
Der November beginnt mit einem Feiertag, bei dem das Gedenken an die Verstorbenen im Mittelpunkt steht: Allerheiligen. Einer, der sich tagtäglich mit dem Tod und trauernden Angehörigen beschäftigt, ist Max Michal. Der 28-Jährige ist Bestattermeister in Schweinfurt und leitet in sechster Generation zusammen mit seinen Eltern den Familienbetrieb. Im Interview spricht er über die Bedeutung der Feiertage, Veränderungen in der Branche und Humor auf der Arbeit.
Max Michal: Direkt mehr zu tun kann man nicht sagen. Das Sterben ist selten mit Feiertagen verbunden. Was wir aber schon merken, ist die verkürzte Arbeitswoche. Bestattungen finden bei uns werktags statt, und freitags ist oft der beliebteste Bestattungstag, weil die Familie von überall anreist.
Michal: Ich würde behaupten, die Bedeutung hat auf jeden Fall nachgelassen, weil natürlich auch der Kontakt zur Kirche nachlässt. Wobei das gar nicht unbedingt - zumindest in unserer Branche - mit der Kirche zu tun hat, sondern auch mit der Attraktivität der Friedhöfe. Der Friedhof an sich ist erst einmal nur dafür da, um Leute zu bestatten. Wenn er eine höhere Gewichtung hätte, Menschen ihn wie einen Park nutzen würden, weil er schön aussieht, dann würde er vielleicht nicht nur an Allerheiligen gut besucht sein. Hinzukommt, dass viele Angehörige nicht mehr vor Ort sind und nicht wegen eines Feiertages stundenlang hergefahren kommen.
Michal: Definitiv die Feuerbestattung. Sie macht 85 Prozent der Bestattungen aus.
Michal: Das hat sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt, würde ich behaupten. Hier vor Ort hat sich das in den letzten zehn Jahren so eingependelt, davor ist die Zahl massiv gestiegen.
Michal: Die Flexibilität zum Beispiel. Wenn die Familie nicht vor Ort ist, hat man einen ganz anderen Zeitspielraum. Man muss nicht so schnell eine Bestattung machen, wie es bei einer Erdbestattung der Fall ist. Da muss man innerhalb von acht Werktagen bestatten, bei der Feuerbestattung hat man bei uns in Bayern drei Monate Zeit. Und auch die Auswahl der Grabstätten spielt eine Rolle. Eine Erdgrabstelle für den Sarg hat immer eine relativ große Fläche, um die man sich kümmern muss, bei der Feuerbestattung ist das nicht so.

Michal: Wir machen möglich, was wir können. Was wir nicht umgehen können, sind rechtliche Vorgaben. Die Frage kommt immer wieder: Ob die Urne beigesetzt werden muss oder ob sie sie nicht daheim hinstellen können oder ob wir ein bisschen Asche abfüllen würden. Da müssen wir ganz klar sagen: Nein, das ist gesetzlich nicht erlaubt. Wir haben in Bayern ein Aschetrennungsverbot, sie darf nicht geteilt werden und sie muss beigesetzt werden.
Michal: Definitiv ja. Es ist umfangreicher geworden. Heutzutage ist, glaube ich, der Transport oder auch der Verkauf von Särgen und Urnen bei weitem nicht mehr unsere Kernkompetenz. Es ist die Dienstleistung drumherum. Auch der digitale Nachlass ist ein Thema.
Michal: Die Online-Accounts, die etwa auf den Smartphones bestehen, müssen aufgelöst werden. Da muss man erst einmal herausfinden, was der Verstorbene überhaupt für Accounts hatte. Die Entscheidung, einen Account löschen zu lassen, ist für viele Angehörige gar nicht so einfach. Gleiches gilt auch für digitale Bankkonten. So Themen werden uns in Zukunft öfter beschäftigen.
Michal: Es gibt schon Stücke, die Dauerbrenner der Friedhof-Playlist sind. Beispielsweise "Ave Maria", "Amoi seg' ma uns wieder" oder "Time to say goodbye". Weil es Stücke sind, die teilweise für diese Situationen geschrieben wurden.
Michal: Selbstverständlich. Lieder, bei denen auch die Trauergemeinde schmunzelt. Es kommt vor, dass man denkt, das kann man einfach nicht spielen, steht auf dem Friedhof, zieht die Schultern hoch, drückt "Play" und die Leute lachen, weil sie wissen, es passt zu dem Verstorbenen.
Michal: Gerade "Cordula Grün" oder "Weiß der Geier".
Michal: Locker ist es immer noch nicht. Das Thema zu einem lockeren Thema zu machen, das werden wir, glaube ich, in unserer Gesellschaft nur schwer hinbringen. Über den Tod wird wenig gesprochen.
Michal: Ich würde behaupten, wir haben alle Beerdigungen, die sich besonders einprägen. Auch ich habe eine Beerdigung, bei der sich mir die Nackenhaare stellen, wenn ich dran denke, weil es ein hartes Schicksal war.

Michal: Es kann immer noch die eine kommen, die einen einfach anders packt als die anderen. Wir dürfen natürlich nicht abgedroschen werden. Egal wie oft man das gemacht hat, man muss jedes Mal, wenn eine Familie hereinkommt, ihr das Gefühl geben, dass man in dem Moment nur für sie da ist. Und man muss die Distanz wahren für sich selbst. Es kann mal einen Fall geben, den ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen kann, aber wenn ich jeden Tag heimgehe und mit dem kämpfe, was ich tagsüber erlebt habe, dann würde mich das auf Dauer in dem Beruf kaputtmachen.
Michal: Eine bestimmte Art von Humor gibt es dafür nicht. Alleine wir hier im Team haben alle unseren eigenen Humor. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir wahrscheinlich viel mehr lachen auf der Arbeit, als andere denken. Manchmal kommt auch der Pfarrer und erzählt einen Witz. Oder wir sind auf einer Überführung, kommen aus dem Haus heraus, und irgendein neugieriger Nachbar ist schon halb mit seinem Kopf in unserem Auto verschwunden. Das sind Situationen, in denen man das Schmunzeln anfängt, wobei es aber auch ganz wichtig ist, Pietät zu bewahren.
Michal: Das kommt schon ab und zu mal vor, weil der Druck dahinter ist. Dann muss man sich im Zweifelsfall mal gesittet herumdrehen oder vielleicht irgendwo ums Eck gehen, zweimal tief durchatmen und dann geht es wieder weiter.
Michal: Es hat wieder zugenommen. Das hat mit der räumlichen Distanz zu tun, weil Angehörige vielleicht weit weg wohnen. Dann kommen sie zur Beerdigung und wollen den Verstorbenen nochmal sehen.
Michal: Manche brauchen das, ja. Manche schockiert aber allein der Gedanke, einen Verstorbenen zu sehen, zu sehr, dass sie das auf gar keinen Fall wollen. Und für manche ist es selbstverständlich, dass man die letzte Chance, einen Menschen noch einmal zu sehen, nutzt.
Michal: Nicht auf persönlicher Ebene, aber abhängig vom Verstorbenen. Es gibt Fälle, in denen wir von einer Abschiednahme abraten. Weil sich jemand zum Beispiel zu stark verändert hat. Wundversorgung und Rekonstruktion ist möglich, aber gegen bereits fortgeschrittene Verwesung haben wir keine Chance. Dann können wir nur unsere Empfehlung aussprechen.
Michal: Überhaupt nicht. Es steht ein gewisses Maß an Tradition dahinter sowie viele Riten und Bräuche, die fest in der Bevölkerung verankert sind. Die Branche lässt sich nicht so einfach revolutionieren. Es gibt aber tatsächlich eine revolutionäre Idee: die sogenannte Reerdigung.
Michal: Da geht es darum, dass Verstorbene in einen Kokon gebettet werden, mit allen möglichen Gräsern und Bio-Kulturen. Der wird für 40 Tage verschlossen. Und angeblich soll dann, wenn er geöffnet wird, nur noch Humus drin sein. Und die Knochen natürlich. Die Firma, die das anbietet, hat momentan ein Pilot-Projekt in Schleswig-Holstein. Das ist seit zwei Jahren ein heißes Eisen. Daran merkt man ja, wie langsam die Branche ist.
Michal: Wir bieten es noch nicht an, werden aber regelmäßig darauf angesprochen. Aber es ist natürlich so: Einen Verstorbenen irgendwo 40 Tage zu lagern, ist auch nicht ganz einfach.
Es gibt auch keinen Zwang, einen örtlichen Bestattungsunternehmer zu beauftragen.
Was kaum jemand weiß: Die meisten Verstöße gegen das (ohnehin durch die Spielräume der Bundesländer überall unterschiedliche) Bestattungsrecht gelten zwar als "Ordnungswidrigkeiten", sind aber nicht strafbewehrt.
Also: Keine Angst, wenn Opa seine Asche im Wengert, aufm Acker, im Wald oder im Main verstreut haben will: Es findet sich ein Weg.