Gerhard Kallert ist seit 45 Jahren Polizist – ein Überzeugungstäter, der sich mit dem Begriff "Ordnungshüter" identifiziert. Vom Streifenbeamten stieg der gebürtige Fürther bis zum Polizeipräsidenten in Unterfranken auf. Hier war er sechs Jahre lang verantwortlich für die Sicherheit von 1,3 Millionen Menschen.
Noch immer wirbt er begeistert für die vielen Möglichkeiten, die der Polizeiberuf bietet. In einem letzten Interview vor seiner Pensionierung Ende Juli wirkt der sonst so streng sachlich erscheinende Kallert gelöst und voller Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt. Frühere Gespräche waren geprägt vom Blick auf ernste Themen: die Sicherheitslage in der Region, Kriminalitäts-Bekämpfung und Prävention – oder zuletzt die Ermittlungen gegen den Würzburger Messerstecher. Wenige Tage vor dem Ende seiner Dienstzeit ließ der scheidende Polizeipräsident im Gespräch mit dieser Redaktion auch einmal einen Blick hinter die Fassade zu. Im Interview zieht Gerhard Kallert die spannende Bilanz eines langen Berufslebens.
Gerhard Kallert: Um Gottes willen, nein. Dafür habe ich zu viele Hobbys und Interessen, denen ich nachgehe und die ich jetzt mehr pflegen kann.
Kallert: Ich bin Holzwurm und liebe Holzarbeiten. Ich drechsele, mache Intarsien. Die Holzvorräte sind enorm, da muss ich jetzt erstmal schauen, wo überall der Wurm drin war. Zum anderen haben wir uns vor fünf Wochen ein Wohnmobil zugelegt. Wir fahren auch Fahrrad und haben in Unterfranken viele Freunde gewonnen. Das lässt sich schön miteinander verknüpfen, mit dem Wohnmobil nach Unterfranken und Radtouren zu machen. Den Maintal-Radweg haben wir schon ganz durch, Saale- und Sinn-Radweg haben wir auch gemacht Das eine oder andere kann man nochmal machen, da gibt es wunderschöne Touren.
Kallert: Überhaupt nicht. In Franken tut man sich da sowieso nicht schwer. Ich durfte ja, bevor ich hierher kam, auch fünf Jahre lang in Oberfranken Dienst tun. Da habe ich kein Problem.
Kallert: Irgendwann, als ich noch im Streifendienst war.
Kallert: Ja, die letzte Streife bin ich 1990 gefahren.
Kallert: Ja, der Begriff ist zwar etwas antiquiert, aber er sagt vieles aus.
Kallert (lacht): Eigenartig. Die Corona-Zeit war schon gewöhnungsbedürftig. Wir hätten uns im Vorfeld nie vorstellen können, dass es so abläuft und wir so lange die Einschränkungen durchhalten müssen. Wir haben uns am Anfang mit manchen Dingen noch viel leichter getan. Dann kam in der Gesellschaft auch die Phase, in der die eine oder andere Regel nicht mehr so befolgt worden ist, wo wir uns in manchen Bereichen auch wesentlich schwerer getan haben. Das hat ganz enorm erfordert, die Lage ständig neu zu bewerten, um zu sehen: Wie gehen wir jetzt vor, um damit zurecht zu kommen?
Kallert: Das war schon nicht einfach, die Regeln zunächst in die Köpfe der Kolleginnen und Kollegen zu bekommen. Geschafft haben wir es mit einem Info-Ticker, der kurz und prägnant die Informationen darüber wiedergab, was sich geändert hat. Wir haben ja nicht nur Tagesdienst, der früh kommt und abends geht, sondern vor allem den Schichtdienst. Die überschneidenden Informationsänderungen ließen sich damit gut vermitteln, damit die Kollegen wussten: Was ist denn jetzt überhaupt Sache?
Kallert: Sehr viele Vorträge und Begegnungen mit den Bürgern, bei denen wir miteinander über das Thema Sicherheit gesprochen haben – nicht nur die objektive. Ich war schon immer der Auffassung: Uns nutzen objektive Werte wie das Sinken der Straftaten oder eine tolle Aufklärungsrate nichts, wenn das subjektive Sicherheitsgefühl schlecht ist. Denn daran richtet sich das Verhalten aus. In Veranstaltungen der Polizei ein Gesicht zu geben, um mitzubekommen: Was beschäftigt momentan die Leute? Das war mir wichtig und wird mir in Erinnerung bleiben. Ich kann nicht am Schreibtisch darauf warten, was ich vorgelegt bekomme, sondern muss selbst reinhören. Das hat mich an Unterfranken stark gebunden, und deshalb werde ich auch nach der Pensionierung die Kontakte hierher weiter pflegen.
Kallert: Ja, und dazu gehörte auch das Thema Betäubungsmittel, bei dem wir acht Jahre hintereinander steigende Zahlen hatten, während wir Diebstahl und Wohnungseinbruch ganz gut in den Begriff bekommen haben, selbst Körperverletzung und andere Gewaltdelikte. Rauschgiftdelikte dagegen sind gestiegen. Deshalb haben wir das Präventionsprogramm "Flashback" entwickelt.
Kallert: Aber wir haben jetzt in Corona-Zeiten keine Steigerungen mehr gehabt. Ich hatte persönlich damit gerechnet, dass es stärker zurückgeht. Auch bei häuslicher Gewalt war die Prognose, dass sie zunehmen würde – hat sie aber nicht.
Kallert: Jederzeit – wenn er Interesse daran hat. Hat er aber nicht gemacht, ich habe ihn aber auch nicht infiltriert. Ich bin nach wie vor von der Arbeit der Polizei überzeugt – auch deshalb, weil man hier vom Streifenbeamten bis zum Polizeipräsidenten viele Möglichkeit hat. Was mich auch nach 45 Jahren fasziniert, ist die Bandbreite: Sie können innerhalb des Aufgabenfeldes Polizei Lehrer werden, operativ tätig werden, in der Prävention, in der EDV. Ich könnte eine halbe Stunde erzählen, welche Berufsfelder es hier gibt – alles in der gleichen Firma. Das ist es, was mich fasziniert. Ich möchte keine einzige Station missen, bei der ich war.
Kallert: Ich hoffe nicht. Ich fahre ja auch jetzt zum und vom Dienst selbst, das halten wir sauber auseinander und ich kann auch Auto fahren.
Kallert: Da kann meine Frau schöne Geschichten erzählen, als ich nebendran saß. Wir kamen von einem Ball, meine Frau fuhr und wurde kurz vor der Autobahn angehalten. Meine Frau ging mit dem kontrollierenden Beamten zum Kofferraum, in dem sie ihre Papiere hatte. In dem Moment kam die zweite Beamtin und flüsterte ihrem Kollegen zu: "Dem Chef sein Auto." Er machte weiter mit der Kontrolle. Sie fragte erneut: "Das ist doch dem Chef sein Auto, wo ist er?" Da sagte meine Frau: "Kannst rauskommen, die haben dich erkannt."
Kallert: (nickt, schweigt)
Kallert: Die schlimmen Ereignisse, nach denen man sich fragt: Warum musste das sein? Wenn ich beispielsweise an die sechs toten Jugendlichen in Arnstein denke, die durch Kohlenmonoxid ums Leben gekommen sind. Und natürlich geht einem das aktuelle Ereignis mit dem Messerangriff in Würzburg unter die Haut.
Kallert: Die Schutzausrüstung ist wesentlich verbessert worden. Auch das polizeiliche Einsatztraining ist weiterentwickelt worden, wie immer, wenn wir die Lage nach einem Einsatz auswerten. Und wir haben beispielsweise für eine schnelle Information der Bürger und für die Suche nach Augenzeugen und Bildern unsere Social-Media-Kanäle eingesetzt.
Kallert: Die wichtigste Herausforderung an so einem Abend ist es, selbst die Ruhe zu bewahren und ansprechbar zu sein für die, die eine Ansprache brauchen. In wenigen Punkten ist es dann auch wichtig, korrigierend einzugreifen. Das ist hier gut gelaufen mit der Festnahme des Täters. Aber damit ist der Einsatz ja nicht vorbei. Dann beginnt eine diffizile Tatort-Arbeit, und es kommen viele, die berechtigte Ansprüche haben und Ansprechpartner brauchen.