist". Eine Diskussion über Unterbringung, Verpflegung und Integration von Geflüchteten sei aber wichtig, unabhängig vom Stand des Asylverfahrens und der Bleibeperspektive, meint Eberth: "Ein 'Weiter so' überlastet die bisherigen Systeme."
Für Sabine Sitter, Landrätin von Main-Spessart (CSU), hat die Forderung einer Arbeitspflicht nicht die oberste Priorität: "Ich sehe es als vordringlich an, das Angebot an Sprach- und Integrationskursen auszubauen", sagt Sitter. Sprache sei der Schlüssel zur Integration und die Eintrittskarte in die Arbeitswelt.
Wie steht der bayerische Landkreistag zu dem Vorschlag aus Baden-Württemberg?
"In der Sache ist die Position der Landräte aus Baden-Württemberg zu unterstützen", sagt der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Thomas Karmasin. Der Vorschlag sei nicht neu, der rechtliche Rahmen liege bereits vor. Der Landkreistag in Bayern verwehre sich aber dagegen, Arbeit als eine Art "Bestrafung" der Zugewanderten zu sehen. "Arbeit ist keine Strafe, sondern sie ist sowohl für den einzelnen Menschen als auch für die Solidargemeinschaft der Menschen in diesem Land wichtig und unverzichtbar", sagt Karmasin, CSU-Landrat aus dem oberbayerischen Fürstenfeldbruck.
Dürfen Geflüchtete in Deutschland überhaupt arbeiten?
Arbeiten dürfen aktuell nur Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, sowie Flüchtlinge, deren Asylverfahren bereits abgeschlossen ist und die in Deutschland anerkannt sind, sagt der Würzburger Rechtsanwalt Michael Koch. Der Jurist, der seit 1984 Ausländer und Geflüchtete in Migrationsfragen berät und Mitglied des Ausschusses "Migrationsrecht" der Bundesrechtsanwaltskammer ist, hält deshalb die politische Debatte für scheinheilig. Koch sagt: "Das Problem ist doch: Viele Leute wollen arbeiten, dürfen aber nicht."
Wer darf in Deutschland nicht arbeiten?
Nicht arbeiten dürfen alle Flüchtlinge, die mindestens neun Monate in einer Aufnahmeeinrichtung verbringen müssen, während dieser Zeit. Erst ab dem zehnten Monat könnten sie überhaupt eine Beschäftigungserlaubnis erhalten.
Generell nicht arbeiten dürfen alle Menschen aus den sogenannten "sicheren Herkunftsländern" Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Senegal. "Auch wenn sie die Chance haben, im Asylverfahren als politisch Verfolgte anerkannt zu werden – was aber Jahre dauern kann – unterliegen sie bis dahin einem generellen Arbeitsverbot", sagt Rechtsanwalt Koch.
Einem Arbeitsverbot unterliegen auch viele Geduldete, wenn ihre Identität nicht geklärt ist. Geduldete sind Geflüchtete, deren Asylverfahren negativ beschieden wurde, die aber derzeit nicht abgeschoben werden können. Etwa, weil die Lage in ihrem Land gerade eskaliert, weil sie krank und nicht reisefähig sind, weil ihre Identität nicht geklärt ist oder Schwangere kurz vor und nach der Geburt.
Unter welcher Voraussetzung dürfen Geflüchtete während ihres Asylverfahrens arbeiten?
Geflüchtete, die außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung wohnen, können nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland eine Beschäftigungserlaubnis erhalten, auch wenn ihr Asylverfahren noch läuft. "Die Betonung liegt auf können", sagt Rechtsanwalt Koch. "Es ist eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörden, das ist in Bayern immer das Schlimmste." Denn anders als in anderen Bundesländern würden die bayerischen Behörden nur Beschäftigungserlaubnisse erteilen, wenn der Betreffende bei der Klärung der Identität oder der Passbeschaffung "glaubhaft" mitwirke, sagt Koch.
Welche Folge hat die Ermessensentscheidung der Behörden?
Für eine "glaubhafte Identitätsklärung" müssen Geflüchtete aus dem Land, aus dem sie geflohen sind, entsprechende Nachweise vorlegen – über das Konsulat, die Botschaft oder die Familie. Laut Rechtsanwalt Koch ist das ein Problem. Denn laut Asylgesetz sei es für Betroffene eben gerade nicht zumutbar, sich während ihres Asylverfahrens ausgerechnet an die Vertretung des Landes zu wenden, aus dem sie geflohen sind. "Wir verhindern dadurch, dass Flüchtlinge in Berufe reinkommen, in denen wir dringend Leute brauchen und in denen kein Deutscher zur Verfügung steht – vor allem hier in Bayern", sagt Koch.
Dürfen Geflüchtete gemeinnützige Tätigkeiten ausüben?
Laut dem derzeitig gültigen Asylbewerberleistungsgesetz dürfen Geflüchtete für 80 Cent pro Stunde gemeinnützig in der Aufnahmeeinrichtung arbeiten. Sowie bei staatlichen, kommunalen und gemeinnützigen Trägern - dann aber nur unter der Voraussetzung, dass diese Tätigkeit andernfalls "nicht in diesem Umfang und nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde", so lautet das Gesetz. In der Realität sind daher Geflüchtete vor allem in Unterkünften tätig, sagt Anwalt Koch.
Diese gemeinnützigen Tätigkeiten auszuweiten und zur Pflicht zu machen, ist dem Juristen zufolge rechtlich nicht möglich. Dies hätten Sozialgerichte in Deutschland bis in die höchste Instanz entschieden. Denn Straßenreinigung oder Bauhof-Arbeiten zum Beispiel zählen zu originären Aufgaben einer Gemeinde, dafür brauche es ein ordentliches Beschäftigungsverhältnis mit Kranken- und Rentenversicherung. "Alles andere wäre verfassungswidrige Zwangsarbeit", sagt der Jurist.
Ein bundesweites Netzwerk von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten stellt eine ganz andere Forderung als der baden-württembergische Landkreistag. Michael Koch sagt: "Wir Rechtsanwälte von der Rechtsberaterkonferenz fordern ein Arbeitsrecht für Geflüchtete drei Monate nach ihrer Ankunft in Deutschland – und keine Arbeitspflicht."
Wenn einerseits arbeiten nicht erlaubt ist und andererseits den Geflüchteten vorgeworfen wird, sie wären faul, dann ist der Populismus nicht weit.
Und immer dran denken, stets Regelungen verlangen, die wir alle bereit sind auch selbst einzugehen.
Die Idee der gemeinnützigen Arbeit mit guter Integrationsbegleitung ist für alle angebracht.
Lernen in Gruppen am Vormittag und Lern-Praktika am Nachmittag. Sie hätten dann den Status von Schülern o.ä.
Die Rekrutierung der Fähigen und Willigen könnte ab dem zweiten Monat erfolgen. Sie würden vor den Augen der Bevölkerung Nützliches (Bildung und Arbeit) tun und sich intergrieren, oder eben nicht.
Der Schüler-Status scheint mir die Lösung dieses Problemfeldes.