Die Großwetterlage ist derzeit für alle gleich – mit Klimawandel, Krieg und der großen Energiefrage. Je nach Partei fühlt sie sich aber ein wenig anders an: Das ist eine Erkenntnis der Podiumsdiskussion zwischen den Schweinfurter Direktkandidatinnen und -kandidaten im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche in Schweinfurt.
André Kessler, Moderator des "Wahldialogs" im Naturfreundehaus, schafft es, die Diskussion rund um "Energiewende und klimafreundliche Mobilität" geordnet zu halten. Über 100 Gäste sind bei dem mehr als dreistündigen Dialog dabei. Die Lokale Agenda rund um Mobilitätsexperte Manfred Röder hat alle "demokratisch handelnden Parteien", so die Veranstalter, eingeladen; zusammen mit "People4Future Schweinfurt", einer Klimaschutzorganisation.
Den Auftakt macht ein Impulsvortrag des früheren grünen MdB Hans-Josef Fell, heute Präsident des Think Tank "Energy Watch Group (EWG)". Der einstige Gymnasiallehrer skizziert eine Welt im dramatischen Wandel, mit Katastrophen vom Ahrtal bis Libyen. Man befinde sich auf dem "Highway zur Klimahölle", zitiert Fell UN-Generalsekretär Antonio Guterres.
Die EWG lehnt Kernkraft, Erdgas, technisches Herumbasteln an der Atmosphäre ("Geo Engineering") oder CO2-Speicherung als "Scheinlösungen" ab. Kriege werden um fossile Rohstoffe geführt, stellt Fell fest, der nicht das autoritäre, aber das dynamische China lobt: Mit Wiederaufforstung der Wüste Gobi unter Solarpaneelen und gigantischen Zuwächsen bei Elektromobilität und PV.
Die Bundesrepublik, sagt Fell, habe in der Umwelttechnik lange an der Weltspitze mitgespielt und sich dann rechtlich blockiert. Insbesondere Bayern habe es versäumt, Alternativen zur Kernkraft zu schaffen. Für Chefökonom Bloomberg sei ökologische Energieerzeugung die ökonomischste, weit vor dem Atomstrom. Wasserstoff sei derzeit noch der teuerste Energieträger, aber als Speichermedium interessant. Durch Nachrüstung (Repowering) von Windrädern brauche es hier nur zwei Prozent Landesfläche, um den Bedarf abzudecken.
Im ersten Themenblock werden die Kandidaten in Sachen Klimaschutz "gegrillt". Martina Gießübel (CSU) möchte "bezahlbaren Strom" – für Industrie wie Bürger. Wasserstofftechnik, ein Studiengang der Technischen Hochschule Schweinfurt-Würzburg, müsse gefördert werden. Dass sie Atomkraft als Brückentechnologie sieht, stößt später auf Protest im Saal.
"Gottseidank" sei das AKW Geschichte, findet Edwin Hußlein, der Lebensqualität erhalten will, ebenfalls Wasserstofftechnologie lobt und einen pragmatischen Ansatz seiner Freien Wähler sieht, mit kleinen Schritten: "Letztlich ist es der Gesamtmix".
Axel Schöll (FDP) möchte Bürokratie und rechtliche Hemmnisse abbauen, setzt marktwirtschaftlich auf Bürgerenergie und auch persönlich auf Fernwärme. Stefan Rottmann (SPD) sieht als Schonunger Bürgermeister seine Erneuerbare-Energien-starke Gemeinde als Positivbeispiel und verweist auf die Energiegesellschaft Oberland. Es gelte, die energiehungrige Stadtindustrie vom Land aus zu versorgen. Zur Transformation brauche es auch Fachkräfte, statt Schuldzuweisungen den Schulterschluss.
Paul Knoblach, Biolandwirt aus Garstadt, fordert für die Grünen Tempo, will Verhinderungspolitik aufbrechen, nicht in "Schönheit und Verwaltung" sterben. Er erinnert an Rechtsvorgaben für den Ausbau der Erneuerbaren. Die Coronakrise habe gezeigt, dass schnelle Regelungen möglich seien.
49-Euro-Ticket, ÖPNV und Mietbus Callheinz
Stichwort Mobilität, wo viel Einigkeit besteht, mit Lob etwa für den Mietbus Callheinz: Martina Gießübel verweist auf Fortschritte im Radwegenetz und das neue ÖPNV-Konzept im Kreis. Edwin Hußlein fordert Vernetzung der Angebote und stimmige Investitionen, nicht nur für München.
Paul Knoblach wünscht sich eine Vervielfachung der ÖPNV-Staatszuschüsse, statt der auf 30 Prozent gesenkten Förderquote. Personenverkehr per Steigerwaldbahn und anderer Regionalstrecken wäre sein Anliegen. Stefan Rottmann möchte, dass Buslinien auch genutzt werden; entsprechend sieht er Anreize wie das 49 Euro-Ticket positiv. Axel Schöll wäre eine Kontrolle, ob sich Konzepte rechnen, wichtig.
Zuletzt darf das Publikum Fragen an einzelne Kandidaten stellen. Knoblach bekräftigt ein klares Nein zur "unversicherbaren" Atomkraft, ein Besucher verweist emotional auf Kraftwerke im Ausland – an dieser Stelle bremst der Moderator die Grundsatzdebatte.
Edo Günther (BN) sieht "strafbare Handlungen" der Politik, gemäß Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das mit dem Klima die Lebensgrundlage der nächsten Generation schützen will. Martina Gießübel fühlt sich in der Frage juristisch "überfordert", Edwin Hußlein verweist auf bestehende Gesetze. Kurt Vogel fragt nach der Kernfusion. Dort sei man erst am Anfang, sagt Paul Knoblach, es brauche schnelle Lösungen. Fell stellt erfreut fest, dass alle Kandidaten in die gleiche, klimafreundliche Richtung argumentieren: "Gehen Sie in Ihre Partei, und machen Sie das dort genauso."