
Drei Werke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch eine Eigenschaft teilen: Ihre Schöpfer verweigern sich vorsätzlich allen Kompositionsregeln und fordern bewusst die Hörgewohnheiten ihres Publikums heraus – Igor Strawinskys Bläsersinfonie von 1921, Francis Poulencs Orgelkonzert von 1938 und Claude Debussys sinfonische Skizze "La Mer" von 1905.
In dieser so sehr von Verhaltensregeln geprägten Corona-Zeit, wirkte diese Zusammenstellung für das erste Sinfoniekonzert unter dem Titel "Klangfarbe" des Philharmonischen Orchesters im Großen Saal der Würzburger Musikhochschule fast wie ein kleiner Akt künstlerischer Rebellion. Wobei die außermusikalischen Regeln, das sei hier betont, so peinlich genau eingehalten wurden, dass der Orgelsolist samt Spieltisch ins Hygiene-Exil auf den Balkon verbannt wurde. Das Publikum konnte dank Leinwand auf der Bühne dennoch genau mitverfolgen, wie virtuos Gunther Rost mit vier Manualen, Basspedalen und allerhand Fußschaltern operierte.
Keine leichte Aufgabe, über 40 Meter und die damit verbundene Klangverzögerung hinweg zusammenzuspielen. Sie gelang. Oder, um es mit Gábor Hontvári, dem Ersten Kapellmeister des Mainfranken Theaters, zu sagen: "Es gibt keine Entfernung, die die Musik und die Liebe zur Musik nicht überbrücken kann." Der international gefragte Organist Gunther Rost, 1974 in Würzburg geboren, seit 2002 Professor in Graz, musizierte ebenso sensibel wie draufgängerisch, als säße er mittendrin, und zügelte die Wucht seines riesigen Instruments, um sie passgenau in die Klangmöglichkeiten des abständehalber reduzierten Orchesters einzufügen.

Poulencs gelegentliche Verspieltheit (das Stück ist ansonsten von eher ernstem Ton) wirkte nach Strawinskys borstiger, unzugänglicher, gleichwohl präzise und engagiert wiedergegebener Bläsersinfonie fast befreiend. Wer allerdings danach mit mystisch verhangenen Naturklängen gerechnet hatte, wurde enttäuscht. Oder, je nach Bereitschaft, mit Hörgewohnheiten zu brechen (siehe oben): eines besseren belehrt.
Gábor Hontvári wollte "La Mer" konkret und direkt. Die Morgenröte wich schnell einem Sonnenaufgang im Zeitraffer, die Elemente schienen in Aufruhr, bevor das Stück so richtig in Gang gekommen war. Das wirkte recht kantig – ein Einstieg von der Klippe aus, nicht vom Strand. Möglicherweise eine Folge der kleinen Besetzung. Mit zwölf Celli etwa könnte man ganz anders Atmosphäre machen als mit zweien. Doch ab dem zweiten Satz ("Spiel der Wellen") passte plötzlich alles. Vielleicht ein wenig wie beim Baden: Ist man erstmal drin, ist es ganz herrlich.