Schloss Mainberg bei Schweinfurt ist steingewordene bayerische Geschichte. Über acht Jahrhunderte kamen und gingen die Eigentümer. Bauten an und um, passten die Gebäude ihren Bedürfnissen an und hinterließen so – mehr oder weniger – dauerhaft ihre Spuren. Mainberg, 1245 erstmals urkundlich erwähnt, war Trutzburg eines längst vergessenen Adelsgeschlechts, fürstliche Residenz der Henneberger, vernachlässigter Verwaltungssitz des Hochstifts Würzburg, Produktionsstätte des frühindustriellen Pioniers Wilhelm Sattler und schließlich repräsentative Villa der schwerreichen und adelsverliebten Fabrikantenfamilie Sachs.
Doch Mainberg ist nicht nur historisch, sondern auch kunsthistorisch bedeutend. Es ist – neben den Königsschlössern – eines der letzten Beispiele für den sogenannten Bayerischen Historismus, einen Bau- und Ausstattungsstil, über den die Geschichte vielerorts längst hinweggegangen ist. Im Auftrag von Ernst Sachs gestaltete der Münchner Architekt Franz Rank noch während des Ersten Weltkriegs die Wohn- und Repräsentationsräume der Familie prunkvoll in mittelalterlicher oder neugotischer Manier. Eine Inschrift in einem Kaminaufsatz kündet bis heute davon: „Im Krieg gebaut, auf Sieg vertraut, 1917“.
Was man dem Schloss mit den charakteristischen drei Giebeln hoch über dem Main von außen nicht ansieht, ist seine Größe: In Mainfranken ist nur die Festung Marienberg größer.
Was man ihm, zumindest aus der Nähe, durchaus ansieht, ist seine Baufälligkeit . Blätternder Putz, Risse im Mauwerk, unterhalb der Vorburg ist seit Jahren ein größerer Bereich abgesperrt – Einsturzgefahr.Schon 1964 Thema in der Zeitung
Schloss Mainberg ist seit Jahrzehnten baufällig, möglicherweise seit Jahrhunderten. 1964, damals gehörte das Schloss der Stadt Schweinfurt, berichtete das Schweinfurter Tagblatt über die vielen Unsicherheiten, die einer Nutzung des Schlosses im Wege standen: „Dazu kommen dann die noch nicht ermittelten Kosten für die Sanierung des Luftschutzstollens unter dem Schlossberg, dessen Einsturz Risse im Schlossgemäuer zur Folge hatte.
Der Schlosswächter musste aus Sicherheitsgründen seine Wohnung innerhalb des Schlosses verlassen und in einen Bau außerhalb umziehen. Die Herrichtung des Stollens und die Reparatur des Schadens dürfte eine sehr aufwendige Sache werden.“
Wie baufällig und damit gefährdet Schloss Mainberg tatsächlich ist, das weiß im Moment noch niemand. Das soll sich nun ändern. Seit dem Frühjahr laufen nach mehrjährigen Verhandlungen und Vorbereitungen nun endlich sogenannte Voruntersuchungen, die Klarheit über alle Schäden und deren Ursachen bringen sollen.
Im Oktober 2013 hatte das Landesamt für Denkmalpflege das Würzburger Architekturbüro Staib und Wiener – heute Architekturbüro Staib – beauftragt, einen Kostenvoranschlag für diese Voruntersuchungen zu erstellen. Gut ein Jahr später kam die Nachricht, dass das Landesamt via Kultusministerium diese Voruntersuchungen in voller Höhe und bis zu 200 000 Euro aus dem Entschädigungsfonds finanzieren wird. An dieser Finanzierung waren bislang alle Versuche gescheitert, einen Prozess pro Mainberg in Gang zu setzen.
Eine Förderung in voller Höhe ist bei einem Objekt in Privatbesitz nicht üblich, das bayerische Denkmalschutzgesetz erlaubt sie aber als „unmittelbare Maßnahme“ bei besonders bedeutenden Objekten.
Fragen, die noch niemand gestellt hat
Schloss Mainberg ist ein solches, da sind sich Denkmalpflege und Politik einig. Seit dem Frühjahr laufen nun also die Voruntersuchungen. Neben einer genauen Schadenserfassung sollen sie auch zu Vorschlägen führen, was zu tun ist, um den Erhalt des Gebäudes zu sichern. Denn vorerst geht es nur um eine Sicherung des Denkmals, über Sanierung geschweige denn künftige Nutzung redet noch niemand.
Obwohl man sich im Landratsamt Schweinfurt, das als Untere Denkmalschutzbehörde für das Schloss zuständig ist, hin und wieder gestattet, ein wenig zu träumen. Christian Frank, Leiter der Abteilung Umwelt und Bau, und Bauamtsleiter Thomas Zweiböhmer können sich das Schloss durchaus in staatlicher Obhut vorstellen, vielleicht sogar als Außenstelle des Fränkischen Landesmuseums, an der 800 Jahre bayerischer Geschichte vom Mittelalter bis zur Industrialisierung sichtbar gemacht werden können.
Doch jetzt geht es um die allerersten Schritte. Der Architekt Friedrich Staib, spezialisiert auf historische Bausubstanz, hat zunächst eine Bestandsaufnahme all dessen gemacht, was bislang zum Thema Mainberg gesagt und geschrieben wurde. „Da wurde unheimlich viel durcheinandergeredet. Ich habe mir jede These zu Gemüte geführt.“ Immer wieder ist etwa von instabilem Untergrund die Rede, zurückzuführen auf Stollen, die im Zweiten Weltkrieg in den Berg getrieben wurden. Der damalige Landrat Harald Leitherer hatte 2011 gar verkündet, die Vorburg, der äußere Gebäudering unterhalb der eigentlichen Burg, sei „unrettbar verloren“.
Friedrich Staib hält sich mit jeder Form von Prognose ausdrücklich zurück. Erst will er den Patienten selbst kennenlernen, ihm „unter die Haut schauen“. Außerdem interessieren ihn grundlegende, bislang nie gestellte Fragen wie diese: „Ich will wissen, wie hier das Wasser abläuft, wenn es regnet.“ Eine Mitarbeiterin hat ihr Büro im Schloss eingerichtet, hinzu kommen weitere Experten wie Bodenspezialisten, Fachstatiker und Restauratoren. Derzeit arbeitet Staib daran, die alten Lagepläne, das Urkathaster, das um 1830 entstand, auf den neuesten Stand zu bringen.
So werden die Innenräume teilweise mit Lasertechnik vermessen. Risse, Verformungen, Setzungen vom Dachstuhl bis hinunter zur Transmissionsschicht, die Unterkante der Fundamente, werden erfasst und analysiert.
Nicht jede Verformung ist ein Schaden
Nicht jede Verformung muss auf einen Schaden hindeuten, nicht jeder Schaden auf ein Problem im Berg. „Eine Vielzahl von Ursachen ist direkt auf's Gebäude zu beziehen“, sagt Staib und meint damit die vielen Um- und Einbauten über die Jahrhunderte. Im Mittelalter und in der Renaissance sei sehr solide gebaut worden, nicht so ab dem Barock. Die entscheidenden Umbauten aber fanden unter Sachs statt. Da wurden etwa Wände auf Decken eingezogen, unter denen es keine weitere Gründung gibt. Traten Schäden auf, behob man nicht etwa deren Ursache, sondern zog weitere Bauteile ein, die dann ihrerseits wieder Schäden nach sich zogen. „Das denkmalpflegerische Instrumentarium, das wir heute benutzen, ist erst etwa 30 Jahre alt, sagt Staib.
Zehn bis 15 Prozent der Untersuchungen sind bislang abgeschlossen, schätzt der Architekt. „Wir wissen heute schon mehr, als alle, die irgendwelchen Quatsch verzapft haben. Weil wir wissen, wo wir hinschauen müssen.“
Schloss Mainberg – Schauplatz von 800 Jahren Geschichte
Erstmals urkundlich erwähnt wird die Zwingburg 1245, sie war als Konkurrenzbau zur Peterstirn in Schweinfurt errichtet worden. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts nahmen die Grafen von Henneberg das Schloss unter ihre Verwaltung. Gräfin Margarete von Henneberg (1450–1509) baute Mainberg zum repräsentativen Witwensitz aus und gab ihm das heutige Erscheinungsbild.
Der Fürstbischof von Würzburg kaufte Mainberg 1542. 1631 war das Schloss die Kulisse für das Martyrium von Liborius Wagner, der von protestantischen Soldaten zu Tode gefoltert wurde, weil er dem katholischen Glauben nicht abschwören wollte. Wagners Leichnam fand von 1636 bis 1637 eine vorübergehende Ruhestätte in der Schlosskapelle. Liborius Wagner wurde 1974 von Papst Paul VI. seliggesprochen.
1822 kaufte der Fabrikant Wilhelm Sattler das verfallene Schloss und ließ die Räume in altdeutsch-gotischer beziehungsweise Renaissance-Manier herrichten. Einen Teil des Schlosses nutzte er als Tapeten-Fabrik. Sattler und seine Frau Catharina waren bedeutende Kunstsammler und trugen maßgeblich zur Wiederentdeckung des Genies von Tilman Riemenschneider bei.
Zu einer „Freistatt persönlichen Lebens" machte Johannes Müller 1903 bis 1914 das Schloss. Müller gründete 1916 Schloss Elmau.
Der Fabrikant Ernst Sachs erwarb Mainberg 1915 und ließ es in den folgenden Jahren als prunkvolle Industriellenvilla modernisieren. Später lebte sein Sohn Willy Sachs im Schloss, seine Söhne Ernst Wilhelm (1929–1977) und Gunter (1932–2011) wurden hier geboren.
Der „Glatzenkönig“ Wilhelm Heger übernahm Mainberg . Heger versprach Abhilfe bei Kahlköpfigkeit und landete im Gefängnis. 1962 kaufte die Stadt Schweinfurt das Schloss, 1982 ging es an den Geschäftsmann Gerhard Eichhorn, der große Teile sanierte. Nach Eichhorns Tod 1999 fiel Mainberg an eine Erbengemeinschaft, die es 2005 an eine Investorengruppe weiterverkaufte. Seit 2008 ist Renate Ludwig alleinige Eigentümerin.
Neben den Königsschlössern ist Schloss Mainberg eines der letzten Beispiele für den sogenannten Bayerischen Historismus. Alles, was man über Schloss Mainberg wissen kann, steht im Buch „Fürsten & Industrielle – Schloss Mainberg in acht Jahrhunderten“, herausgegeben von Thomas Horling und Uwe Müller (Mainfränkische Studien, Band 80). maw