
Ein Schreiben an die Vorsitzende Richterin Claudia Guba sorgt an diesem Dienstagvormittag für Trubel im Prozess gegen den Kopf der Gemeinschaft "Go&Change". Dem 42-Jährigen wird vorgeworfen, im Mai 2023 eine Frau vergewaltigt, geschlagen und gewürgt zu haben. Auf ungewöhnlichem Weg erreicht das Landgericht Schweinfurt nun ein Brief des "Weißen Rings": Eine Vertreterin der Organisation, die Opfer von Straftaten berät, hatte tags zuvor einem Justizwachtmeister das Schreiben übergeben. Jetzt wird es im Gericht verlesen.
Der "Weiße Ring" schreibt, die Geschädigte habe gegenüber der Organisation erklärt, nun auf eine Nebenklage verzichten zu wollen. Als Studentin könne sie die vorläufigen Kosten von mehr als 14.000 Euro trotz der Unterstützung ihrer Eltern und des "Weißen Rings" nicht stemmen.
Anwälte von Kai K. und Staatsanwaltschaft hatte Brief des "Weißen Rings" nicht erreicht
Die Vertreter der Nebenklägerin, die Staatsanwaltschaft und die Verteidiger des angeklagten Kai K. haben vor dem elften Prozesstag von diesem Schreiben keine Kenntnis. Scharf kritisiert K.s Strafverteidiger Hubertus Werner das Gericht, weil das Fax ihn nicht erreichte: "Wir sind nicht im Neandertal." Die elektronische Akte sei in Schweinfurt noch nicht eingeführt, erklärt Richterin Claudia Guba. Die Organisation der Anwaltskanzlei liege nicht in ihrer Hand. "Diese schnippische Art können sie sich sparen", entgegnet Werner.
Zur Aufklärung beitragen kann schließlich Nebenklagevertreter Jürgen Zillikens. Er habe mit seiner Mandantin gesprochen. Die 30-Jährige wolle nicht aus der Nebenklage aussteigen. Welchen Zweck der "Weißen Ring" mit seinem Brief verfolgte - vor Gericht bleibt es an diesem Dienstag unklar.
Prozess-Unterbrechung: Verteidigung wälzt im Gericht Akten
Die Verteidigung bleibt alarmiert: Die Anwälte von Kai K. beantragten Einsicht in weitere Akten. Sie wollen ausschließen, dass sie von anderem Schriftverkehr ebenfalls keine Kenntnis erlangten. "Ich möchte Akteneinsicht und ich möchte sie jetzt!", geht Verteidiger Werner die Richterin an, weil sie Einsicht erst am Ende des Verhandlungstages gewähren will.
Für einige Minuten wird die Verhandlung unterbrochen. Die vier Anwälte des 42-Jährigen blätterten in den Ordnern. Dann wird der Prozess wie vorgesehen mit der Vernehmung von etlichen Zeuginnen und Zeugen fortgesetzt.
Zeugenaussagen zu Nebenklägerin: Von anderem Planeten gekommen, um Kai K. zu töten?
Geladen sind mehrere Mitglieder der Gemeinschaft aus Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt). Wie frühere Anhängerinnen und Anhänger des Mannes, der bei "Go&Change" den Status eines Gurus genießt, zeichnen sie alle ein düsteres Bild der mutmaßlich Geschädigten. Die 30-Jährige sage öfter als andere die Unwahrheit.
Den Bewohnerinnen und Bewohnern des früheren Klosters in Lülsfeld habe sie vor der mutmaßlichen Vergewaltigung im Mai 2023 erzählt - und vom Auftrag, die "Schattenfürstin des Klosters" zu werden. Einer Zeugin zufolge soll die 30-Jährige auch davon gesprochen haben, ein "außerirdisches Wesen zu sein". Auf ihrem Heimatplaneten würde in Büchern gelehrt, wie Kai K. vernichten werden kann. Das sei ihr Auftrag auf der Erde. "Wir sind offen für so etwas und sagen nicht: Das stimmt auf keinen Fall", sagt die Zeugin.
Über die Prozesstage hinweg fällt auf, dass Zeugenaussagen, die Kai K. entlasten und die Nebenklägern unglaubwürdig erscheinen lassen, sehr ähnlich klingen. Vieles bleibt dabei im Abstrakten, konkrete Beispiele für Fehlverhalten der 30-Jährigen können "Go&Change"-Anhänger im Zeugenstand auch auf Nachfragen kaum nennen. Immer wieder stellen sich geschilderte Begebenheiten nicht als selbst erlebt, sondern als Hörensagen heraus.
Das entgeht auch der Vorsitzenden Richterin nicht, wie sie durchblicken lässt: "Die Gemeinschaft darf gerne zusammenhalten", sagt Claudia Guba. Sie könne auch verstehen, dass man über die Aussagen vor Gericht spreche, wenn man zusammenwohne. Aber: "Ich bin immer etwas unglücklich, wenn sich Zeugen absprechen."
Ehemalige Bewohnerin: Angeklagter war "Bruder" und "Lehrer"
Am Montag hatte eine Frau ausgesagt, die mit der Gemeinschaft gebrochen hat. Sie habe fünfeinhalb Jahre in Lülsfeld gelebt, die erste Zeit sei sehr schön gewesen: "Wir kämpften für das Gute in der Welt." Sie habe den Angeklagten lange als "Vertrauensperson", "Bruder" und "Lehrer" angesehen. Doch die Spiegelung der Schatten, also das Aufarbeiten der gewaltvollen Seiten eines Menschen, sei immer rigoroser geworden und habe oft ganze Nächte gedauert. Sie habe positive Erinnerungen an die Gemeinschaft - doch im Jahr 2019 sei für sie "alles gekippt".
Der Prozess wird am Montag, 29. April, um 9 Uhr fortgesetzt.
Der Anwalt der Nebenklägerin widerspricht dem Inhalt dieses ominösen Briefs laut Berichterstattung der MP, richtig? Ist der Brief echt, also wirklich vom Weißen Ring? Falls ja, warum stellt sich der Weiße Ringe so seltsam an, diesen einem Justizwachtmeister zu übergeben? Was sagt der Weiße Ring dazu, dass der Anwalt der Nebenklage dem Brief widerspricht?
die Redaktion geht der Sache bereits nach.
Freundlicher Gruß
Christine Jeske
Ich freue mich, dass Sie sich offenbar jetzt der Sache angenommen haben und bin gespannt.
Es mutet doch wirklich sehr merkwürdig an, zumal der Weiße Ring keine Prozesspartei ist. (Die verläsen ja auch keinen Brief von mir in dem steht, dass die Nebenklägerin ihre Klage zurückziehen möchte ....)
Angelegentlich bitte ich, einen Blick auf meinen Kommentar zu werfen und -sollten Sie die Antwort ihres Jonas Keck ebenso verwunderlich finden- vielleicht dort etwas mehr Sorgfalt anzuregen. Mich hat das jedenfalls bestürzt.
Vielen Dank
Man erkläre mir bitte, wieso die Redaktion offenbar den Weißen Ring nicht zu einer Stellungnahme aufgefordert hat?
der Brief der Vertreterin des Weißen Rings wurde in der öffentlichen Verhandlung von der Vorsitzenden Richterin verlesen. Als solcher ist er auch Gegenstand der Berichterstattung dieser Redaktion – unabhängig davon, ob der Weiße Ring als Prozesspartei auftritt oder nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Jonas Keck
Was geht das die Öffentlichkeit an und was bezweckt die Richterin damit?
Mir ist auch beim besten Willen nicht klar, wie der Herr Keck meinen Kommentar derart missverstehen konnte.