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Mainberg
Wie Originale aus Schloss Mainberg in alle Welt wanderten
Der Förderverein Schloss Mainberg konnte Teile eines Treppengeländers aus dem Schloss erwerben. Sie galten als verschwunden, bis sich der Besitzer im Rathaus meldete.
Diese elf Baluster zierten einst ein Treppengeländer im Schloss Mainberg. Sie stammen noch aus dem Besitz von Elinor von Opel, der ersten Ehefrau von Willy Sachs. Der Förderverein Schloss Mainberg hat sie erwerben können.
Foto: Anand Anders | Diese elf Baluster zierten einst ein Treppengeländer im Schloss Mainberg. Sie stammen noch aus dem Besitz von Elinor von Opel, der ersten Ehefrau von Willy Sachs.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:39 Uhr

Manchmal passiert Unerwartetes: Im Januar klingelte bei Bürgermeister Stefan Rottmann im Rathaus das Telefon. Ein betagter Herr aus dem Taunus meldete sich und bot ihm elf geschnitzte Baluster an, die einst ein Treppengeländer auf Schloss Mainberg geziert hatten. Er sei jetzt über 80 Jahre alt und wolle sie los werden, weil er ins Seniorenheim ziehe. Der Bürgermeister fackelte nicht lange und fuhr mit dem Mainberger Historiker Thomas Horling, der seit Jahrzehnten alles rund ums Schloss sammelt, in den Taunus. Tatsächlich standen in der Wohnung des Seniors elf originale Baluster aus dem Schloss. Jede Säule schmückt ein handgeschnitzter Kopf, auf dem der Handlauf befestigt war.  

"Für mich war das eine Sensation", sagt Thomas Horling, denn die Baluster stammen aus dem Besitz von Elinor von Opel, der ersten Ehefrau von Willy Sachs, also aus den 1930er-Jahren. "Ich hätte nicht gedacht, dass davon noch etwas existiert", freut sich der 2. Vorsitzende des Fördervereins Schloss Mainberg , dass er die Erinnungsstücke für den Verein erwerben konnte. Dieser hat es sich nämlich zur Aufgabe gemacht, bedeutsame Einrichtungsgegenstände aus dem Schloss aufzuspüren und zurückzuholen. Viel Wertvolles ist bei einer Auktion 1960 versteigert worden oder hat schon Jahre zuvor durch die Besitzerwechsel das Schloss verlassen. So wie die elf Baluster. Doch wie kamen sie in den Taunus? 

Treppengeländer mit den geschnitzten Köpfen gehörte zur Aussteuer von Elinor von Opel

Handgeschnitzte Köpfe zieren die Baluster.
Foto: Anand Anders | Handgeschnitzte Köpfe zieren die Baluster.
Handgeschnitzte Köpfe zieren die Baluster.
Foto: Anand Anders | Handgeschnitzte Köpfe zieren die Baluster.
Handgeschnitzte Köpfe zieren die Baluster.
Foto: Anand Anders | Handgeschnitzte Köpfe zieren die Baluster.

Wir schreiben das Jahr 1925. Elinor von Opel, Enkelin des Opel-Firmengründers Adam Opel, heiratet 17-jährig den Schweinfurter Industriellen Willy Sachs – die beiden Väter waren Freunde – und zieht mit ihm auf das vom Schwiegervater 1915 erworbene Schloss Mainberg. Die Ehe ist nur von kurzer Dauer, wird schon 1935 wieder geschieden. Wegen des Sorgerechts um die gemeinsamen Söhne Ernst Wilhelm und Gunter erwächst ein erbitterter Streit, der darin gipfelt, dass Elinor alles aus dem Schloss mitnimmt, was sie in die Ehe mitgebracht hat. Ihr Vater hatte ihr zur Hochzeit Mobiliar statt Geld als Aussteuer mitgegeben. Da gab's eine Menge auszuräumen. Willy Sachs musste danach die Wohnung im ersten Stock komplett neu einrichten. Mutter Martha und ein Rechtsanwalt der Familie Sachs sollen damals durch alle Räume gegangen sein und entschieden haben, wem was gehört. "Das wurde sogar schriftlich dokumentiert", verweist Thomas Horling auf ein entsprechendes Protokoll im Staatsarchiv Würzburg. Das Treppengeländer mit den geschnitzten Köpfen auf den Holz-Säulen gehörte demnach zur Aussteuer von Elinor von Opel, wurde also ausgebaut. Auch ihr Schlafzimmer aus Weißlack im Stil von Louis-seize soll sie mitgenommen und über 50 Jahre in der Schweiz aufbewahrt haben, wo sie nach ihrer Scheidung lebte und 1963 den Schweinfurter Kaufmann Carlo Kirchner heiratete. Ein Etikett am Säulenfuß belegt, dass die Baluster zu dieser Zeit noch in ihrem Besitz waren. Darauf ist nämlich der Name "Kirchner-von Opel" vermerkt. Der zweite Gatte verstarb 1979 in Königsstein im Taunus. Und dorthin sind die Baluster schließlich gekommen, als Elinor von Opel sie ihrem Privatsekretär vermachte, der in den 1980er- und 1990er Jahren bei ihr beschäftigt war. Ihm hatte sie noch ein weiteres wertvolles Erbe aus Schloss Mainberg geschenkt: die Figurengruppe "Fünf Stände". Doch die hat der betagte Herr im Hinblick auf seinen Umzug ins Seniorenheim bereits im vergangenen Herbst im Auktionshaus Henrys in Mutterstadt versteigern lassen. "Schade", meint Thomas Horling. Er kennt dank Fotoaufnahmen sogar den Platz im Schloss, an dem die Figuren einst standen. Der Käufer ist inzwischen informiert, dass der Förderverein Interesse an einem Erwerb hat. "Vielleicht kommen sie ja irgendwann wieder mal nach Schloss Mainberg zurück", wünscht sich der Historiker.

Diesen Kronleuchter mit dem Sagenhelden Siegfried hat die Kreissparkassenstiftung Schweinfurt 2013 erworben und bewahrt ihn für den Förderverein im Sachs-Museum auf.
Foto: Martina Müller | Diesen Kronleuchter mit dem Sagenhelden Siegfried hat die Kreissparkassenstiftung Schweinfurt 2013 erworben und bewahrt ihn für den Förderverein im Sachs-Museum auf.
Siegfried bekämpft das Fabelwesen.
Foto: Martina Müller | Siegfried bekämpft das Fabelwesen.

Auch ein Kronleuchter aus dem Herrenzimmer befindet sich im Besitz des Fördervereins. Das von Bildhauer Max Heilmaier entworfene Prunkstück, das der Mitbegründer der Schweinfurter Kugellagerindustrie, Engelbert Fries, 1916 für den Industriellen Sachs fertigen ließ, zeigt den Sagenhelden Siegfried, wie er sich anschickt, ein Mischwesen mit den Köpfen des gallischen Hahns, der englischen Bulldogge und des russischen Bären zu erschlagen.Der Kronleuchter gehörte zu der Versteigerungsmasse, die das Finanzamt 1960 bei einer Auktion in Nürnberg anbot, um aus dem Erlös die Steuerschulden des damaligen Schlossbesitzers Wilhelm Heger zu begleichen. Der Haarwasserfabrikant war pleite gegangen und wegen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Der Sulzheimer Förster soll den Kronleuchter seinerzeit ersteigert haben. Er hing zuletzt in einer Altstadtwohnung in Regensburg. Die Stiftung der Kreissparkasse Schweinfurt hat ihn 2013 zurückgekauft und bewahrt ihn für den Förderverein im Sachs-Museum auf.

"Die Auktion von 1960 war ein großer Verlust für das Schloss."
Historiker Thomas Horling

Das Schlafzimmer von Ernst und Betty Sachs kam damals genauso unter den Hammer wie ein Billardtisch und die Jugendstil-Stühle aus dem Herrenzimmer oder die Figuren aus dem Empfangsraum. Auch Gemälde und Steinkrüge aus dem Besitz von Sammler Willy Sachs waren im Versteigerungskatalog aufgelistet. Sogar die Glasfenster vom Erker des Fürstenzimmers und die aus dem Jagdzimmer wurden ausgebaut und zu Geld gemacht. Der Tisch aus dem Esszimmer von Willy Sachs steht laut Thomas Horling heute im Mainberger Gasthaus Zum Schwarzen Adler, ein Fassboden mit dem geschnitzten Halbprofil des Fabrikanten Wilhelm Höpflinger sei im Weingut Schuler in Obereisenheim zu bewundern. Und den fast 100 Jahre alten Billardtisch aus Sachs' Herrenzimmer hat Horling in Gerolzhofen entdeckt. "Manches taucht mitunter auch bei Ebay wieder auf." So wie das "Lüsterweibchen", ein Leuchter mit der Figur der Jagdgöttin Diana, der im Verbindungsgang zu den Privatgemächern von Willy Sachs hing.  

"Die Auktion war ein großer Verlust für das Schloss", sagt Thomas Horling. Der Staat habe dadurch ein einzigartiges Denkmal um seine Kunstschätze beraubt. Nur die religiösen Gegenstände des Schlosses blieben bei der Versteigerung außen vor, wurden zum Teil aber auch verkauft. So erwarb die katholische Kirche Nürnberg den Altar aus der Schlosskapelle, an dem Playboy Gunter Sachs getauft wurde. Er steht heute in der Kirche St. Klara in der Nürnberger Altstadt. In der Mainberger Schlosskapelle klafft an seiner Stelle eine Lücke.

Doch zurück zu den Baluster: Bürgermeister Stefan Rottmann und Stefan Horling packten sie im Taunus in den Kofferraum und fuhren die wertvolle Fracht nach Schonungen. Jetzt lagern sie erst einmal im Gemeindearchiv. Ziel des Fördervereins ist es aber, die verlorenen und wieder gefundenen Einrichtungsgegenstände an ihren Originalplatz zurückzubringen.

Schloss Mainberg
Geschichte: Schloss Mainberg blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. 1245 erstmals urkundlich erwähnt, gehörte es einst den Hennebergern, später den Fürstbischöfen von Würzburg. Im 19. Jahrhundert wurde es Zentrum bayerischen Wirtschaftslebens: Zuerst kaufte Fabrikant Wilhelm Sattler das heruntergekommene Schloss und ließ die Räume im altdeutsch-gotischen bzw. im Renaissance-Stil renovieren. Nach Sattler residierte die Familie Sachs im Mainberger Schloss, danach der Haarwasserfabrikant Wilhelm Heger. Nach dessen Pleite endete die Blütezeit, der Fiskus ließ 1960 das Inventar versteigern. Die Stadt Schweinfurt übernahm das Schloss, stieß es 20 Jahre später aber wieder ab. Heute ist das Schloss wieder in Privatbesitz und weist eine Reihe großer Schäden auf, die den Bestand gefährden. Um es vor dem Verfall zu bewahren, wurden Steuergelder investiert. Weitere werden nötig sein. 2018 hat sich deshalb ein Förderverein Schloss Mainberg gegründet, der bei der Entwicklung eines tragfähigen Konzeptes für die Zukunftssicherung des Schlosses mitarbeiten will.
 
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Kommentare
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  • E. B.
    Unglaublich, dass doch noch einige Ausstattungsgegenstände da sind. Ich würde mir wünschen, dass alles wieder zurückkommen würde.
    Und großen Dank dem Herrn Horling, der sich so dafür einsetzt. Tolle Aktion, vom Bürgermeister und ihm - weiter so!
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