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Bergrheinfeld
"Unverschämte Provokation": Massive Kritik an Tennet
Der Gemeinderat Bergrheinfeld ist empört. Für SuedLink soll eine Schneise durch den Wald geschlagen werden. Was die Gemeinde dagegen nun unternimmt.
So sieht es aus, wenn Stromleitungen über einen Wald geführt werden. Die Waldüberspannung befindet sich beim ehemaligen Mainauwald 'Garstadter Holz' am Kernkraftwerk Grafenrheinfeld.
Foto: Stephan Thierfelder | So sieht es aus, wenn Stromleitungen über einen Wald geführt werden. Die Waldüberspannung befindet sich beim ehemaligen Mainauwald "Garstadter Holz" am Kernkraftwerk Grafenrheinfeld.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:43 Uhr

Deutliche Worte: Als "unverschämte Provokation" empfindet der Bergrheinfelder Gemeinderat den Vorschlag von Tennet, die letzten 500 Meter der SuedLink-Trasse mitten durch den Bergrheinfelder Klimawald zum Endpunkt am Umspannwerk West zu führen. Dazu müsste eine breite Schneise für die Aufstellung von Masten quer durch das gemeindliche Waldgebiet "Am Galgenberg" geschlagen werden. Das würde den vor 26 Jahren "mit erheblichen Haushaltsmitteln  und unter schwierigsten Bedingungen" angepflanzten Gemeindewald zerstören, heißt es in der einstimmig vom Gemeinderat verabschiedeten Stellungnahme an Tennet.

Der Besucherandrang war groß bei der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend. So groß, dass nicht einmal die Turnhalle der Julius-Echter-Grundschule aufgrund der geforderten Abstandsregeln ausreichte. Etliche Interessierte mussten draußen bleiben. Grund für das große Interesse war das eine Thema auf der Tagesordnung: die Stromtrassen-Projekte SuedLink und P43 sowie der Bau der Konverter-Anlage auf dem Gemeindegebiet Bergrheinfeld. Bürgermeister Ulrich Werner hatte dazu die Bürgerreferenten der Übertragungsnetzbetreiber eingeladen: Thomas Wagner und Cindy Schemmel von Tennet sowie Christopher Göpfert von TransnetBW.

Gemeinde hatte auf Entlastung an überregionaler Strominfrasturktur gehofft

Ende 2026 soll der SuedLink in Betrieb gehen und Strom über gut 700 Kilometer von der Nordsee in den Süden Deutschlands leiten. Der östliche Teil der Erdkabeltrasse wird am Umspannwerk West bei Bergrheinfeld enden. Genauer gesagt 500 Meter davor in einem noch zu bauenden Konverter, in dem der Gleichstrom in Wechselstrom umgewandelt werden muss, bevor er ins Umspannwerk geführt wird. Dieses letzte Stück SuedLink, die Anbindung zwischen Konverter und Umspannwerk, sorgt nun in Bergrheinfeld für Empörung. Denn Tennet möchte den kürzesten Weg gehen und eine oberirdische Freileitung durch den Bergrheinfelder Klimawald legen, der sich zwischen dem geplanten Konverterstandort und dem Umspannwerk befindet. 

Der Gemeinderat empfindet diesen Vorschlag als "Schlag ins Gesicht", weil Bergrheinfeld aufgrund seiner "extremen Beeinträchtigung" als Netzverknüpfungspunkt eine Entlastung zugesichert worden sei. "Die Bürger der Gemeinde wurden und werden nachweislich getäuscht", heißt es in der Stellungnahme. Der Gemeinderat fordert Tennet auf, seinen Trassenvorschlag durch den Wald sowie den davor geplanten Konverterstandort "sofort" zurückzunehmen und eine alternative Vorzugstrasse um den gemeindlichen Wald herum – auch eine Überspannung des Waldes lehnt man ab – an die Bundesnetzagentur zu geben. Diese Behörde trifft die finale Entscheidung zum Trassenverlauf.

Die Gemeinde werde auch ihre juristischen Rechte als Eigentümerin prüfen lassen, kündigte Bürgermeister Ulrich Werner in der Sitzung an. 

Diese Schneise wurde für Strommasten bei Unterspiesheim an der B 286 in den Wald geschlagen.
Foto: Stephan Thierfelder | Diese Schneise wurde für Strommasten bei Unterspiesheim an der B 286 in den Wald geschlagen.

Die drei Referenten von Tennet und TransnetBW hatten keinen leichten Stand, gleichwenn die Diskussion fair und sachlich geführt wurde. Thomas Wagner nannte drei Gründe, die den Ausschlag für den Konverterstandort am Felsenhof und die Vorzugstrasse durch den Wald gegeben haben: die vorhandene Infrastruktur, die bestehenden Eigentumsverhältnisse und die kurze Anbindung zum Umspannwerk. Dass diese Planung in Bergrheinfeld als "Provokation" angekommen ist, dafür entschuldigte er sich. Und er versicherte, dass die Würfel längst noch nicht gefallen sind. "Wir stehen ganz am Anfang der Planung und sind weit entfernt, Fakten zu schaffen."

Welche Aufgaben kommen auf die Bergrheinfelder Feuerwehr zu?

Nichtsdestotrotz will der Gemeinderat aber Fakten auf dem Tisch haben. Zum Beispiel zu den Emissionen des Konverters oder dem Brandschutz für die Anlage. Ist die Bergrheinfelder Feuerwehr zuständig? Braucht sie zusätzliche Ausrüstung? Wer zahlt das? "Ja", sagt Thomas Wagner, es gibt ein elektromagnetisches Feld um den Konverter. Und Ja, der Trafo der Anlage erzeugt Emissionen. Er versicherte aber, dass Schallschutzeinrichtungen gebaut und die Grenzwerte eingehalten würden. Was den Brandschutz betrifft, werde ein Konzept mit der örtlichen Feuerwehr erstellt. Im Havariefall würden Tennet-Mitarbeiter vor Ort sein.

Was die Bergrheinfelder besonders ärgert, ist, dass sich der Standort des Konverters vor dem Klimawald nun als einzige Option im Plan findet und eine Trasse um den Wald als überteuert dargestellt werde. Die mögliche Einsparung an Leitungslänge (ca. 300 Meter) gegenüber einer alternativen Trasse um das Waldgebiet betrage mit Blick auf die Gesamtlänge des SuedLinks nur 0,005 Prozent, rechnete Bürgermeister Ulrich Werner vor. In Relation zu den Kosten eines Konverters – auf Nachfrage gab Thomas Wagner diese mit rund 500 Millionen Euro an – seien das ja wohl "weniger als Peanuts".

Was den Konverter angeht, sicherte Wagner zu, noch einmal einen Alternativstandort zu prüfen. Dieser könnte sich auf der Gemarkung der Gemeinde Werneck befinden. Deren Bürgermeister Sebastian Hauck war anwesend und verfolgte aufmerksam die Diskussion. 

Wieviel Ackerland fällt der Ausgleichsfläche zum Opfer?

Ein weiteres Thema war die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Zum einen durch den Konverter mit seinen 20 Meter hohen Gebäuden, zum anderen durch die Freileitung zum Umspannwerk, wenn diese durch den Wald führen sollte. Michael Eusemann hat ausgerechnet, dass dafür 15 Prozent des Waldes gerodet werden müssten. Wie soll dieser Eingriff kompensiert werden? Thomas Wagner sagte, der Bedarf an Fläche für Ausgleichsmaßnahmen sei noch nicht errechnet. Er räumte aber ein, dass der Verlust an Ackerland den Druck auf die Landwirtschaft in der Region erhöhe. 

Bürgermeister Ulrich Werner ließ deutlich anklingen, dass Tennet Vertrauen verspiele, wenn ausschließlich wirtschaftliche Aspekte vor dem lokalen Klimaschutz und Demokratieverträglichkeit stünden. Er befürchtet, dass das "Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist". Welche Projekte kommen noch auf die Gemeinde zu? Wird SuedLink verdoppelt? Thomas Wagner konnte nur auf den Netzentwicklungsplan verweisen, der die Projekte bis 2025 umfasst. 

 
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Kommentare
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  • F. R.
    Bloß keine St. Florians-Politik!

    Wenn der Konverter auf die Gemarkung der Gemeinde Werneck käme, würde alles auseinander gezogen und das Landschaftsbild mit elektrischen Großanlagen ZERSIEDELT ! Der Konverter sollte deshalb möglichst nah & kompakt an den bestehenden Anlagen bei Bergrheinfeld errichtet werden. Technische Großanlagen stören sich gegenseitig am wenigsten!

    Wann lernen die Gemeinden endlich, dass es Raumordnung gibt, die Trassen und große Anlagen aller Art bündeln will, um möglichst große, zusammenhängende Naturräume zu erhalten !!!

    Deshalb gibt in der Raumordnung KEINE Gleichbehandlung! Sondern hier ländlichen Raum und da Oberzentren & Verdichtungsräume, wo sich Bergrheinfeld befindet - und auch profitiert, durch Einwohnerwachstum und Steuereinnahmen!
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  • K. K.
    Wäre nun eine unterirdische Umleitung am Rand des Waldes nun eine Option oder nicht?
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