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Würzburg
Abschied, aber ohne Wehmut: Nach 35 Jahren bei den Würzburger Philharmonikern geht der Konzertmeister in Rente
Geiger Franz Peter Fischer hat das Orchester des Mainfranken Theaters über Jahrzehnte mitgeprägt. Wegen Handproblemen kann er nicht mehr spielen - und sagt gelassen Adieu.
Der Mann am ersten Pult: Konzertmeister Franz Peter Fischer bei einem Sinfoniekonzert des Philharmonischen Orchesters Würzburg im Jahr 2022. 
Foto: Thomas Obermeier | Der Mann am ersten Pult: Konzertmeister Franz Peter Fischer bei einem Sinfoniekonzert des Philharmonischen Orchesters Würzburg im Jahr 2022. 
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 17.01.2025 02:34 Uhr

Franz Peter Fischers prägendste Charaktereigenschaft ist möglicherweise die Neugier. Das muss man bedenken, wenn er Sätze sagt wie: "Ich würde den Beruf heute so nicht mehr machen." Er meint damit nicht, dass ihm die Tätigkeit als Erster Konzertmeister keinen Spaß gemacht hätte. Immerhin hat er den Beruf fast vier Jahrzehnte lang ausgeübt, 35 Jahre in Würzburg am Mainfranken Theater. Im Gegenteil, sagt Fischer: "Ich bin all die Jahre gerne in jede Probe gegangen." Aber: "Es gibt so viele andere interessante Sachen, die man machen kann."

Franz Peter Fischer saß bei den Würzburger Philharmonikern auf dem Stuhl gleich links vom Dirigenten. Der 1,89-Meter-Mann mit dem ansteckenden Lächeln, der mit großen Händen die kleine Geige mit anstrengungsloser Eleganz spielte, hatte die verantwortungsvollste Position im Orchester. Konzertmeister und Konzertmeisterinnen sind erste Ansprechstation für Dirigent oder Dirigentin und übernehmen auch die Führung, sollte dieser oder diese mal bei der Aufführung ins Schwimmen geraten.

Franz Peter Fischer, der 1,89-Meter-Mann, der mit großen Händen die kleine Geige mit viel Eleganz spielte.
Foto: Martin Franke | Franz Peter Fischer, der 1,89-Meter-Mann, der mit großen Händen die kleine Geige mit viel Eleganz spielte.

Wenn der Konzertmeister zum Stimmen aufsteht, verstummt die Vorab-Kakophonie. Ihm gibt der Dirigent - oder die Dirigentin - vor und nach dem Konzert die Hand. Und er selbst muss ein brillanter Geiger sein, der jederzeit knifflige Soli übernehmen kann und der verantwortlich für einheitliche Bogenstriche ist.

Violine spielen war für Franz Peter Fischer nie das Anstrengendste am Job

"Geige spielen war nie das Anstrengendste", sagt Fischer. "Sondern die Aufgabe, all den unterschiedlichen Charakteren gerecht zu werden." In jeder Probe könne immer alles passieren: "Es kann einer ausflippen, der Dirigent kann sich mit dir überwerfen, oder du selbst spielst Mist."

Nach Fingerproblemen an der linken Hand, bei denen auch eine OP nicht half, musste Fischer vor einem Jahr schon seine aktive Karriere beenden. Inzwischen ist der 65-Jährige in Rente, am 17. Januar wird Konzertmeister Fischer nun beim zweiten Sinfoniekonzert dieser Spielzeit offiziell verabschiedet.

Dass er nicht mehr spielen kann, nimmt der passionierte Musiker bemerkenswert gelassen: "Ich habe so viele Jahre gespielt. Das einzige Problem: Ich habe zu viel Musik im Kopf." Umso mehr gilt, siehe oben: Es gibt so viele andere Dinge. Zum Beispiel an historischen Motorrädern schrauben. Oder einen Kleintransporter zum Campingmobil ausbauen, inklusive Elektrik. "Jetzt weiß ich, wie Strom funktioniert", sagt der gebürtige Allgäuer im alemannisch gefärbten Tonfall, den er in all den Jahren in Franken nicht verloren hat.

Fünf Generalmusikdirektoren und sechs Intendanten hat er kommen und gehen sehen

Fünf Generalmusikdirektoren, kurz GMD, und sechs Intendanten hat Franz Peter Fischer am Mainfranken Theater Würzburg kommen und gehen sehen. Er spricht von allen sachlich und mit Wertschätzung, dennoch scheint durch, dass unter ihnen brillante, begabte, unsichere, chaotische, herrische, cholerische, inspirierende, ehrliche und faire waren. Und er hat eine rasante Entwicklung entscheidend mitgeprägt: die Professionalisierung des Musikerberufs auch in vermeintlichen Provinzorchestern. "Als ich kam, saßen da noch viele Leute, die es gar nicht richtig gelernt hatten. Auch Alkohol war ein Problem." Mit Fischer übernahm allmählich eine neue Generation: gut ausgebildet, selbstbewusst und demokratisch orientiert. "Der GMD war nicht mehr allmächtig."

Als Geiger war Franz Peter Fischer immer auf der Suche nach neuem Repertoire. Hier mit dem Musikwissenschaftler Hansjörg Ewert auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2010.
Foto: Frank Kupke | Als Geiger war Franz Peter Fischer immer auf der Suche nach neuem Repertoire. Hier mit dem Musikwissenschaftler Hansjörg Ewert auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2010.

Er selbst spielte damals auch bei Concentus Musicus Wien von Nikolaus Harnoncourt und bei Reinhard Goebels Musica Antiqua Köln - den beiden Pionierensembles für Originalklang schlechthin. In Würzburg fand er einen Klangkörper vor, der angesichts katastrophaler Arbeitsbedingungen kaum Kapazitäten hatte, sich mit neuen Entwicklungen auseinanderzusetzen. "Wir probten im damaligen Foyer - auf dem groben Pflaster und mit eiskalter Glasscheibe im Rücken."

Der neue Konzertmeister musste Nachhilfearbeit leisten, endlose Diskussionen über Striche und Phrasierungen führen und dabei möglichst alle im Orchester mitnehmen. Im Rückblick sagt er: "Ich glaube, das ist mir schließlich ganz gut gelungen."

Die Klasse des Orchesters heute ist mit dem Zustand Ende der 1980er Jahre nicht mehr im mindesten vergleichbar. Heute ist es - auch dank der langjährigen Arbeit von Generalmusikdirektor Enrico Calesso und Ersten Kapellmeistern wie Marie Jacquot und Gábor Hontvári - selbstverständlich, dass Mozart anders gespielt wird als Bruckner. Und dass eine Produktion wie Wagners "Götterdämmerung" auch dank des Orchesters überregional Beachtung findet.

Der Mann links vom Dirigenten: Konzertmeister Franz Peter Fischer und Erster Kapellmeister Gábor Hontvári geben einander nach einem Konzert im Jahr 2022 dem Brauch gemäß die Hand. 
Foto: Thomas Obermeier | Der Mann links vom Dirigenten: Konzertmeister Franz Peter Fischer und Erster Kapellmeister Gábor Hontvári geben einander nach einem Konzert im Jahr 2022 dem Brauch gemäß die Hand. 

Franz Peter Fischer war zusätzlich immer als Barockgeiger in namhaften Ensembles tätig, aber auch als Ausgräber verborgener musikalischer Schätze aus der Region. Und an der Musikhochschule Würzburg bildete er professionellen Orchesternachwuchs aus. Der wird es angesichts immer neuer finanzieller und politischer Angriffe auf die Kultur nicht leicht haben, befürchtet Fischer: "Das Orchester wird sich Gehör verschaffen müssen."

Ein Nachfolger, eine Nachfolgerin für Franz Peter Fischer ist noch nicht gefunden, derzeit werden dem Vernehmen nach Kandidaten getestet, zuletzt bei den drei Neujahrskonzerten. Die waren übrigens auch Abschiedskonzerte: des Ersten Kapellmeisters Gábor Hontvári. Der hatte vor 13 Monaten gekündigt - seine Nachfolgesuche aber beginnt erst jetzt. 

Abschied für Franz Peter Fischer: Der Konzertmeister wird beim Sinfoniekonzert des Philharmonischen Orchesters am Freitag, 17. Januar, offiziell verabschiedet. Beginn in der Musikhochschule Würzburg, Hofstallstraße 6-8, ist um 19.30 Uhr. Karten: Tel. (0931)  3908-124, www.mainfrankentheater.de

 
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