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Schweinfurt
Würde trotz Einsamkeit: Zum zweiten Mal gab es in Schweinfurt eine Trauerfeier für Menschen ohne Angehörige
In stillem Gedenken nahmen die Anwesenden Abschied von 17 Verstorbenen. Wie die Idee entstanden ist und was sich Diakon Joachim Werb für die Zukunft wünscht.
Zum zweiten Mal fand in Schweinfurt eine Trauerfeier für Menschen ohne Angehörige in der Aussegnungshalle am Hauptfriedhof statt.
Foto: Lisa Marie Waschbusch | Zum zweiten Mal fand in Schweinfurt eine Trauerfeier für Menschen ohne Angehörige in der Aussegnungshalle am Hauptfriedhof statt.
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 30.10.2024 02:44 Uhr

Der "Sound of Silence", der Klang der Stille, er ist hörbar an diesem Oktobermorgen in der Aussegnungshalle auf dem Schweinfurter Hauptfriedhof. Nicht nur, wenn Sabine Boujong den Song von Simon & Garfunkel singt und die Diakone Johannes Hofmann und Joachim Werb sie dabei mit Gitarre und Keyboard begleiten. Die etwa 70 Menschen in den Reihen halten inne, manche sind sichtlich ergriffen. Sie sind gekommen, um denen zu gedenken, die sonst niemanden mehr hatten. 

Zum zweiten Mal organisierte die Stadtkirche eine Trauerfeier für Menschen ohne Angehörige. Zuvor hatte die Stadtkirche den Termin und die Namen in der Presse veröffentlicht. "Gut, dass Sie da sind", begrüßt Joachim Werb, Diakon der katholischen Stadtkirche, die Anwesenden. Beim ersten Mal vertrat Pfarrer Mulugeta Giragn Aga die Evangelische Kirche, dieses Mal ist es Pfarrer Christoph Rupprecht, der mit Werb die Trauerfeier abhält.

Den Verstorbenen Würde und Wert geben

17 Urnen stehen vorne, Kerzen brennen, Schüler haben Papierherzen gebastelt. 17 Namen, das Alter, mehr ist da nicht. "Wer waren diese Menschen?", fragt Werb. "Holen wir sie aus der Anonymität, um ihnen Würde und Wert zu geben." Dann lesen Werb und Rupprecht abwechselnd die Namen vor. Sie alle sind im vergangenen halben Jahr gestorben.

Renate Grötschel, 87 Jahre; Hedwig Gräf, 82 Jahre; Hildegard Zahl, 86 Jahre; Herbert Rudolph, 81 Jahre; Reza Ebrahimi, 28 Jahre; Carola Knop, 67 Jahre; Werner Kemner, 88 Jahre; Georg Kolb, 76 Jahre; Anette Seljimi, 55 Jahre; Werner Glaab, 85 Jahre; Gulahmad Taimouri, 26 Jahre; Sabine Warter, 60 Jahre; Rolf Endres, 81 Jahre; Udo Fischbuch, 63 Jahre; Svitlana Stashko, 61 Jahre; Erika Manolescu, 74 Jahre; Wolfgang Werner, 79 Jahre.

Diakon Joachim Werb hatte die Idee zur Trauerfeier für Menschen ohne Angehörige
Foto: Lisa Marie Waschbusch | Diakon Joachim Werb hatte die Idee zur Trauerfeier für Menschen ohne Angehörige

Werb versucht sich das Leben, die Kindheit der Verstorbenen auszumalen. Mochte Rolf Mathe und Physik? Hatte Renate Kinder? Und dann richtet er das Wort an die Verstorbenen selbst: "Was brachte euch Freude und was Schmerz?" Und über allem stehe die Frage: "Warum am Ende diese Einsamkeit?" Dieser letzte Weg nun, sagt Werb, "wir sind hier, um euch zu begleiten".

Alterseinsamkeit in Schweinfurt ein Problem

Die Initiative zu der Feier war von Werb selbst gekommen, seine Frau hatte im Fernsehen einen Beitrag aus Halle gesehen, wo so etwas längst zur Bestattungskultur gehört. Der Diakon wollte das auch für Schweinfurt, eine Stadt, "die ein Problem mit Alterseinsamkeit hat", sagt er. Die Stadtverwaltung habe bei der Idee gut mitgespielt, die Stadtkirche bekam die Namen, und auch Bestatter kooperieren.

Ein weiterer Auslöser: die "Würdelosigkeit des vorherigen Zustandes", sagt Werb. Bevor es die Trauerfeiern für Menschen ohne Angehörige gegeben habe, seien die Verstorbenen "satzungsgemäß unter die Erde gekommen". Werb spricht von einem "würdelosen Unterfangen". 

Am Ende der Feier kommen die Anwesenden nach vorne und legen ihre mitgebrachten Blumen ab. Viele machen Fotos, bleiben kurz stehen. Es läuft "Von guten Mächten wunderbar geborgen" von Siegfried Fietz. Wie es für die Verstorbenen jetzt weitergeht? "Die Urnen werden im Laufe der Woche beigesetzt", sagt Diakon Werb nach der Veranstaltung. Ohne Grabgang, ohne Segnung.

Werb wünscht sich eine extra Grabstätte

Aktuell beerdige man sie noch in anonymen Gräbern. Werb wünscht sich, dass sich dies zeitnah ändert. "Die Leute, die da waren, würden gerne wissen, wo die Menschen begraben sind. Aber es ist ein anonymes Grab, das darf man nicht veröffentlichen." Er sei mit der Friedhofsverwaltung im Gespräch. Im Rahmen der Friedhofsgestaltung könne er sich vorstellen, dass diese Menschen ohne Angehörige eine spezielle Grabstätte bekommen. "Das ist im Moment noch nicht möglich."

Da die Trauerfeier mit nicht unerheblich Kosten verbunden ist, freut sich die Stadtkirche über eine Spende unter IBAN: DE38 7509 0300 0003 0368 98, St. Anton, Stichwort "Trauerfeier Einsamkeit".

 
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Kommentare
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  • Günther Fuchsenberger
    Brisa: Es ist sehr schlimm ,so einsam zu sterben. Eine sehr gute Geste so eine Feier zu organisiren.
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  • Christof Bretscher
    Eine gute Geste. Noch besser, wenn schon zu Lebzeiten Kontakt zu den Verstorbenen bestand oder aus ihrer Vorgeschichte und Bekannten ein Bild von ihnen entstehen kann. Das hat Pfarrer Roland Breitenbach schon vor 30 und mehr Jahren immer wieder organisiert und mit der Trauerfeier für solche Menschen auch deren Bestattung durchgeführt. Friedhofsverwaltung, Stadt, Bestatter, Sponsoren, Bekannte und Vertreter/innen öffentlicher Stellen von Banken, Schule, Krankenhaus..waren involviert. Jetzt eine dauerhafte Plattform zu schaffen ist eine gute Sache.
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  • Ute Schlichting
    Ich kann das gar nicht glauben,keine Angehörige. Mit 26 Jahren. Irgendjemand hat man doch immer. Schrecklich.
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