Allein im Jahr 2020 sind in Unterfranken laut Statistischem Landesamt 170 Hektar naturbelassene oder landwirtschaftliche Fläche verschwunden - das entspricht etwa 238 Fußballfeldern. Entstanden sind dort neue Siedlungen, Straßen, Industrieflächen oder Sportplätze. Mehr als die Hälfte dieses neu genutzten Bodens wird im Durchschnitt in Bayern versiegelt, also asphaltiert oder überbaut. Demnach wurde in der Region im Jahr 2020 eine Fläche von mindestens 119 Fußballfeldern versiegelt. Auf der restlichen neu entstandenen Siedlungs- und Verkehrsfläche sind heute Gärten, Sportplätze oder Grünstreifen.
Anne Weiß, Flächensparmanagerin der Regierung von Unterfranken, warnt: "Der Boden, den wir überbauen, ist nicht nur das Geld wert, das man aktuell an diesem Standort bezahlt." Der Flächenverbrauch wirke sich auch auf den Wasserhaushalt aus. "Wir brauchen den Boden für die Grundwasser-Neubildung, damit Niederschlagswasser versickern kann und im trockenen Unterfranken genügend Wasser zur Verfügung steht", sagt die Geografin.
Und auch Stefan Köhler, Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV) in Unterfranken, bedauert die Umwandlung der Flächen: "Es werden auch sehr fruchtbare Böden verbaut, die für die heimische Lebensmittelproduktion wichtig wären."
Wie aber kann Fläche gespart werden? Geografin Anne Weiß nennt fünf Erfolgsrezepte gegen den Flächenfraß - und welche Gemeinden in Unterfranken diese schon umsetzen.
1. Vielfalt statt Einfamilienhäuser: Wohnungsbau auch für Senioren und Single-Haushalte
"Wir müssen uns fragen, für welche zukünftige Gesellschaft wir bauen", sagt Anne Weiß. Für nicht jede Haushalts- und Altersgruppe sei das Einfamilienhaus die ideale Wohnform. Senioren oder junge Singles hätten andere Bedürfnisse. Und ihre Zahl wird steigen: Bis zum Jahr 2040 werden nach einer Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung die Ein- und Zweipersonen-Haushalte in Unterfranken rund 75 Prozent aller Haushalte ausmachen.
Seniorengerechte Wohnungen findet man bislang aber vor allem in den Städten. Dabei steige der Bedarf auch auf dem Land, sagt die Geografin. Ältere, vielleicht alleinstehende Senioren könnten dann aus ihrem großen, pflegeaufwändigen Einfamilienhaus ausziehen, ohne ihr soziales Umfeld im Ort zu verlieren. Zugleich werde so großer Wohnraum für junge Familien frei.
Einen Wohnkomplex mit 34 barrierefreien Wohnungen hat ein privater Investor jüngst in der Gemeinde Nüdlingen im Landkreis Bad Kissingen errichtet. Die Bewohner haben dort die Möglichkeit, Essen auf Rädern, den Hausnotruf oder die Tagespflege im Haus in Anspruch zu nehmen. Fast alle Wohnungen waren in kürzester Zeit vergeben, sagt Nüdlingens Bürgermeister Harald Hoffmann (CSU): "Eine Erfolgsgeschichte für unsere 4000-Einwohner-Gemeinde."
Ähnliches plant gerade die Gemeinde Sommerach im Landkreis Kitzingen in ihrem Altort. Dort sollen in der Winzerstraße sechs bis acht teils barrierefreie, unterschiedlich große Wohneinheiten entstehen. Ziel ist ein Mehrgenerationenhaus. Außerdem soll ein denkmalgeschütztes Gebäude (altes Weidinger-Haus) zu einem Seniorendomizil werden.
2. Innenentwicklung statt Ausdehnung: Leerstände beheben, Altorte beleben, Baulücken schließen
Grundsätzlich gelte: Innen- vor Außenentwicklung, erklärt die Flächensparmanagerin. So könnten Leerstände behoben, Baulücken geschlossen und Ortskerne wieder attraktiver werden. Mechthild Engert, Kreisfachberaterin für Landschaftspflege am Landratsamt Kitzingen, nennt das Beispiel von Hellmitzheim, Stadtteil von Iphofen. Schon in den 1990er Jahren wurde dort geplant, welche Landschaftsräume von Bebauung freigehalten werden sollen, etwa das Tal des Kirchbachs. Kindergarten, Feuerwehrhaus, Sportheim und Bürgerhaus konzentrieren sich in der Ortsmitte und wurden teils aus alten Leerständen entwickelt. Das Feuerwehrhaus entstand aus einer ehemaligen Gemeinschaftsgefrieranlage. Das Bürgerhaus mit Fledermausmuseum war ein altes Bauernhaus.
Auch Mainbernheim im Landkreis Kitzingen versteht es, sein Ortszentrum attraktiver zu gestalten und erhielt dafür beim Bayerischen Landeswettbewerb 2021 der Städtebauförderung eine Anerkennung. Die Stadt nutzte eine schmale Baulücke im Ortskern, um ein Mehrfamilienhaus zu errichten. In einem zentral gelegenen Leerstand entstand eine Radlerherberge.
3. Aus alt mach neu: Wiederbelebung historischer Gebäude
Wenn leer stehende Gebäude neu hergerichtet werden, könne nicht nur Fläche gespart, sondern es könnten auch die vorhandenen Baustoffe recycelt werden, sagt Flächensparmanagerin Anne Weiß. Ein Beispiel ist ein ehemaliges Landgut in der Stadt Schweinfurt. 30 neue Wohneinheiten, teils barrierefrei, will die "Wohnen auf Gut Deutschhof GmbH" dort schaffen. Künftige Mieter können im alten Herrenhaus oder im früheren Rinderstall moderne Wohnungen beziehen. Dort, wo die ehemalige Schmiede stand, wird ein Neubau mit zwölf Wohnungen errichtet.
Ähnliches wie für Gut Deutschhof geplant hat ein privater Bauherr in der Gemeinde Zell am Main im Landkreis Würzburg schon verwirklicht. Im ehemaligen Kloster Unterzell wurden 28 moderne Wohnungen geschaffen. Darüberhinaus erwarb die Gemeinde Teile des Klosters um beispielsweise den Kapitelsaal und die historische Klosterküche öffentlich zugänglich zu machen: "Ein Beispiel gelungener Innenentwicklung", findet Bürgermeister Joachim Kipke (FWG).
4. Neue Ideen für die Verdichtung: Flächen aufstocken, recyceln, mehrfach nutzen
Neue Ideen sind gefragt. Selbst Neubaugebiete könne man flächensparender planen als dies in vielen Gemeinden getan werde, sagt Anne Weiß. Eine verdichtete Bauweise mit Doppel- und Reihenhäusern sei besser als Einfamilienhäuser mit großzügiger Straßenführung außen herum. Die Flächensparmanagerin wünscht sich von Kommunen mehr Offenheit für dichtere und mehrstöckige Wohnformen: "Da braucht es mehr Mut in Unterfranken!"
Brachliegende Gewerbegebiete können zu Wohngebieten umgestaltet werden. Oder mehrere Nutzungen können übereinander gestapelt werden. Zum Beispiel lassen sich Gebäude für den Einzelhandel mit Geschossen für Wohnungen aufstocken oder Parkplätze mit Photovoltaikanlagen überbauen.
So hat zum Beispiel die Firma ZF in Schweinfurt ihren Parkplatz mit Photovoltaikanlagen überdacht. Auf 14 000 Quadratmetern sind dort knapp 8000 Solarmodule verbaut. Die Anlage, eine der größten in Deutschland, ging im November 2020 ans Netz. Der erzeugte Strom dient laut ZF ausschließlich zur Versorgung des eigenen Werkes Nord. Geschätzt würden damit jährlich 1200 Tonnen CO2 eingespart.
5. Die Bevölkerung mitnehmen: Lotsen helfen bei der flächenschonenden Innenentwicklung
Für nachhaltige Innenentwicklung einer Gemeinde müssen die Flächen analysiert und der Bestand kartiert werden, sagt Anne Weiß. Planungsbüros könnten dabei Leerstand und Baulücken ermitteln. Sind Grundstücke ungenutzt, lasse sich durch eine Befragung die Verkaufsbereitschaft der Eigentümer herausfinden. Das Wichtige bei all dem sei: die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen.
Vorbildlich sei die Bürgerbeteiligung zum Beispiel bei der Kreuzbergallianz im Landkreis Rhön-Grabfeld, zu der sich die Stadt Bischofsheim in der Rhön, Sandberg, der Markt Oberelsbach und Schönau a.d. Brend zusammengetan haben. Es gibt dort eine Immobilienbörse für Baulücken und Leerstände, Beratungsgutscheine für die Förderung von Bauvorhaben im Innenort und einen jährlich ausgelobten Sanierungspreis. Um Bauinteressenten und Immobilieneigentümer gezielt anzusprechen, hat die Allianz 13 ehrenamtliche Innenenwicklungslotsen in den einzelnen Gemeinden ausgebildet.
Bischofsheim in der Rhön steht auch auf der Liste der Best-Practice-Beispiele des Bayerischen Umweltministeriums. Die 4800-Einwohner-Stadt hat seit 30 Jahren keine neuen Baugebiete mehr ausgewiesen - dafür sind die meisten Leerstände beseitigt. Ulla Sippach, geschäftsleitende Beamtin der Stadt, sagt: Die Befürchtung, ohne Neubaugebiete kämen keine jungen Familien mehr, habe sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil. Der Bevölkerungsrückgang sei durch erfolgreiche Innenentwicklung gestoppt worden - "ohne Hunderte neue Bauplätze auszuweisen".
In den Parlamenten und Gremien haben weltweit fast immer noch diejenigen Mandatsträger die Mehrheit, die nach dem Sankt-Florians-Prinzip handeln oder wie es die Umweltaktivistin Greta Thunberg zutreffend ausdrückt, Greenwashing, Business as usual und viel Blablabla.
Verantwortlich für die Umweltzerstörung ist eine jahrzehntelang weltweit verfolgte Politik, die auf Konsumanreize setzte, immerwährendes Wachstum versprach und die Welt ökonomisch in Gewinner und Verlierer spaltete.
Es braucht schon eine Portion Glück damit man vielerorts zwei Vollgeschosse genehmigt bekommt! Und hier wird von mehrstöckiger Bauweise fantasiert - am besten noch in einem fränkischen Ortskern in dem Solaranlagen oder eine andersfarbige Dacheindeckung schon ein Riesenproblem darstellen. Der "dicht nebenan" wohnende Nachbar wird sich auch über ein mehrstöckiges Haus unmittelbar angrenzend - eben "dicht nebenan" freuen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bischofsheim_in_der_Rh%C3%B6n#/media/Datei:Bischofsheim_Zentrum.jpg
Und zweitens verlassen Menschen die Rhön und siedeln sich anderswo an.
So hat Bischofsheim seit 1995 9% Einwohnerschwund zu verzeichnen.
Bischofsheim hätte ich auf dem Bildausschnitt wirklich nicht erkannt, obwohl ich da regelmäßig vor Ort bin. Wenn man solche, zwar reale aber doch im besten Licht gemachten Fotos zeigt entspricht ist das schlichtweg hingetrickst. Bischofsheim ist schlimmer zersiedelt als viele umliegende Ortschaften... Ja man hat einen Grünstreifen um den Altort belassen - das ist der einzige Unterschied zu anderen Dörfern, genau dieser Grünstreifen um den Altort sorgt aber erst für die Zersiedelung!