
Ende November hat das Ochsenfurter Programmkino Casablanca sein 40-jähriges Bestehen gefeiert. Zu der Feier kamen über 100 Gäste – darunter auch Besucherinnen und Besucher der ersten Stunde des Kinos hinter dem Rathaus. "Es gab Glühwein, wir haben den Kinderfilm 'Watership down – Unten am Fluss' gezeigt; außerdem die beiden Filme, die bei der Eröffnung des Casablanca im November 1982 liefen", sagt Gert Dobner: "Mach's noch einmal, Sam" mit Woody Allen und "Love Happy" mit Marylin Monroe und den Marx Brothers.
Der 67-jährige Gert Dobner stammt aus Obernbreit und hat das Casablanca vor 40 Jahren zusammen mit Georg Dawo gegründet. "Die Gründung war eher ein Zufall", sagt Dobner. "Wir waren beide Biologiestudenten, und die Berufschancen standen schlecht. Dafür waren wir leidenschaftliche Kinogänger." So seien sie auf die Idee gekommen, ein Kino zu eröffnen – "zur Wahl stand außerdem noch die Gründung einer Fischzucht in der Eifel", erinnert sich Dobner und lacht.
Das Casablanca war früher Lichtspielhaus, Frittenbude, Disco und Weinstube
Nachdem sich die beiden für erstere Idee entschieden hatten, begann die Suche nach einem leerstehenden, intakten Kino, die sie unter anderem von Regensburg über Kassel, nach Hanau und in die Rhön führte. Doch dann stießen die beiden direkt in der Heimat auf die passenden Räumlichkeiten. "Das Kino in Ochsenfurt war eingestaubt, aber am funktionsfähigsten", so Dobner.
Unter dem Namen "Capitol" hätten die Räumlichkeiten zuvor als Lichtspielhaus, aber auch als Frittenbude, Disco und Weinstube gedient, erzählt Dobner. Vier Jahre standen sie leer, ehe Dobner und Dawo das Kino innerhalb weniger Monaten wieder zum Leben erweckten. Die Anfangsjahre seien herausfordernd gewesen, "wir waren zwar firm im Thema Film, aber nicht im Kinogeschäft", sagt Dobner.
Zum Konzept des Ochsenfurter Kinos, das als eines der ältesten und renommiertesten Filmtheater seiner Art in ganz Deutschland gilt, gehört seit jeher die Verbindung von Kino und Kneipe. "Das eine ist ohne das andere nicht denkbar – Kino braucht die soziale Komponente, den Austausch", sagt Hannes Tietze, der seit 2003 zusammen mit Dobner Geschäftsführer des Casablanca ist. Tietze war als Student häufig Gast im Casablanca, bis er Mitte der 90er-Jahre als Filmvorführer zum Team stieß.

Auch Dobner versteht Kino als einen Ort der Kommunikation, an dem man vor oder nach dem Kino-Erlebnis zusammenkommen kann. Er erinnert sich, dass man früher in vielen Kinos nach dem Film mehr oder weniger herausgeworfen wurde – und sich in einem Hinterhof "zwischen Mülltonnen" wiederfand. Diesen "Rauswerf-Effekt" sollte es im Casablanca nicht geben: "Nach einem Film hat man doch Redebedarf", sagt Dobner.
Filmbeginn hat sich immer weiter nach vorne verschoben
Seit der Gründung des Casablanca haben sich Kino und die Sehgewohnheiten der Deutschen stark verändert, so die Beobachtung der beiden Geschäftsführer. Doch es seien weniger die Streamingdienste wie Netflix und Co., die Probleme bereiteten – "unsere Kundschaft schätzt das Kinoerlebnis", betont Dobner –, sondern generell ein fehlendes Interesse an Film sowie ein riesiges alternatives Freizeitangebot. "Kino als Kunstform zu vermitteln und zu erhalten, ist eine Herausforderung", stellt Tietze fest.
Auch die Altersstruktur der Gäste habe sich verändert. Während das Publikum früher zu großen Teilen aus Studenten bestanden habe, seien Programmkinobesucher heute im Schnitt deutlich älter, "45 Jahre aufwärts", sagt Dobner. Zudem habe die Ausgehbereitschaft der Leute abgenommen. "Während wir früher täglich um 23 Uhr einen Nachtfilm gezeigt haben, zum Teil auch Double-Features, nach denen die Zuschauer erst um zwei oder drei Uhr nachts aus dem Kino gekrabbelt kamen, ist heute vielen schon ein Filmbeginn um 21 Uhr zu spät."
Ein festes Standbein des Casablanca war von Beginn an der Kinderfilm. Auch in diesem Bereich wurde das Ochsenfurter Kino bereits mit verschiedenen Programmprämien ausgezeichnet, die in Bayern jährlich an Kinos mit einem herausragenden Programm vergeben werden. "Mindestens am Samstag und Sonntag läuft bei uns ein Kinderfilm – wir versuchen, eine breite Mischung hinzubekommen", so Tietze.
Bei der Programmauswahl aller Filme arbeiten er und Dobner eng zusammen. "90 Prozent der Filme, die im Casablanca laufen, sind keine US-Filme", erklärt Tietze. In Multiplex-Kinos dagegen bestünde das Programm zu etwa 70 Prozent aus amerikanischen Filmen. Das Publikum weiß die sorgfältige Auswahl der Kinobetreiber zu schätzen: Bis zu 50 Kilometer beträgt das Einzugsgebiet des Casablanca, so Tietze – mit Stammgästen, die auch den Weg aus der Rhön oder aus Tauberbischofsheim auf sich nehmen. "Ein Stammgast kommt zum Beispiel dreimal die Woche aus Ebrach zu uns", so Tietze. Eine Frau wiederum besucht laut Dobner seit der Eröffnung des Kinos bis heute zwei bis dreimal die Woche das Casablanca.
Auf die Frage, was das Besondere des Casablanca sei, antwortet Dobner, ohne zu zögern: "Der Hannes und ich – und die Mannschaft, die's mitträgt." Und in der Tat scheint genau darin das Erfolgsgeheimnis des Ochsenfurter Programmkinos zu liegen: Die Betreiber sind für die Besucherinnen und Besucher eine Art Instanz; hinter dem Kino stehen Menschen, die ansprechbar sind – und die hinter dem, was sie tun, stehen. "In gewisser Weise leben wir Kino", so Dobner. "Wir können die Tür hier abends nicht einfach abschließen wie bei einem Bürojob."
Casablanca ist in seiner Form teuer im Unterhalt
Gerne geben Dobner und Tietze ihren Gästen auch persönliche Film-Empfehlungen; seit einigen Jahren gibt es zum Beispiel die Reihe "Großes Kino", in dem die Betreiber einmal monatlich einen Film vorstellen und erklären, warum er für sie großes Kino ist.
Dies alles findet im Kinosaal statt, der vom Stil und der Architektur der 50er-Jahre geprägt ist. "Der Saal erinnert mit seiner Kastenbühne und dem Vorhang an ein Theater", erklärt Dobner. Raumtechnisch sei das Casablanca mit nur einem einzigen Saal nicht mehr aktuell, und in dieser Form teuer zu unterhalten. "In den 60er und 70er-Jahren wurden viele Kinos zerstückelt und in mehrere Säle aufgeteilt, sodass man verschiedene Filme gleichzeitig zeigen konnte."
Das Casablanca räumt regelmäßig Preise auf Landes- und Bundesebene ab
Dobner und Tietze gehen mit dem Casablanca auch neue und ungewöhnliche Wege, so etwa beim "Traktor-Kino" in Hopferstadt. "Es geht auch darum, Kino zu den Leuten zu tragen", sagt Tietze. "Wir sind hier vor Ort eine bäuerlich strukturierte Ecke – viele der Leute wären wahrscheinlich nicht ins Kino nach Ochsenfurt gekommen", ergänzt Dobner. Mit der Filmreihe "Ochsentour" bringt das Casablanca wiederum Kino an ungewöhnliche Orte. Den Film "Unterwegs mit Jacqueline" über die Kuh Jacqueline etwa zeigte das Casablanca-Team im Kuhstall eines Bauernhofs. "Der Bauer hat dort Tage vorher das Radio laufen lassen, um die Kühe an eine gewisse Geräuschkulisse zu gewöhnen", erinnert sich Tietze.
Für ihr Engagement und ihr vielseitiges Programm wurden und werden die Macher des Casablanca immer wieder ausgezeichnet – sowohl auf Bundesebene als auch bayernweit. Erst im Oktober 2022 erhielt das Casablanca einen Preis für das bundesweit beste Kurzfilmprogramm.