Quälend langsam schleppt sich dieser Prozess schon über 13 Verhandlungstage - und es könnten noch einmal so viele werden. Im aufwändigen Verfahren vor dem Landgericht Würzburg stehen zwei der sechs Angeklagten im Mittelpunkt: Sie sollen gemeinsam mit Drogen gehandelt und säumige Kunden gefoltert haben. Beide Beschuldigten geben als Beruf Hip-Hop-Musiker an. Beide sehen sich als Rapper, die dealten. Die Ermittler halten sie für Dealer, die auch rappten.
Zwei Rapper auf der Anklagebank: Musikkarriere mit mehr und minder Erfolg
Jetzt sitzen sie nebeneinander auf der Anklagebank, reden nicht miteinander, aber übereinander - und darüber, wer an allem schuld ist. Die Musik der beiden Beschuldigten ist indes immer wieder Thema unter den 25 Prozessbeteiligten und ebenso vielen Zuhörern im provisorisch eingerichteten Gerichtssaal im Würzburger CVJM-Haus.
Der Blick auf einschlägige Musik-Plattformen zeigt: Der eine wird in der Rapper-Szene als erfolgreicher Nachwuchsstar aus Würzburg gefeiert. Er rappte eine Lobeshymne auf Fußballstar Kylian Mbappé und hat schon Millionen Klicks im Internet. Der andere kommt auf 6000 Online-Klicks und singt lieber über sich als Straßengangster. In manchen Passagen klingen seine Texte wie die vertonte Wiedergabe der Anklage.
Der 25-jährige mutmaßliche Anführer der Bande sagt selbst, dass sein Talent als Fußballer nicht zum Profi gereicht habe. Jetzt müsste er daran arbeiten, mit seiner Musik bekannter zu werden - und ist stattdessen in Haft.
Musikvideo fast wie die Anklage: Rap über einen Würzburger Straßengangster
Sein Musikvideo ist ein Zeugnis seines Talents – aber auch ein Verweis darauf, warum er heute nicht auf einer Bühne steht, sondern auf der Anklagebank sitzt. "Zwischen gut und böse bekommst du einen Schuss in deinen Kopf", rappt er da drohend. "Keine Zukunft, deshalb hab ich die Taschen voller Rocks."
Mit "Rocks", Rauschgift, sollen der 25-Jährige und die weiteren Beschuldigten laut Anklage im zweistelligen Kilobereich gedealt haben. Im Song mimt er den tanzenden Straßengangster mit großer Karre und dicker Knarre. "Er musste zahlen, begleichen, bevor wir bei ihm daheim sind", heißt es da. Fast so, wie es vor Gericht Zeugen sagen.
Wie viel davon ist nur Pose für Freunde und Fans, die so etwas von ihm erwarten? Vor Gericht bemühen sich der 25-Jährige und seine Anwälte, dem Eindruck zu widersprechen, er sei der Boss gewesen, dem seine Komplizen aufs Wort folgten. Sein Video indes vermittelt genau diesen Eindruck.
Bei der Polizei zu schweigen, gilt in der Szene als Ehrensache. Im Prozess aber sagt der Hauptbeschuldigte, dass Teile der Anklage stimmen: demütigende Misshandlung von Opfern, die ihm Geld geschuldet haben sollen. Dass der 25-Jährige viele der 43 Anklagepunkte jetzt auf Mitangeklagte schiebt, sorgt für heftige Diskussionen unter den Verteidigern.
Lange Vernehmung: Hauptangeklagter sagte bei der Kripo aus
Jetzt setzte er offenbar noch eins darauf: Außerhalb der Verhandlungen soll der 25-Jährige in einer stundenlangen Vernehmung bei der Kriminalpolizei ausgesagt haben, berichtet ein Ermittler. Dabei soll er Namen genannt und Hintergründe aus der Würzburger Drogenszene erläutert haben.
Der Prozess stockt deshalb: Zeigt diese neue Aussage bei der Polizei den Fall jetzt in völlig neuem Licht? "Die Vernehmung wird derzeit durch die Ermittlungsbehörden ausgewertet", teilt auf Nachfrage Martina Pfister-Luz, die Sprechern des Landgerichts, mit.
Fortsetzung am 5. Juni: mit Aussage eines zweiten Beschuldigten?
Muss der Prozess sogar durch neue Erkenntnisse von vorne beginnen? Drei Wochen lang ist jetzt Verhandlungspause. Am 5. Juni geht es weiter. Dann will auch der zweite Rapper sein Schweigen brechen und vor Gericht aussagen, kündigen seine Verteidiger an. Der Vorsitzende Richter Michael Schaller warnte bereits: Die Prozessbeteiligten sollen sich für den Tag viel Zeit einplanen.