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Schweinfurt
"Situationen, in denen man das Schmunzeln anfängt": Bestatter Max Michal über das Leben, den Tod und Trends der Branche
Der 28-Jährige ist Bestattermeister in Schweinfurt. Die Arbeit mit Angehörigen ist ein großer Teil seines Berufs. Bei manchen Wünschen stößt er an rechtliche Grenzen.
Max Michal ist Bestattermeister und führt in der sechsten Generation mit seinen Eltern den Familienbetrieb.
Foto: René Ruprecht | Max Michal ist Bestattermeister und führt in der sechsten Generation mit seinen Eltern den Familienbetrieb.
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 06.11.2024 02:40 Uhr

Der November beginnt mit einem Feiertag, bei dem das Gedenken an die Verstorbenen im Mittelpunkt steht: Allerheiligen. Einer, der sich tagtäglich mit dem Tod und trauernden Angehörigen beschäftigt, ist Max Michal. Der 28-Jährige ist Bestattermeister in Schweinfurt und leitet in sechster Generation zusammen mit seinen Eltern den Familienbetrieb. Im Interview spricht er über die Bedeutung der Feiertage, Veränderungen in der Branche und Humor auf der Arbeit.

Im November gibt es einige Gedenktage. Haben Sie mehr zu tun als sonst?

Max Michal: Direkt mehr zu tun kann man nicht sagen. Das Sterben ist selten mit Feiertagen verbunden. Was wir aber schon merken, ist die verkürzte Arbeitswoche. Bestattungen finden bei uns werktags statt, und freitags ist oft der beliebteste Bestattungstag, weil die Familie von überall anreist. 

Welche Bedeutung haben Feiertage wie Allerheiligen heute noch?

Michal: Ich würde behaupten, die Bedeutung hat auf jeden Fall nachgelassen, weil natürlich auch der Kontakt zur Kirche nachlässt. Wobei das gar nicht unbedingt - zumindest in unserer Branche - mit der Kirche zu tun hat, sondern auch mit der Attraktivität der Friedhöfe. Der Friedhof an sich ist erst einmal nur dafür da, um Leute zu bestatten. Wenn er eine höhere Gewichtung hätte, Menschen ihn wie einen Park nutzen würden, weil er schön aussieht, dann würde er vielleicht nicht nur an Allerheiligen gut besucht sein. Hinzukommt, dass viele Angehörige nicht mehr vor Ort sind und nicht wegen eines Feiertages stundenlang hergefahren kommen.

Welche ist die häufigste Bestattungsform bei Ihnen? 

Michal: Definitiv die Feuerbestattung. Sie macht 85 Prozent der Bestattungen aus. 

Hat sich das in den letzten Jahren erst so entwickelt?

Michal: Das hat sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt, würde ich behaupten. Hier vor Ort hat sich das in den letzten zehn Jahren so eingependelt, davor ist die Zahl massiv gestiegen.

Was sind die Gründe dafür?

Michal: Die Flexibilität zum Beispiel. Wenn die Familie nicht vor Ort ist, hat man einen ganz anderen Zeitspielraum. Man muss nicht so schnell eine Bestattung machen, wie es bei einer Erdbestattung der Fall ist. Da muss man innerhalb von acht Werktagen bestatten, bei der Feuerbestattung hat man bei uns in Bayern drei Monate Zeit. Und auch die Auswahl der Grabstätten spielt eine Rolle. Eine Erdgrabstelle für den Sarg hat immer eine relativ große Fläche, um die man sich kümmern muss, bei der Feuerbestattung ist das nicht so. 

Die Urnenbestattung ist die gefragteste Bestattungsform. Auch wenn Urnen immer außergewöhnlicher gestaltet sind, die Regeln für die Bestattung sind unverändert.
Foto: René Ruprecht | Die Urnenbestattung ist die gefragteste Bestattungsform. Auch wenn Urnen immer außergewöhnlicher gestaltet sind, die Regeln für die Bestattung sind unverändert.
Gibt es Wünsche von Kundinnen und Kunden, die Sie nicht erfüllen können?

Michal: Wir machen möglich, was wir können. Was wir nicht umgehen können, sind rechtliche Vorgaben. Die Frage kommt immer wieder: Ob die Urne beigesetzt werden muss oder ob sie sie nicht daheim hinstellen können oder ob wir ein bisschen Asche abfüllen würden. Da müssen wir ganz klar sagen: Nein, das ist gesetzlich nicht erlaubt. Wir haben in Bayern ein Aschetrennungsverbot, sie darf nicht geteilt werden und sie muss beigesetzt werden.

Ist die Kundschaft anspruchsvoller geworden?

Michal: Definitiv ja. Es ist umfangreicher geworden. Heutzutage ist, glaube ich, der Transport oder auch der Verkauf von Särgen und Urnen bei weitem nicht mehr unsere Kernkompetenz. Es ist die Dienstleistung drumherum. Auch der digitale Nachlass ist ein Thema.

Inwiefern?

Michal: Die Online-Accounts, die etwa auf den Smartphones bestehen, müssen aufgelöst werden. Da muss man erst einmal herausfinden, was der Verstorbene überhaupt für Accounts hatte. Die Entscheidung, einen Account löschen zu lassen, ist für viele Angehörige gar nicht so einfach. Gleiches gilt auch für digitale Bankkonten. So Themen werden uns in Zukunft öfter beschäftigen.

Welche Musikwünsche kommen häufig vor?

Michal: Es gibt schon Stücke, die Dauerbrenner der Friedhof-Playlist sind. Beispielsweise "Ave Maria", "Amoi seg' ma uns wieder" oder "Time to say goodbye". Weil es Stücke sind, die teilweise für diese Situationen geschrieben wurden.

Es gibt doch bestimmt auch das genaue Gegenteil – Lieder, die eigentlich gar nicht passen, oder?

Michal: Selbstverständlich. Lieder, bei denen auch die Trauergemeinde schmunzelt. Es kommt vor, dass man denkt, das kann man einfach nicht spielen, steht auf dem Friedhof, zieht die Schultern hoch, drückt "Play" und die Leute lachen, weil sie wissen, es passt zu dem Verstorbenen.

Haben Sie da ein Beispiel?

Michal: Gerade "Cordula Grün" oder "Weiß der Geier". 

Würden Sie sagen, dass das Thema dann eher lockerer geworden ist?

Michal: Locker ist es immer noch nicht. Das Thema zu einem lockeren Thema zu machen, das werden wir, glaube ich, in unserer Gesellschaft nur schwer hinbringen. Über den Tod wird wenig gesprochen.

Ist Ihnen eine Beerdigung besonders im Gedächtnis geblieben?

Michal: Ich würde behaupten, wir haben alle Beerdigungen, die sich besonders einprägen. Auch ich habe eine Beerdigung, bei der sich mir die Nackenhaare stellen, wenn ich dran denke, weil es ein hartes Schicksal war. 

Der würdevolle Umgang mit dem Tod ist Bestatter Max Michal aus Schweinfurt wichtig. Das geht bis ins letzte Detail - wie der Ausgestaltung des Leichenwagens.
Foto: René Ruprecht | Der würdevolle Umgang mit dem Tod ist Bestatter Max Michal aus Schweinfurt wichtig. Das geht bis ins letzte Detail - wie der Ausgestaltung des Leichenwagens.
Es ist zwar Ihr Job, damit professionell umzugehen, aber selbst, wenn man es tausendmal gemacht hat, kann immer noch die eine Bestattung kommen, die einem nahe geht?

Michal: Es kann immer noch die eine kommen, die einen einfach anders packt als die anderen. Wir dürfen natürlich nicht abgedroschen werden. Egal wie oft man das gemacht hat, man muss jedes Mal, wenn eine Familie hereinkommt, ihr das Gefühl geben, dass man in dem Moment nur für sie da ist. Und man muss die Distanz wahren für sich selbst. Es kann mal einen Fall geben, den ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen kann, aber wenn ich jeden Tag heimgehe und mit dem kämpfe, was ich tagsüber erlebt habe, dann würde mich das auf Dauer in dem Beruf kaputtmachen. 

Wenn man einen Job hat, in dem man jeden Tag mit Tod und Trauer zu tun hat: Was braucht man, um damit klarzukommen? Haben Sie eine bestimmte Art von Humor?

Michal: Eine bestimmte Art von Humor gibt es dafür nicht. Alleine wir hier im Team haben alle unseren eigenen Humor. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir wahrscheinlich viel mehr lachen auf der Arbeit, als andere denken. Manchmal kommt auch der Pfarrer und erzählt einen Witz. Oder wir sind auf einer Überführung, kommen aus dem Haus heraus, und irgendein neugieriger Nachbar ist schon halb mit seinem Kopf in unserem Auto verschwunden. Das sind Situationen, in denen man das Schmunzeln anfängt, wobei es aber auch ganz wichtig ist, Pietät zu bewahren.

Ich glaube, jeder war schon einmal in einer Situation, in der es sehr unangebracht war zu lachen, aber man trotzdem musste.

Michal: Das kommt schon ab und zu mal vor, weil der Druck dahinter ist. Dann muss man sich im Zweifelsfall mal gesittet herumdrehen oder vielleicht irgendwo ums Eck gehen, zweimal tief durchatmen und dann geht es wieder weiter.

Es gibt die Möglichkeit, Verstorbene nochmal zu sehen, bevor sie beerdigt werden. Wird das häufig nachgefragt?

Michal: Es hat wieder zugenommen. Das hat mit der räumlichen Distanz zu tun, weil Angehörige vielleicht weit weg wohnen. Dann kommen sie zur Beerdigung und wollen den Verstorbenen nochmal sehen. 

Hilft das manch einem zu realisieren, dass die Person wirklich gestorben ist?

Michal: Manche brauchen das, ja. Manche schockiert aber allein der Gedanke, einen Verstorbenen zu sehen, zu sehr, dass sie das auf gar keinen Fall wollen. Und für manche ist es selbstverständlich, dass man die letzte Chance, einen Menschen noch einmal zu sehen, nutzt.

Aber Sie geben keine Empfehlung ab?

Michal: Nicht auf persönlicher Ebene, aber abhängig vom Verstorbenen. Es gibt Fälle, in denen wir von einer Abschiednahme abraten. Weil sich jemand zum Beispiel zu stark verändert hat. Wundversorgung und Rekonstruktion ist möglich, aber gegen bereits fortgeschrittene Verwesung haben wir keine Chance. Dann können wir nur unsere Empfehlung aussprechen. 

Wie schnelllebig ist die Bestatter-Branche?

Michal: Überhaupt nicht. Es steht ein gewisses Maß an Tradition dahinter sowie viele Riten und Bräuche, die fest in der Bevölkerung verankert sind. Die Branche lässt sich nicht so einfach revolutionieren. Es gibt aber tatsächlich eine revolutionäre Idee: die sogenannte Reerdigung.

Was hat es damit auf sich?

Michal: Da geht es darum, dass Verstorbene in einen Kokon gebettet werden, mit allen möglichen Gräsern und Bio-Kulturen. Der wird für 40 Tage verschlossen. Und angeblich soll dann, wenn er geöffnet wird, nur noch Humus drin sein. Und die Knochen natürlich. Die Firma, die das anbietet, hat momentan ein Pilot-Projekt in Schleswig-Holstein. Das ist seit zwei Jahren ein heißes Eisen. Daran merkt man ja, wie langsam die Branche ist. 

Könnten Sie sich auch vorstellen, das hier anzubieten?

Michal: Wir bieten es noch nicht an, werden aber regelmäßig darauf angesprochen. Aber es ist natürlich so: Einen Verstorbenen irgendwo 40 Tage zu lagern, ist auch nicht ganz einfach. 

 
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  • Kai Hofstetter
    Urne zuhause? Asche entnehmen? Was den Umgang mit einer Urne und der darin enthaltenen Asche angeht, gibt es gibt viel mehr Möglichkeiten, als die bayerische Obrigkeit erlaubt. Stichwort z.B. "Schweizer Modell", einfach mal googeln!

    Es gibt auch keinen Zwang, einen örtlichen Bestattungsunternehmer zu beauftragen.

    Was kaum jemand weiß: Die meisten Verstöße gegen das (ohnehin durch die Spielräume der Bundesländer überall unterschiedliche) Bestattungsrecht gelten zwar als "Ordnungswidrigkeiten", sind aber nicht strafbewehrt.

    Also: Keine Angst, wenn Opa seine Asche im Wengert, aufm Acker, im Wald oder im Main verstreut haben will: Es findet sich ein Weg.
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  • Peter Lelowski
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  • Anton Müller
    Interessanter Einblick in eine mir völlig fremde Branche. Aber ja, irgendwann hat jeder damit zu tun. Respekt für die Arbeit der Bestattungsunternehmen!
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