Die Aussicht, selbst nach dem Tod noch dem Klima zu schaden, erscheint manchen Menschen eine Bürde. Ein Bestattungsunternehmen aus Berlin verspricht Hilfe mit einer neuen Form der Beisetzung, der "Reerdigung": Sie sei die "ökologische Alternative" zur Feuerbestattung. Doch der Bundesverband Deutscher Bestatter warnt davor, allen voran Präsident Ralf Michal aus Schweinfurt.
Worum geht es bei der Reerdigung und was spricht dagegen? Antworten auf zentrale Fragen.
Was geschieht bei einer Reerdigung?
Laut dem Berliner Unternehmen "Meine Erde" wird der Körper des Toten "sanft auf Stroh und Grünschnitt gebettet", für 40 Tage "in einem Kokon geborgen" und durch körpereigene Mikroorganismen zu "weicher, fruchtbarer Erde" umgewandelt. Auf der Erde könnten dann nach der Beisetzung in einem Friedhofsgrab beispielsweise die Lieblingsblumen des Verstorbenen wachsen. Weder Chemikalien noch Insekten würden zugesetzt, um den Leichnam in Humus umzuwandeln.
Von "Kompostierung" spricht der Bundesverband Deutscher Bestatter. Der Leichnam werde in einem geschlossenen Stahl- oder Kunststoffbehälter in einem mechanischen Verfahren innerhalb von sechs Wochen zersetzt. Die größeren Teile des Skeletts samt Schädel, die übrigbleiben, würden maschinell zerkleinert und die Überreste beigesetzt.
Wo ist die Reerdigung erlaubt?
In einigen Bundesstaaten der USA sind Reerdigungen erlaubt. In Deutschland hat Schleswig-Holstein als einziges Bundesland in einem Pilotprojekt die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen. Im Februar 2022 fand in Mölln die erste Reerdigung Europas statt.
Das bayerische Gesundheitsministerium hat im Oktober 2023 das Verfahren untersagt. Bayern erlaube die Beisetzung von Urnen an Wurzeln von Bäumen auf Naturfriedhöfen. Die beschleunigte Verwesung in einem Kompostierer werde es im Freistaat aber nicht geben, sagte Minister Klaus Holetschek (CSU).
Bislang gebe es bei ihm keine ernsthaften Nachfragen nach einer Reerdigung, sagt Matthias Liebler, Bestatter aus Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) und Vorsitzender des Bestatterverbandes Bayern. Auch von den Mitgliedsbetrieben des Verbandes sei ihm nichts bekannt.
Warum ist die Reerdigung umstritten?
Der Bundesverband Deutscher Bestatter, dem nach eigenen Angaben über 90 Prozent der Bestatter in Deutschland angehören, kritisiert die "Intransparenz" des Berliner Unternehmens. Präsident Ralf Michal sagt: "Zuallererst geht es um die Frage, was mit dem Körper eines verstorbenen Menschen geschieht. Dazu müssen Bestatterinnen und Bestatter zu 100 Prozent korrekte Auskünfte geben können."
Viele Fragen seien beim Pilotprojekt in Schleswig-Holstein noch offen. Bleibt die Würde des Verstorbenen gewahrt? Welche Substanzen werden verwendet? Welche Maschinen kommen zum Einsatz? Gibt es Risiken nach Öffnung des Behälters? Lassen sich noch Krankheitserreger an den Überresten feststellen? Was geschieht mit dem Schädel und größeren Knochenteilen?
Nach 16 Kompostierungen liege lediglich eine wissenschaftliche Untersuchung zu forensischen Aspekten vor. Untersucht worden seien nur Proben von zwei Verstorbenen. Die neue Bestattungsmethode müsse aus rechtsmedizinischer und auch ethischer Sicht viel breiter wissenschaftlich begleitet werden, fordert Michal.
Der Schweinfurter Bestatter sagt: "Sollte das Verfahren, dem Verstorbene dort ausgesetzt werden, tatsächlich das in der Patentanmeldung beschriebene sein, ist die Vereinbarkeit der Kompostierung mit Bestattungskultur und Bestattungsrecht in Deutschland dringend zu prüfen."
Ist die Reerdigung günstiger?
Laut dem Berliner Unternehmen kostet die alternative Bestattungsform 2900 Euro. Bei der Reerdigung fallen zwar keine Kosten für Sarg oder Urne an, doch die Kosten für Trauerfeier, Beisetzung und Grabgestaltung kommen noch hinzu.
Eine Reerdigung kann also teurer werden als eine normale Bestattung. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Bestatter betragen die Kosten für den Vorgang der Einäscherung etwa 300 Euro.
Wieviel CO2 wird durch eine Bestattung freigesetzt?
Wie viele Emissionen werden bei einer Reerdigung freigesetzt werden, ist eine der offenen Fragen. Bei Erd- und Feuerbestattungen fallen CO2-Emissionen an. Laut Bestatterverband emittiert 1 Kilogramm Holz etwa 1,48 Kilogramm CO2, sodass bei einem 35 Kilogramm schweren Holzsarg 64,4 Kilogramm CO2 freigesetzt werden. Ein Verstorbener mit einem Gewicht von 90 Kilo gibt 31,4 Kilogramm CO2 an die Umwelt ab.
Krematorien mit aktueller Technik setzen pro Einäscherung etwa 10,1 Kilo CO2 frei. In alten Anlagen im Einschichtbetrieb sind es bis zu 60,6 Kilogramm. Die Einäscherung eines 90 Kilogramm schweren Menschen im 35 Kilo-Holzsarg setzt also mindestens 105,9 Kilogramm CO2 frei.
Zum Vergleich: Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes liegt die CO2-Bilanz eines Bundesbürgers bei durchschnittlich 30 Kilogramm CO2 pro Tag. Im Jahr sind es fast elf Tonnen.
Was für ein Gedanke: "weiche, fruchtbare Erde"...
Jetzt machen wir uns Gedanken wie viel CO² ein Verstorbener freisetzt?
Kein Wunder, dass wir nichts mehr auf die Reihe bekommen!
Bestattungskultur wandelt sich und andere Kulturen haben auch eigene Sitten.
Man kann bei einer Erdbestattung anstatt eines Holzsarges genauso gut ein Brett und stabil gewebte Tücher verwenden, wenn bei diesem Thema schon die CO2-Bilanz im Zentrum der Betrachtung steht.
Eine einfache und schlichte Erdbestattung sollte auch nicht teuerer sein als die in Mode gekommene Einäscherung.
Und was spricht dagegen, in definierten Gebieten außerhalb herkömmlicher Friedhöfe mit ihren Satzungen und Ordnungen Erdbestattungen zu ermöglichen?
Jüdische Friedhöfe oder Islamische Gräber sind ohnehin bis zum jüngsten Tag angelegt, während nach deutschem christlichen Verständnis die Ewigkeit 25 Jahre dauert und danach die Ruhestätte neu, naja, vermietet wird.
Könnte man nicht auch überlegen, ob Flächenstillegungen oder Renaturierungsmaßnahmen nicht mit der Bestattungskultur verknüpft werden könnten?
R.I.P.