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SCHONUNGEN
Wie der Erste Weltkrieg Einzug auf Schloss Mainberg hielt
Ernst Sachs machte mit Waffen gigantische Gewinne, kaufte davon Schloss Mainberg und baute es zu einem vaterländischen Propagandatempel um.
Denkmalpfleger: Martin Brandl hat das Ausstattungsprogramm von Ernst Sachs für Schloss Mainberg genau untersucht.
| Denkmalpfleger: Martin Brandl hat das Ausstattungsprogramm von Ernst Sachs für Schloss Mainberg genau untersucht.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 17.06.2016 13:39 Uhr

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, ahnte niemand, dass der vermeintliche Befreiungsschlag in ein entsetzliches, sinnloses Gemetzel ausarten würde, an dessen Ende eine demütigende Niederlage, das Ende des Kaiserreichs und der „Schandfriede“ von Versailles stehen würden. Der Heimatkundliche Arbeitskreis Schonungen hat in der am Sonntag zu Ende gegangenen Ausstellung „Heimatfront und Schützengraben“ in der Alten Kirche die anfängliche Kriegseuphorie ebenso dokumentiert wie den katastrophalen Fortgang des Krieges und seine Folgen für die Menschen.

Martin Brandl vom Landesamt für Denkmalpflege beleuchtete am Freitag mit seinem Vortrag „Wie der Erste Weltkrieg Einzug auf Schloss Mainberg hielt – der Patriot Ernst Sachs und die Innenausstattung seines Wohnsitzes“ einen aus heutiger Sicht reichlich kuriosen Aspekt der Kriegsbegeisterung: Die einstigen Repräsentationsräume sind das letzte erhaltene Zeugnis privater Kriegspropaganda. Brandl: „Dieses Schloss ist doch etwas merkwürdig.“ Inschriften, Raumausstattung, Wandgemälde und Bauplastik gehorchen einem einheitlichen Programm: der Verherrlichung des Krieges und der Verunglimpfung der Kriegsgegner des Reichs.

Für Ernst Sachs (1867–1932), den aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden, nunmehr höchst erfolgreichen Industriellen, dessen Konzern dank Freilaufnabe bereits Anfang des 20. Jahrhunderts ein Global Player war, brachte der Krieg außerordentlich hohe Gewinne: Sachs hatte sofort die Produktion auf Waffen und Geschosse umgestellt. Die Folge war ein Geldregen, mit dem er schon im Herbst 1915 Schloss Mainberg kaufte.

Mit seiner vaterländischen Begeisterung stand er nicht alleine da: Niemand stellte den Krieg als notwendiges Mittel infrage. „Der Erste Weltkrieg war der erste Medienkrieg“, sagt Martin Brandl. „Nie zuvor wurden Schrift, Bild, Fotografie und Film in diesem Umfang zu Propagandazwecken eingesetzt.“ Dazu kamen Plakate, Karikaturen und Flugblätter. Ernst Sachs schloss sich an: In den Jahren 1916 bis 1918 ließ er das zweite Geschoss des Schlosses von dem Münchner Architekten und Bauunternehmer Franz Rank zu einem Propagandatempel umbauen.

Rank, der vor allem im sogenannten Heimatstil gebaut hatte, ging offensichtlich ganz im Thema auf. In einem Brief bezeichnet er die Arbeiten auf Schloss Mainberg als „lustiges Unterfangen“. Der Architekt machte die ganz auf den konservativen Geschmack des Auftraggebers zugeschnittenen Vorschläge, Sachs nickte ab. Das Raumprogramm folgte der für großbürgerliche Unternehmervillen typischen Einteilung: Es gab Repräsentationsräume wie Ritter- und Speisesaal, Damen- und Herrenzimmer und den rein privaten Bereich mit Bad und Schlafräumen. Rank wählte neben modernen Elementen – passend zum Ort und zu Sachs' Adelssehnsucht – historisierende Stile wie Gotik oder dürerzeitliche Renaissance.

Die kriegerischen Anspielungen sind geschickt integriert. Ein Kaminaufsatz in der Diele gibt das Leitmotiv vor, wie Martin Brandl sagt: Unter dem Allianzwappen von Ernst und Betty Sachs steht über der Jahreszahl 1917 „Im Krieg gebaut, auf Sieg vertraut“. An anderer Stelle heißt es „Durch Kampf zum Sieg“. Der Spruch, Titel eines Marsches aus der Kaiserzeit, passte ebenso wie die Parole „Es kann das Reich nicht untergehen, wenn alle treu zusammenstehen“ oder das von König Ludwig III. geprägte, aus dem Mittelalter stammende geflügelte Wort „Viel Feind, viel Ehr“. Viel Feind jedenfalls traf zu, eine Karikatur von niemand geringerem als Olaf Gulbransson im „Simplicissimus“ zeigt einen deutschen Soldaten, der die sieben Feinde des Reichs aufspießt: Belgien, England, Japan, Montenegro, Serbien, Russland und Frankreich.

Rank beauftragte durchaus namhafte Künstler. So schuf der Bildhauer Max Heilmaier, ironischerweise bekannt für den Münchner Friedensengel, das Marmorfries am Kamin in der Halle, das den Heiligen Georg als Drachentöter zeigt. Die vier Radleuchter im Rittersaal feiern den Viererbund aus Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und Türkei. Neben typischen Kriegerköpfen – der Deutsche mit Stahlhelm, der Türke mit Fez – stehen Sinnsprüche von nicht immer literarischer Qualität. Etwa: „Ich bin ein Krieger der Türkei / Allah ist mein Feldgeschrei'“.

Der von Heilmaier entworfene Kronleuchter aus dem Herrenzimmer, kürzlich von der Sparkasse Schweinfurt auf dem Kunstmarkt sozusagen zurückgekauft und eines der Prunkstücke der Ausstellung, begnügt sich mit der Verunglimpfung von nur drei Feinden: Siegfried schickt sich an, ein Mischwesen mit den Köpfen des gallischen Hahns, der englischen Bulldogge und des russischen Bären zu erschlagen.

 
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