"Mir geht es gut, sehr gut", beantwortet Muchtar Al Ghusain die klassische Small-Talk-Einstiegsfrage "Wie geht es Ihnen?". Er sei gerne in Würzburg zu Besuch, genieße es, hier alte Freunde zu treffen und seine Musik zu präsentieren. Sein aktuelles Programm heißt "wunde heimat", eine "Herzensangelegenheit", an der der 59-Jährige fünf Jahre gearbeitet hat. Am Sonntag, 13. November präsentiert er es mit einem Dutzend Musiker in der Würzburger Johanniskirche. Dann folgen Konzerte in Schäbisch Gmünd und in Essen.
Wer Muchtar Al Ghusain im Sommer bei der Vorab-Premiere des Programms auf der Bühne des Theaters am Neunerplatz gesehen hat, erlebte einen hervorragenden Musiker und einen sensiblen Menschen, dem die aktuellen Probleme und Krisen sehr nahe gehen. Der 59-Jährige sang, spielte Klavier und Gitarre, begleitet von fünf Musikern aus der Würzburger Jazz-Szene.
Leichter Sound, tiefer Inhalt
Für das Programm "wunde heimat" hat er Lyrik vertont. 14 Gedichte von Heinrich Heine, Mascha Kaléko, Marion Poschmann, Thomas Gsell und weiteren bekannten Autorinnen und Autoren. Im Neunerplatz lauschte das Publikum konzentriert den teils schwermütigen Texten und Balladen und beklatschte jazzige oder auch rockige Gitarren- und Saxofon-Soli.
Die Gedichte handeln von der alten oder der neuen Heimat Deutschland, von Flucht und Krieg, von Klimakrise und vom Gefühl der Heimatlosigkeit – Themen, die musikalisch in einer Stilistik aus Jazz, Chanson und Pop leicht daherkommen, was den Inhalt noch tiefer wirken lässt.
"Andere Menschen klettern auf Berge, ich setze mich ans Klavier", erklärt der ehemalige Kultur-, Schul- und Sportreferent Würzburgs im Gespräch mit der Redaktion die Hintergründe seines musikalischen Engagements. Ein Hobby sei dieses aber nicht, sondern "meine ursprüngliche Profession und meine Leidenschaft". Al Ghusain hat an der Würzburger Hochschule für Musik Klavier studiert und Kulturmanagement in Hamburg. "Ich brauche die Musik als Kontrast zur Verwaltungsarbeit", sagt er.
Die Verwaltung, in der Al Ghusain arbeitet, ist das Rathaus von Essen. Bis 2018 leitete er in Würzburg zwölf Jahre lang das Kultur-, Sport- und Schulreferat. Jetzt ist er in ähnlicher Funktion im viermal so großen Essen für Jugend, Kultur und Bildung zuständig.
"Die ersten zwei Jahre Einarbeitung waren brutal anstrengend", schildert Al Ghusain. Essen ist knapp fünfmal so groß wie seine Heimatstadt Würzburg. Er kümmert sich dort um 4000 Beschäftigte, 300 Kitas, 150 Schulen und bekannte Kultureinrichtungen wie das Museum Folkwang oder die Philharmonie.
Im Gespräch spricht er aber gar nicht so viel von den hochrangigen Kultureinrichtungen in Essen, sondern erzählt mehr von den sozialen Schwerpunkten seiner Arbeit. "Ich habe mich in diesen Bereichen neu eingearbeitet, was mich auch als Person sehr bereichert hat." Er habe tolle engagierte Menschen kennengelernt, die sich sehr um ein gemeinsames Miteinander kümmern würden.
Politisch aktiv ist der ehemalige Würzburger OB-Kandidat nicht mehr
Vergleiche zwischen der Mentalität der Ruhrpottler und der Franken mag er nicht. Aber er räumt ein, dass sich an einer Trinkhalle in Essen Fremde schneller näher kommen als in einer Würzburger Weinstube. Viel Großartiges findet Al Ghusain in Geschichte und Gegenwart des Ruhrgebiets, ein "sehr offenes Klima und pulsierendes Leben". "Rotzig aber herzlich", ist seine Kurzbeschreibung des typischen Bewohner. Was auch in der zweitgrößten Stadt des Ruhrgebiets anders ist, als im Bischofshut: "Wenn ich durch die Straßen laufe, kennt mich nur ganz selten jemand. In Würzburg werde ich heute noch angesprochen."
Muchtar Al Ghuain war 2014 der gemeinsame OB-Kandidat von SPD und Grünen und nach dem Sieg von Christian Schuchardt dann Vorsitzender der Würzburger SPD, bis ihn der Essener Stadtrat 2017 als neuen Beigeordneten wählte. In Essen ist er nicht mehr politisch aktiv, SPD-Mitglied ist er geblieben. Die Stimmung im Essener Stadtrat sei gut, die grün-schwarze Koalition investiere viel in den sozialen Zusammenhalt der Stadt.
Bis vergangenes Jahr ist der Familienvater noch an den Wochenenden die rund 360 Kilometer nach Würzburg gefahren. Erst nachdem auch die jüngere der beiden Töchter mit der Schule fertig wurde, zog das Ehepaar komplett nach Essen um. "Das hat das Leben ein Stück entspannter gemacht", sagt Al Ghusain. Zu Besuch ist er trotzdem gerne immer wieder in seiner Heimatstadt.
Auf der Bühne beim Konzert "wunde heimat" am Sonntag, 13. November, um 19 Uhr in der Kirche St. Johannis sind neben Al Ghusain die Würzburger Musiker Joe Krieg, Tilman Müller, Uli Kleideiter, Nikolaus Jira, Wolfgang Kriener, Dirk Rumig sowie einige Gastmusikerinnen und -musiker wie Sinn Yang (Violine) und Mahgol Taheri (Cello). Außerdem sind die Musiker Mohamad Fityan (Nay/Kawala), Abdul-Wahab Kayyali (Oud) und Salah Eddin Maraqa (Qanun) mit einem eigenen Set dabei. Der Liederabend wird unterstützt durch das Ökumenische Nagelkreuzzentrum Würzburg. Ein Teil des Erlöses geht an den Dresdener Seenotrettungsverein Mission Lifeline. Karten (20 Euro) gibt es in der Touristinfo im Falkenhaus.