Wo sonst kann man abseits von Bauerndemos eine solche Ansammlung PS-starker Traktoren bestaunen? In Hopferstadt (Lkr. Würzburg) ging es keineswegs um den Frust der Landwirte, sondern um ihre Lust an der Filmkultur. Das mutmaßlich erste unterfränkische Traktor-Kino lockte aus dem weiten Umkreis Landwirte mit ihren Zugmaschinen auf ein abgeerntetes Maisfeld im Ochsenfurter Stadtteil. Vom Deutz-Oldtimer mit 11 Pferdestärken bis zum 330 PS starken High-Tech-Schlepper reichte die Armada, die sich dort versammelte.
Die Idee stammt vom Hopferstadter Verein Dorfkultur und dem Ochsenfurter Programmkino Casablanca. Seit einem Jahrzehnt veranstalten beide die "Hopferstadter Landfilmtage" und bringen neben filmischen Leckerbissen regelmäßig Filmemacher ins Dorf. Wie so vieles wurden die Landfilmtage heuer ein Opfer der Corona-Pandemie. Kampflos aber wollten sich die Casablanca-Betreiber Gerd Dobner und Hannes Tietze dem Virus nicht geschlagen geben.
Einen besseren Platz als Hopferstadt konnte sich Dobner für das außergewöhnliche Kino-Event nicht vorstellen. "Auf dem Dorf ist es einfach toll", sagt er, "der Zusammenhalt passt, alle ziehen mit." Den Acker mit idealer Hangneigung stellte Landwirt Richard Düchs zur Verfügung. Der Fußballverein lieferte aus dem benachbarten Sportheim den nötigen Strom. Die Feuerwehr sorgte für eine sichere An- und Abreise der Schlepper-Kolosse und achtete auf die Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln. "Wir waren sofort dabei", sagt stellvertretender Kommandant Lukas Pfeuffer, "ich find's super, dass man so etwas in der Corona-Zeit macht."
Am Verkaufsstand haben die Mitglieder des Vereins Dorfkultur alle Hände voll zu tun. Die Brotzeit, coronakonform verpackt, findet reißenden Absatz. Die Veranstaltung ist ganz nach dem Geschmack des Vorsitzenden Ingbert Häußlein. "Endlich wieder mal ein tolles Event im Ochsenfurter Gau", sagt er, " es muss wieder Kultur ins Dorf."
Am Rand des Ackers erhebt sich die zwölf mal sechs Meter große Leinwand, aufgespannt zwischen aufblasbaren Stützen, ähnlich einer Kinder-Hüpfburg. "Der Wind hat uns ganz schön zu schaffen gemacht", sagt Hannes Tietze. Die Projektionsfläche wirkt wie ein Segel, auf dem selbst der kleinste Windstoß schon ungeheure Wirkung entfaltet. "Wir brauchten einen Radlader, um sie aufzustellen", so Tietze.
Davor stehen Plastikstühle für diejenigen, die keinen Traktor ihr Eigen nennen. Es folgen, der Größe nach in Reihen geordnet, die PS-starken Ränge. Elmar Haaf darf in der ersten Reihe stehen. Für das Kino-Event hat der Hopferstadter seinen knapp 11 PS starken Deutz aus der Scheune geholt. Eine weitere Anreise haben Michaela Schorr und Wolfgang Döller aus Marktbreit in Kauf genommen. "Wir gehen ja auch gern ins Kino", sagt Schorr, "und das ist mal was anderes." Ihr Gefährt ist ebenfalls ein Deutz, Baujahr 1961, 25 PS. Kein Vergleich mit den Kraftprotzen, die sich auf den hinteren Rängen drängen.
Insgesamt 75 Traktoren und Unimogs unterschiedlichen Alters sind erschienen. Der Stärkste unter ihnen kann 330 PS aufbieten, sagt Christian Halbig. Der Jungunternehmer betreibt in Ochsenfurt eine Werkstatt für Landmaschinen und sponsort das Traktor-Kino. "Ich finde das sensationell, was das Casablanca da auf die Beine gestellt hat", sagt er, "gerade wenn man sieht, was die Landwirtschaft zurzeit alles mitmachen muss, finde ich das megagut."
Im Film "Ausgrissn - mit Lederhosen nach Las Vegas" erzählen Julian und Thomas Wittmann, wie sie sich vom oberbayerischen Lengdorf aufgemacht haben, um mit ihren alten Zündapp-Mopeds nach Las Vegas zu fahren. Ein Roadmovie zwischen Alpenvorland und Route 66. Doch die Kinobesucher haben andere Gesprächsthemen. Es geht um die Zuckerrübenernte und natürlich um das Schaulaufen der Traktoren. "Es gibt keine Bauernversammlungen mehr, irgendwo müssen wir uns ja unterhalten", sagt Johannes Menth, Landwirt und Bürgermeister aus Gaukönigshofen. "Es ist auf jeden Fall eine tolle Idee", fügt er hinzu und weiß sich einig mit den Umstehenden.
Bevor der Film beginnt, geben sie ihrer Freude mit einem Hupkonzert Ausdruck. Dann wird es still, bis auf den Ton aus den riesigen Lautsprecher-Boxen. Tontechniker Winfried Karl sorgt für den passenden Sound. "Ein Urgestein der Würzburger Veranstaltungsszene und ein guter Freund des Hauses", sagt Casablanca-Chef Gerd Dobner.
Dobner ist anzumerken, dass die Anspannung inzwischen der Erleichterung weicht. "Bis jetzt ist alles super gelaufen", meint er. Als zwei Stunden später die Traktoren-Kolonne im Licht ihrer Scheinwerfer den Heimweg angetreten hat, wird aus der Erleichterung pure Freude. "Ich bin total glücklich, mir fällt ein Stein vom Herzen", sagt Dobner. "Das Wetter hat mitgespielt, alles ist sehr diszipliniert abgelaufen, wir machen das wieder", zieht er Bilanz.
Dobners Geschäftspartner Hannes Tietze will sich noch nicht festlegen. "Schau mer mal", sagt er, "auf jeden Fall haben wir heute viel gelernt." Es wird noch ein paar Stunden dauern, bevor das Kino-Equipment aufgeräumt und der Maisacker in seinen Urzustand zurückversetzt ist. "Wir hätten gerne noch etwas nachgefeiert", sagt Dorfkultur-Vorsitzender Ingbert Häußlein, " aber das geht ja auch nicht."
Neun Euro Eintritt haben die Kinobesucher bezahlt, unabhängig von der Größe ihres fahrberen Untersatzes. Wirtschaftlich hat sich das Traktor-Kino-Event nicht ausgezahlt, sagt Hannes Tietz. "Vermutlich legen wir ein bisschen was drauf." Gelohnt hat es sich trotzdem.