
Jochen Schenk ist es gewohnt, in weiten Zeiträumen zu denken und die großen Zusammenhänge zu sehen. Anders geht es in seinem Beruf als Förster auch nicht. Entscheidungen, die er heute trifft, werden sich erst Jahrzehnte später auswirken. Im Forst arbeitet fast immer zugunsten der nachfolgenden Generationen, selten für die nähere Zukunft.
Dennoch schafft es die Natur immer wieder, selbst einen Routinier wie den Gerolzhöfer Förster zu überraschen. In diesem Fall ist dies einer jungen Eiche gelungen. "Das hätte ich der Eiche nicht zugetraut", sagt Schenk.
Es geht um ein Exemplar, das im Gemeinsamen Bürgerwald Gerolzhofen-Dingolshausen steht. Ein Schutzzaun hat den Sprössling, der laut Schenk im vierten Lebensjahr steht, davor bewahrt, dass er einem hungrigen Reh zu Opfer fällt, so, wie es vielen Bäumchen ohne Zaun ergeht. Doch was den Förster an der jungen Eiche am meisten imponiert, ist deren jüngster Trieb. Dieser ist über 40 Zentimeter lang.
Johannistrieb bei der Eiche fällt kräftig aus
Die Eiche ist in der Lage, nach dem Frühjahr im Sommer ein zweites Mal zu treiben. Da dies oft Ende Juni, Anfang Juli, kurz nach Johanni am 24. Juni einsetzt, heißt dieser zweite Trieb auch Johannitrieb. Und in diesem Jahr fiel dieser bei der Eiche besonders kräftig aus. Sie ist in diesem Jahr seit dem Frühjahr um 65 Zentimeter gewachsen. Hauptgrund ist der außergewöhnlich üppige Niederschlag im Juli und August.

Einen Regenmesser hat Schenk im Wald nicht stehen, doch mit Blick auf seinen zuhause schätzt er, dass während dieser Zeit im nördlichen Steigerwald zwischen 150 und 200 Liter Regen gefallen sein dürften. Das ist beträchtlich und hat der Natur insgesamt sicherlich sehr gut getan. Den Landwirten, die etwa Rüben und Mais anbauen, hat der Regen wahrscheinlich sogar die diesjährige Ernte gerettet.
Doch wie schaut's im Wald aus? Wie hat sich das nach wochenlanger Dürre plötzlich vorhandene Wasser dort ausgewirkt? "Grundsätzlich hat der Regen an der Situation nichts geändert", sagt Schenk und meint die bis in tiefe Schichten trockenen Böden. Die relativ kühle und feuchte Phase während des Hochsommers habe höchstens dazu beigetragen, die Schäden im Wald zu verlangsamen.
Regen und Kälte hielt Schädlinge in Schach
Dies gilt insbesondere für die Borkenkäfer. Die Population des gefürchteten Nadelbaum-Schädlings blieb hinter den Befürchtungen zurück. Die Käferschäden bei Kiefern und Fichten, sagt Schenk, könne er in seinem Zuständigkeitsbereich in diesem Jahr entspannt betrachten.
Anders ist dies bei den Trockenschäden an Bäumen. Den Bäumen habe der Sommerregen nicht viel gebracht. Ablesen ließen sich die Schäden ohnehin erst im kommenden Frühjahr, wenn die Bäume austreiben. Anders als in der Landwirtschaft, wo ein günstig fallender – oder eben ausbleibender – Regen den Ernteertrag direkt beeinflusst, zeigen sich Schadensfolgen im Wald erst viel später.
Die Auswirkungen des viel zu trockenen Sommers 2022 seien so erst im Frühjahr dieses Jahres sichtbar geworden, erklärt Schenk. Womöglich würden im kommenden Frühjahr 2024 weitere Spätfolgen der dann fast zwei Jahre zurückliegenden Dürre sichtbar.
Douglasie enttäuscht Forstleute
Der Förster zeigt auf eine Douglasie, der man ihre Trockenschäden in Form dürrer Zweige sofort ansieht. Im vergangenen Sommer, als es so trocken war, habe man dem Nadelbaum noch nicht angesehen, dass er dem Tod geweiht ist, sagt Schenk. Dabei habe die Douglasie bis vor wenigen Jahren als ein Baum gegolten, der mit Hitze und Trockenheit gut zurecht kommt. Heute sehen Forstleute dies ganz anders.

Ähnlich verhält es sich bei den Buchen. Auch diesen wurden angesichts des Klimawandels in unseren Breiten ordentliche Überlebenschancen eingeräumt. Aktuell bezeichnet der Gerolzhöfer Förster die Aussichten für diesen "Brotbaum" des Steigerwalds als "verheerend". "Die Dominanz der Buche im Steigerwald ist vorbei", prognostiziert er.
Schenk zitiert eine weitere, nicht einmal fünf Jahre alte Aussage eines Fachmanns, die sich überholt hat: Baumbestände an Nordhängen im Steigerwald seien sicher. Dort würden Bäume trotz Trockenheit überleben. Jetzt muss der Förster feststellen: Auch auf den Nordhängen des Bürgerwalds zeigen sich Trockenschäden. Auch sieht er keinen Unterschied zwischen durchforsteten Flächen und Flächen, auf denen seit Jahrzehnten kein Baum gefällt wurde. Die Bäume sterben flächendeckend.
Gerüstet für weitere Rückschläge
Für Schenk münden seine Beobachtungen in einer Erkenntnis: "Wir müssen demütig sehen, wie sich das alles entwickelt." An sichere Prognosen glaubt er nicht.
Auf der anderen Seite er sieht sich in einem Punkt bestätigt: Sein Kurs beim Waldumbau. Er setzt auf Diversität. "Die eine Problemlöserbaumart gibt's nicht", sagt der Förster. Deshalb hofft er, dass sich durch Naturverjüngung von zehn bis zwölf heimischen Baumarten, die bislang mit dem Klimawandel gut zurechtkommen, am Ende ein Baumbestand entwickelt, der nicht nur artenreich ist, sondern auch so vielfältig, dass trotz unerwarteter Rückschlägen (siehe Douglasie und Buche) eine ausreichende Zahl an Bäumen überleben wird.
Dabei gehe es nicht um möglichst schnellwachsende, ertragreiche Bäume. "Die Zukunftsfähigkeit, auf die es im Wald ankommt, ist nicht die, Holz in Masse zu produzieren. Es geht um das blanke Überleben", sagt Schenk. Anders ausgedrückt bedeutet das: In einigen Jahren muss man froh sein, wenn im Steigerwald überhaupt noch gesunde Bäume stehen.
Nachwuchs bei den Durstkünstlern
Was Schenk hoffen lässt: In diesem Jahr werfen die Speierlinge reichlich Früchte ab. Aus deren Samen lässt er von einer Baumschule Setzlinge ziehen, die im Bürgerwald sowie im Gerolzhöfer Stadtwald gepflanzt werden. Dies ist aus Schenks Sicht deshalb so wichtig, weil der Speierling ein Top-Kandidat unter den Durstkünstlern ist. Ebenso die Wildbirne, von der im Bürgerwald ein Prachtexemplar steht, das "endlich mal wieder Nachwuchs bekommen hat", berichtet Schenk. Auch aus den Birnen lässt er Setzlinge ziehen, so viele, dass auch welche an andere Waldbesitzer verkauft werden können.

Durch das Pflanzen von Setzlingen aus besonders überlebensfähigen heimischen Bäumen hilft Schenk der natürlichen Auslese auf die Sprünge. "Wir fördern, was die Natur alleine schafft", meint er. Andernfalls könnte die Naturverjüngung bei dem vorgelegten Tempo des Klimawandels zu spät kommen.