Tatsächlich kommt Muchtar Al Ghusain, OB-Kandidat der Würzburger Kommunalwahl 2014, in das kleine Privattheater in der Zellerau. Bis 2018 war er Kultur-, Schul- und Sportreferent in Würzburg; heute arbeitet er in vergleichbarer Funktion – plus Jugendressort – in Essen. In seiner zwölfjährigen Amtszeit am Main entdeckten Musikfreunde ihn bei sporadischen Auftritten als Pianisten, virtuosen Flötenspieler und Rezitator dadaistischer Klangexzesse. "Folk, Jazz, Pop und Chanson" nennt die Konzertankündigung als Stilrichtungen des Programms "wunde heimat". Al Ghusain vertont Texte von Heinrich Heine über Mascha Kaléko bis Marion Poschmann. "Viele Gedichte beziehen sich auf den schwierigen Heimatbegriff. Die Gedichte sprechen von Deutschland, von Krieg, vom Klimawandel, unserer Verlorenheit und insofern von vielfältigen Verwundungen", erläutert Muchtar Al Ghusain.
Muchtar Al Ghusain: Wenn man eine etwas komplexere Familiengeschichte hat wie ich, mit Fluchterfahrung bei beiden Elternteilen, dann macht man Heimat nicht an einem einzigen Ort fest. Einen Großteil meines Lebens habe ich in Würzburg zugebracht, kenne mich da aus und fühle mich hier zuhause. Aber ich bin auch in Essen angekommen, finde neue Freunde und fühle mich dort sehr wohl.
Al Ghusain: Es gibt schwermütige Balladen, auch mal eine Swing-Nummer, jazzige oder auch rockige Gitarren- und Saxofon-Soli, mal Streicherbegleitung, mal mit arabischen Instrumenten, insgesamt alles sehr vielseitig und durchaus eingängig. Daraus wächst eine Spannung, da die Gedichte im Gegensatz dazu teils sehr herb sind. Ich finde es schade, dass Gegenwartslyrik zu wenig Resonanz findet, und hoffe ihr mit meiner Musik noch mal einen anderen Zugang zu verschaffen. Ich wollte bewusst nicht gesprochene Texte zu instrumentalen Jazznummern, wie es häufig gemacht wird. Meine Form mag riskanter sein, da ich der Lyrik mit meiner Musik vielleicht eine ganz andere Richtung gebe, als der Text vermuten lassen würde. Aber vielleicht macht gerade das den Reiz aus. Für mich ist es ein Herzensprojekt.
Al Ghusain: Seit etwa fünf Jahren. Bei meiner Abschiedsfeier in Würzburg 2018 habe ich schon einige Stücke erstmals gespielt. Für die jetzige Produktion waren die Basis zunächst Aufnahmen von Klavier und Gesang, die ich dann allen Beteiligten – in der Kernbesetzung alles tolle Würzburger Musiker – zugeschickt habe, die dann ihre Instrumente aufgenommen haben. Erst hatte ich gewisse Bedenken wegen dieser Technik, die wir zunächst coronabedingt gewählt hatten, aber sie hat Vorteile, weil man mehr Varianten ausprobieren kann. Ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis und freue mich darauf, erste Teile des fertigen Programms nun erstmals live spielen zu können. Aber erst im November in der Johanniskirche in Würzburg wird es sozusagen amtlich mit allen Mitwirkenden und der Buch- und CD-Veröffentlichung.
Al Ghusain: Das ist allmählich gewachsen. Auch wenn ich hauptberuflich im Rathaus arbeite, ist Musik für mich nicht Hobby, sondern meine ursprüngliche Profession und meine Leidenschaft. Bei den Gedicht-Vertonungen habe ich irgendwann gemerkt, dass die Textauswahl thematisch in eine Richtung geht. Die Texte spielen mit dem Doppelsinn der Wunde namens Heimat und der verwundeten Heimat. Und einige haben Bezug zu meiner Biografie, zum Beispiel kamen zwei der vertretenen Lyriker wie meine Mutter aus Ostdeutschland und bringen diese Perspektive mit. Oder der Bezug zu meinem Vater: Ich habe Verse eines palästinensischen Autors mit Zeilen des in Würzburg geborenen Juden Jehuda Amichai in einem Text vereint.
Al Ghusain: Nein. Die inoffizielle kleine Premiere ist jetzt im Theater am Neunerplatz. Im Herbst kommt dann die CD mit Buch und mit Konzerten in Schwäbisch Gmünd, Essen und Würzburg. Zu der Bandbesetzung kommen dann noch weitere Musikerinnen und Musiker dazu, insgesamt 14 Mitwirkende, darunter drei arabische Spitzenmusiker mit einem eigenen Set.
Das Konzert ist am Mittwoch, 27. Juli, um 19 Uhr Theater am Neunerplatz. Muchtar Al Ghusain wird begleitet von den Musikern Joe Krieg (Gitarre), Wolfgang Kriener (Kontrabass), Uli Kleideiter (Schlagzeug), Valentin Scheffzek (Saxofon), Nikolaus Jira (Hammond, Gitarre) und Tilmann Müller (Trompete). Der Eintritt ist frei, Spenden sind erbeten. Das vollständige Programm ist am 13. November in der Würzburger Kirche St. Johannis zu hören.