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Schwanfeld
Zwei Orte, zwei Extreme, ein Schicksal: Wasserlosen und Schwanfeld sind künftig keine Kleinzentren mehr
Was bedeutet der Verlust des Titels Kleinzentrum für Wasserlosen und Schwanfeld? Bürgermeister Anton Gößmann und Bürgermeisterin Lisa Krein sehen das konträr.
In Schwanfeld gibt es noch eine intakte Infrastruktur: Bürgermeisterin Lisa Krein im Gespräch mit Bürgern vor dem gut florierenden Supermarkt im Ort.
Foto: Anand Anders | In Schwanfeld gibt es noch eine intakte Infrastruktur: Bürgermeisterin Lisa Krein im Gespräch mit Bürgern vor dem gut florierenden Supermarkt im Ort.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:26 Uhr

Wasserlosen und Schwanfeld erleiden gerade das gleiche Schicksal. Beide Gemeinden sind bislang als Kleinzentrum eingestuft. Ein Titel, der ihnen eine höhere Bedeutung gegenüber Nachbargemeinden zubilligt. Diesen Status werden sie künftig nicht mehr haben.

Das neue Landesentwicklungsprogramm hat Klein- und Unterzentren abgeschafft und die neue Kategorie Grundzentrum eingeführt, die höhere Anforderungen an die Ausstattung der Kommunen stellt. Wer diese nicht erfüllen kann, trägt keinen Titel mehr. Im Landkreis Schweinfurt sind das Wasserlosen und Schwanfeld.

Das ist das Ergebnis eines Gutachtens zur Sicherung der Daseinsvorsorge, das Grundlage bei der Aktualisierung des Regionalplans sein wird. Der Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbands Main-Rhön gab dafür jetzt grünes Licht.

Zwei Orte, zwei Extreme, ein Schicksal: Wasserlosen und Schwanfeld sind künftig keine Kleinzentren mehr

Was bedeutet der Verlust des Titels Kleinzentrum für die Gemeinden Wasserlosen und Schwanfeld? Die Antworten fallen völlig konträr aus.

"Wir haben nix. Das einzige Gute ist die Verkehrsanbindung." Wasserlosens Bürgermeister Anton Gößmann sagt deshalb: "Wir sind zu Recht kein Kleinzentrum mehr."

"Wir haben alles. Unsere Infrastruktur ist außergewöhnlich." Schwanfelds Bürgermeisterin Lisa Krein meint deshalb: "Wir sind ein zentraler Ort, es fehlt die Anerkennung."

Kein Lebensmittelladen mehr im Ort

Ortsbesuch im Rathaus Wasserlosen: Bürgermeister Anton Gößmann lehnt sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. Die Aberkennung des Status Kleinzentrum sieht er gelassen. "Für uns macht der Titel keinen Unterschied." Denn an den Begriff seien keine Fördermittel gebunden. Ein Titel ohne Mittel also? "Wir bekommen halt kein Opernhaus bezuschusst", meint Gößmann scherzhaft.   

Der einzige Lebensmittelladen in Wasserlosen ist seit langem geschlossen. Bürgermeister Anton Gößmann sieht keine Option, innerorts einen neuen Nahversorger anzusiedeln.
Foto: Anand Anders | Der einzige Lebensmittelladen in Wasserlosen ist seit langem geschlossen. Bürgermeister Anton Gößmann sieht keine Option, innerorts einen neuen Nahversorger anzusiedeln.

Der Rathauschef ist Realist, sieht den Tatsachen ins Auge: "Wir haben keine Ausstattung. Wir versorgen nicht mal unseren Ort und schon gar nicht das Umland." Der einzige Lebensmittelladen ist seit langem geschlossen, zum Jahresende 2021 hat in der Hauptgemeinde auch der Bäcker zugemacht. Am Amtssitz in Greßthal gibt es zumindest noch eine Familienbäckerei und ein Gasthaus mit Metzgerei. "Das ist alles, was wir haben." Vor kurzem hat zudem die örtliche Tankstelle ihren Servicebetrieb eingestellt, Tanken geht jetzt nur noch am Automaten.

"Wir haben keinen Zentralitätsstatus", stellt Bürgermeister Gößmann nüchtern fest. Der Landesentwicklungsplan definiert für die Funktion als zentraler Ort ein ausreichend dichtes Versorgungsnetz mit öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie Dienstleistungen auch für andere Gemeinden. So müssen beispielsweise Einzelhandelsangebote, Bank- und Postfiliale sowie soziale, sportliche, kulturelle und medizinische Einrichtungen vorhanden sein. Wasserlosen hat dies alles nicht. Die Bevölkerung muss für die Dinge des täglichen Bedarfs nach Schweinfurt oder Arnstein fahren. 

Schwanfeld versorgt auch Umland-Gemeinden

Ortswechsel, 26 Autominuten entfernt ein Besuch im Schwanfelder Rathaus: Bürgermeisterin Lisa Krein nimmt im großen Sitzungssaal Platz. Die Aberkennung des Status Kleinzentrum für ihre Gemeinde macht ihr schon Sorgen. Sie sieht die Gefahr, dass Schwanfeld ohne den Zentralitätsstatus seine Infrastruktur nicht halten kann und letztlich abgehängt wird. Der Titel bringe zwar keine Fördermittel, auf ideeller Ebene spiele er durchaus aber eine Rolle. Die Bürgermeisterin will in Schwanfeld zwar kein Opernhaus bauen, aber weiteres Gewerbe ansiedeln. Für interessierte Firmen könne der Status deshalb schon eine Bedeutung haben.     

Unsere Infrastruktur ist außergewöhnlich"
Lisa Krein, Bürgermeisterin von Schwanfeld

Die Bürgermeisterin will nicht kampflos beigeben. "Die Realität ist nun mal, dass wir alles haben." Und sie listet auf: Einkaufsmarkt, Bäckerei, Apotheke, Hausarzt, Zahnarzt, Post, Bank, Praxen für Physiotherapie, Psychiatrie und Psychotherapie, Volkshochschule, Grundschule, Kindergarten, Gemeindebücherei, Energielehrpfad. Auch potentes Gewerbe ist vor Ort: Möbelhaus, Metallbau, Schreinerei, Natursteinwerk, Dachdecker, Reisebüro, Frisör. "Wir versorgen nicht nur unsere Bevölkerung mit Leistungen des qualifizierten Grundbedarfs", das Einzugsgebiet reiche bis nach Dipbach, Wipfeld und Waigolshausen.

Bürgermeisterin Lisa Krein schaut mit Sorge in die Zukunft. Die Aberkennung des Status 'zentraler Ort' für Schwanfeld macht es der Gemeinde schwer, ihre Infrastruktur zu erhalten beziehungsweise weiter auszubauen. Ein Zukunftsprojekt ist der Umbau der Alten Brauerei für Generationen übergreifendes Wohnen. 
Foto: Anand Anders | Bürgermeisterin Lisa Krein schaut mit Sorge in die Zukunft. Die Aberkennung des Status "zentraler Ort" für Schwanfeld macht es der Gemeinde schwer, ihre Infrastruktur zu erhalten beziehungsweise weiter auszubauen.

Diese Infrastruktur sei außergewöhnlich für einen so kleinen Ort wie Schwanfeld mit rund 1800 Einwohnerinnen und Einwohnern. "Das ist ein Alleinstellungsmerkmal", sagt die Bürgermeisterin und sieht Schwanfeld deshalb als "zentralen Ort für die umliegenden Gemeinden".

Kein gewachsener Mittelpunkt

Zurück nach Wasserlosen: Die Gemeinde ist von der Einwohnerzahl fast doppelt so groß wie Schwanfeld, liegt strategisch günstig an der Autobahn und hat trotzdem keine vergleichbare Infrastruktur. Woran liegt das? "Wir haben keinen gewachsenen Mittelpunkt", erklärt Bürgermeister Anton Gößmann. Der große Fehler wurde in seinen Augen bei der Gebietsreform 1978 gemacht, als acht Dörfer zusammengelegt wurden, "die alle in eine andere Richtung laufen". Davor gab es noch die Schulreform mit wieder anderem Schulsprengel. "Unsere Kinder lernen sich vielleicht mal auf einer weiterführenden Schule in Schweinfurt kennen", beschreibt Bürgermeister Gößmann die Situation vor Ort.

"Wir waren schon immer abgehängt"
Anton Gößmann, Bürgermeister von Wasserlosen 

Wasserlosen hat das Problem wie viele Flächengemeinden. Die acht Dörfer Brebersdorf, Burghausen, Greßthal, Kaisten, Rütschenhausen, Schwemmelsbach, Wasserlosen und Wülfershausen sind weit verstreut auf einer Fläche von 5200 Hektar. Mit 800 Einwohnerinnen und Einwohnern ist Wasserlosen der größte Ort, der Verwaltungssitz jedoch befindet sich im kleineren Greßthal. Die Grundschulkinder sind aufgeteilt auf drei verschiedene Schulen, zwei davon befinden sich im Nachbarlandkreis Main-Spessart. 

"Wir waren schon immer abgehängt", sagt Bürgermeister Anton Gößmann. Deshalb verliere die Gemeinde von Jahr zu Jahr auch an Einwohnerinnen und Einwohnern.

Schwanfeld setzt auf Innenentwicklung

Ganz anders die Situation in Schwanfeld: Die Gemeinde, ebenfalls zentral an der südlichen Landkreisgrenze Schweinfurts gelegen und an den Landkreis Würzburg angrenzend, ist bei der Gebietsreform 1972  selbstständig geblieben und seit 1980 auch Sitz der Verwaltungsgemeinschaft mit Wipfeld. "Ich habe zwar eine Mini-Verwaltung, aber die arbeitet super gut", sagt die Bürgermeisterin. Aktuell stehen der Neubau des Feuerwehrhauses und Bauhofs auf der Tagesordnung. 

Vor Ort gibt es eine Grundschule. Alle Schwanfelder Kinder werden hier unterrichtet. Derzeit sind es 160, plus eine Klasse der Lebenshilfe. "In Sachen Inklusion passiert bei uns schon unglaublich viel", betont die Bürgermeisterin. Der Kindergarten ist ausgebucht, 100 Kinder werden betreut. Mehr als 20 örtliche Vereine und Gruppierungen tragen außerdem zum Erhalt der dörflichen Gemeinschaft bei.

Der jüdische Friedhof von Schwanfeld ist ein bedeutendes Kultur- und Landschaftsdenkmal in der Region.
Foto: Anand Anders | Der jüdische Friedhof von Schwanfeld ist ein bedeutendes Kultur- und Landschaftsdenkmal in der Region.

Auch kulturell hat Schwanfeld einiges zu bieten. Das ehemalige, denkmalgeschützte Zisterzienser-Kloster Heiligenthal mit der ältesten Kirche des Landkreises Schweinfurt ist eine Sehenswürdigkeit, ebenso der imposante Judenfriedhof, der unter Naturschutz steht und mit über 2000 Gräbern auf zwei Hektar Fläche als bedeutendes Kultur- und Landschaftsdenkmal gilt. 2010 eröffnete die kleine Gemeinde ein Bandkeramik-Museum mit Artefakten der Bandkeramischen Kultur, die die erste archäologische Kultur des Neolithikums in Mitteleuropa darstellt. Die eigene ortsgeschichtliche Sammlung wird im Heimatmuseum ausgestellt. 

"Ich war begeistert, was es hier alles gibt", sagt Bürgermeisterin Lisa Krein. Die Hettstädterin war über ein Kandidaten-Casting bei den Kommunalwahlen 2020 ins Rathaus gekommen und hat in den zwei Jahren ihrer Amtszeit die Entwicklung Schwanfelds weiter vorangetrieben. 

Stromtrassenpläne blockieren neues Gewerbegebiet 

Auch Bürgermeister Anton Gößmann ist bestrebt, seine Gemeinde weiter zu entwickeln. Die Realisierung eines neuen Gewerbegebiets mit Supermarkt, Getränkemarkt, Drogerie, Tankstelle, zwölf E-Schnellladestationen und einem Fast-Food-Restaurant an der Autobahnauffahrt Richtung Würzburg wird aber blockiert von den Stromtrassenplänen. Der SuedLink soll oberhalb des Autobahnknotenpunkts vorbeiführen, weshalb sich der Netzbetreiber einen 1000 Meter breiten Korridor freihält. Die gemeindliche Planung muss deshalb hintanstehen.

Doch die Zeit drängt. "Wenn wir nicht zum Zug kommen, bevor das neue Landesentwicklungsprogramm in Kraft tritt, können wir gar nichts mehr entwickeln", meint Gößmann, weil zur Stärkung der Innenentwicklung dann Einrichtungen der Nahversorgung an der Autobahn nicht mehr genehmigungsfähig seien. 

Direkt an der A7-Abfahrt  Wasserlosen möchte die Gemeinde ein Gewerbegebiet mit Nahversorgung errichten. Die Stromtrassenpläne blockieren aber das Vorhaben.
Foto: Anand Anders | Direkt an der A7-Abfahrt Wasserlosen möchte die Gemeinde ein Gewerbegebiet mit Nahversorgung errichten. Die Stromtrassenpläne blockieren aber das Vorhaben.

Auch innerorts habe die Gemeinde versucht, Infrastruktur anzusiedeln. Ein in Wasserlosen geplanter Dorfladen sei aber am nötigen Kapital gescheitert. Interesse an einer Niederlassung hatte sogar mal die Norma bekundet, sich letztlich aber für Gerolzhofen entschieden. Oft scheitere die Ansiedlung von Gewerbe an der Topografie, verweist Gößmann auf die hügelige Landschaft, die Bauen kostspieliger macht. 

Zumindest junge Familien will man vor Ort halten. So entsteht gerade in Greßthal ein neues Baugebiet mit 16 Bauplätzen, ein weiteres mit zehn Bauplätzen wird im Herbst in Brebersdorf begonnen.   

Bürgerentscheid stoppte Neubaugebiet

In diesem Punkt ist Schwanfeld im Hintertreffen: Ein Neubaugebiet wird es nicht geben, die 13 am Ortsrand geplanten Bauplätze hat Ende vergangenen Jahres ein Bürgerentscheid vereitelt. "Es wäre ein Baustein im Konzept für die Weiterentwicklung der Gemeinde gewesen, um Infrastruktur zu erhalten", bedauert Bürgermeisterin Lisa Krein. Jetzt sei es Auftrag der Gemeinde, innerorts selbst Wohnraum zu schaffen.

Mit dem Umbau des gemeindlichen Vier-Seit-Hofes in der Hauptstraße ist bereits ein Pilotprojekt in der Pipeline. Interessante Visionen für Generationen übergreifendes Wohnen gibt es auch für die Alte Brauerei, das denkmalgeschützte Wahrzeichen Schwanfelds in Familienbesitz.

"Wir arbeiten uns an der Innenentwicklung ab", bedauert Bürgermeisterin Lisa Krein deshalb, dass Schwanfeld kein "zentraler Ort" mehr sein soll. "Dadurch wird es uns jetzt noch schwerer gemacht, unsere Infrastruktur zu erhalten."   

 
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