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Würzburg
Bekenntnisse im großen Drogenprozess am Landgericht Würzburg: Womit der Angeklagte überrascht
Der mutmaßliche Kopf der sechs Angeklagten hat sein Schweigen gebrochen: In der Verhandlung schildert er eine unselige Verknüpfung von Künstler- und Kriminellen-Karriere.
Überraschung an Tag 7  im Würzburger Drogenprozess: Aussagen des mutmaßlichen Anführers der sechs Angeklagten brachte viele neue Aspekte ins Verfahren. Aus Platzgründen verhandelt das Landgericht Würzburg im CVJM Heim in Würzburg.
Foto: Thomas Obermeier | Überraschung an Tag 7  im Würzburger Drogenprozess: Aussagen des mutmaßlichen Anführers der sechs Angeklagten brachte viele neue Aspekte ins Verfahren.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 20.04.2024 02:39 Uhr

Überraschung im Würzburger Prozess um Drogendeals und Folter auf dem Fußballplatz: Der 25-jährige Beschuldigte, der als Kopf der sechs Angeklagten gilt, bricht nach sechs Verhandlungstagen doch sein Schweigen. An diesem Dienstag spricht er vor dem Landgericht Würzburg.

Seine halbstündige "Lebensbeichte" beginnt mit dem Traum, Profi-Fußballer zu werden. Als der platzte, habe er beschlossen, als Hip-Hop-Musiker Karriere zu machen. Aber um glaubhaft als Rapper "rüberzukommen", müsse man Teil des kriminellen Milieus sein.

43 Anklagepunkte: Nur ein paar wenige Delikte gibt der Beschuldigte zu

Wortgewandt schildert der Hauptangeklagte seinen Werdegang in den vergangenen fünf Jahren: "Ich dachte: Das, was ich rappe, muss authentisch sein." Im Milieu kleiner Straßenbanden sei im Laufe der Zeit sein Ruf gewachsen, aufstrebender Musiker zu sein. 

Einen Großteil der ihm zur Last gelegten 43 Anklagepunkte - von Drogenhandel im zweistelligen Kilobereich bis zu brutalen Gewalttaten auf einem Fußballplatz - habe er gar nicht begangen, sagt der 25-Jährige. Nur ein paar kleinere Delikte wie Drogenkäufe und Drogenbesitz gibt er am siebten Verhandlungstag zu.

Dass ihn ein Opfer der schweren Misshandlung beschuldigt, kann er angesichts eindeutiger Aussagen schwer bestreiten. Er soll dem jungen Mann in einer Nacht auf dem Sportplatz einen Stock in den Hintern gerammt haben. Das tue ihm leid, sagt der 25-Jährige. "Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie ich das tun konnte." Er wolle nun einen Schlussstrich ziehen.

Selbst gedichtete Songs im Gangsta-Rapper-Stakkato

Ein zweiter angeklagter Rapper hat zuvor sein Mitwirken beim Handel mit Drogen und mutmaßlicher Quälerei genauso erklärt. Er soll in der Szene über Würzburg hinaus bekannt sein: Wer die  Künstlernamen der beiden im Internet sucht, findet Auftritte mit selbst gedichteten Songs im abgehackten Gangsta-Rapper-Stakkato, die für sich sprechen.

Die Lieder klingen wie gesungene Arbeitsbeschreibungen aus dem Kleindealer-Alltag: "Muss wieder vor den Bullen rennen, in den Socken das Cash" heißt es da. Aber auch: "Hunderter Hasch in die Päckchen gepackt. Ich verteil' in der Nacht überall in der Stadt". Oder: "Du weißt nicht, wie weit Gangster gehen für ein bisschen Knete".

Der Hauptangeklagte sagt, er habe zu "Clan-Größen" in Bremen und Berlin Kontakt bekommen, die ihm einen Manager besorgten und Auftritte. Durch sie sei seine Bekanntheit gewachsen: "Auf einmal war ich der überkrasse Gangster", beschreibt er. "Seit mich die Clans gepusht haben, war ich eine Respektsperson." Doch eine konkurrierende Gang habe ihn im Visier gehabt, deshalb habe er ständig auf der Hut sein müssen.

Frage des Gerichts: Rapper als Krimineller oder Krimineller als Rapper?

Seine Karriere sei dem Ruf in der Szene hinterhergehinkt, sagt er vor Gericht. Und der Vorsitzende Richter Michael Schaller fragt ironisch: "Dann waren Sie also ein wandelndes Würzburger Luftschloss?" Das Dilemma der Schilderungen bringt Schaller in seinen Fragen auf den Punkt: War der Angeklagte nur ein als Krimineller getarnter Künstler? Oder tarnte sich da der kriminelle Dealer als Künstler? Schulterzucken beim Angeklagten.

Die Schilderungen des 25-Jährigen an diesem Prozesstag lassen vieles aus der Anklage in neuem Licht erscheinen. Neue Namen und Hintergründe werden genannt, die neue Zeugen erfordern, vielleicht sogar neue Ermittlungen. Die Wahrheitsfindung könnte sich bis in den Mai hinein verzögern. 

Der Prozess wird am Mittwoch und Donnerstag mit Befragungen des angeklagten Rappers fortgesetzt.

 
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Ich kann mir vorstellen

    dass in einer Reihe von Ländern solche "Künstler" als Folterknechte gesuchte Leute sind. Da steht doch dann der entsprechenden Karriere nichts mehr im Wege...

    Sorry. Wenn das nicht so entsetzlich wäre, wäre das einfach nur lächerlich.
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  • Martin Deeg
    Sie müssen dafür nicht in andere Länder gehen, solche Leute waren auch bei uns schon „gesuchte Leute“ - und die Zeiten sind nicht lange her.
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  • Karl Weikert
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Manfred Schweidler
    Hallo Manni, bitte lass dich nicht auf ein Scharmützel mit dem Kollegen ein. Das führt zu nichts. Lass uns da souverän drüber stehen. Wenn du einen triftigen Grund siehst, kann ich den Kommentar von Deeg gerne sperren. ok? Grüße, Dominik
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  • Karl Weikert
    Liebe Mainpost: Denke der folgende Absatz war anders beabsichtigt, macht auf jeden Fall keinen rhetorischen Sinn:
    „ War der Angeklagte nur ein als Krimineller getarnter Künstler? Oder tarnte sich da der kriminelle Dealer als Künstler? “
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  • Martin Deeg
    Natürlich macht die Aussage „Sinn“ - vor allem vermutlich den, die „Wortgewandtheit“ des Richters Schaller herauszustellen.

    Man könnte auch fragen: „Ist der Richter nur ein als Jurist getarnter Philosoph? Oder tarnte sich da der strafrechtliche Frager als Intellektueller.“

    Aber Sie sind nicht allein, der Angeklagte hat die Frage ja offenbar auch nicht verstanden und nur mit der Schulter gezuckt….
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