Das Maß ist voll. Jetzt geht Bürgermeister Ulrich Werner auf die Barrikaden. Denn jetzt soll die von Strommasten und Stromleitungen umzingelte Gemeinde Bergrheinfeld auch noch ihr einziges Stückchen Wald für eine weitere Stromtrasse opfern. "Das lassen wir nicht zu", zeigt sich der Rathauschef kämpferisch.
Eher zufällig, so sagt Bürgermeister Werner, habe er das Vorhaben von Stromnetzbetreiber Tennet bei einer Online-Informationsveranstaltung zum Stromnetzausbau am 27. Januar entdeckt. Den Bürgermeistern der Oberen Allianz war bei diesem virtuellen Treffen der Verlauf der SuedLink-Trasse durch ihre jeweiligen Gemeindegebiete vorgestellt worden. Die 700 Kilometer lange Stromautobahn von Norden nach Süden endet bekanntlich am Umspannwerk in Bergrheinfeld. Was Bürgermeister Werner bislang aber nicht wusste: Kurz vor dem Ziel kommt die größtenteils unterirdisch verlegte Trasse aus der Erde und soll auf den letzten 500 bis 600 Metern zum Umspannwerk oberirdisch mitten durch den noch jungen Bergrheinfelder Klimawald geführt werden. Dazu muss eine breite Schneise geschlagen werden. "Danach ist unser Wald kaputt", empört sich der Bürgermeister.
Konverter soll auf einem großen Acker im Bereich des Felsenhofs entstehen
Thomas Wagner, Bürgerreferent bei Tennet, erklärt, wie die Planung zustande kommt. Um große Strommengen über weite Strecken zu transportieren, wie zum Beispiel mit dem SuedLink aus dem Norden in den Süden des Landes, ist Gleichstrom die Technik der Wahl. Weil aus den Steckdosen zuhause aber Wechselstrom kommt, muss der Strom durch spezielle Konverter-Stationen gewandelt werden, bevor er in einer Freileitung – diese schreibe der Gesetzgeber vor – zur weiteren Verteilung ins Umspannwerk geführt wird.
Ein solcher Konverter soll in Bergrheinfeld entstehen. Und zwar auf einem großen Acker im Bereich des ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebs Felsenhof, 500 bis 600 Meter vor dem neuen Umspannwerk West. Das Gelände hat Tennet bereits gekauft.
Je höher die Masten und je länger die Strecke desto höher die Kosten
Genau dazwischen liegt nun das Bergrheinfelder Wäldchen. Etwa zehn Hektar groß, vor 26 Jahren gepflanzt und gerade im Begriff, ein richtiger schöner Wald zu werden. Drei Möglichkeiten gibt es nun für Tennet, um mit dem SuedLink ans Ziel zu kommen: Die kürzeste Variante ist mittendurch, die aufwendigere obendrüber und die schonendste außen herum. Tennet favorisiert Variante eins. Denn bei der Schneise durch den Wald wären laut Wagner nur 40 Meter hohe Masten nötig, bei einer Überspannung des Waldes doppelt so hohe und bei einer Freileitung um den Wald herum doppelt so viele. Je höher die Masten und je länger die Strecke desto höher sind auch die Kosten.
Walter Zeißner würde das Herz bluten, sollte tatsächlich eine Schneise in den Wald geschlagen werden. Der Bergrheinfelder Bauhofleiter war bei der Aufforstung vor 26 Jahren dabei, hat eigenhändig mitgepflanzt. 80 000 Setzlinge wurden in einem Winter in die Erde gebracht. "Das war die größte Anpflanzung damals im Raum Schweinfurt."
Altbürgermeister Wendelin Fenn hatte sie initiiert, weil es zwischen Schweinfurt und Waigolshausen fast keinen Wald gibt. "Das war eine ökologische Großtat", unterstreicht Forstbereichsleiter Stephan Thierfelder vom Amt für Landwirtschaft und Forsten die Bedeutung der Aufforstung auf dieser unterfränkischen Trockenplatte. Die Bauhofmitarbeiter hatten eigens für das Projekt sogar einen Brunnen gebohrt, um die jungen Pflanzen bewässern zu können.
"Der Wald bereichert das Landschaftsbild", das steht für Thierfelder außer Frage. "Und er bindet CO2." Auf einer alten Karte aus dem Jahr 1860 hat der Forstfachmann sogar entdeckt, dass es hier früher mal eine größere Waldfläche gegeben hat. Somit sei mit der Aufforstung ein Stück zerstörter Natur wiederhergestellt worden.
"Wir sind stolz, dass wird den Wald so hoch gebracht haben", sagt Bürgermeister Ulrich Werner. Hier findet man Ruhe und Erholung ohne Blick auf Stromtrassen. Hier sind inzwischen Reh und Hase, Vögel und Insekten und sogar der Hamster heimisch. Das will sich Bergrheinfeld nicht durch eine Stromtrasse kaputt machen lassen.
Eine Schneise durch den Wald sieht auch Thierfelder bedenklich. Denn wenn ein durchgängig gewachsener Wald durchschnitten wird, entstehen neue Waldränder, die besonders in den Hitze- und Trockenjahren unter erheblichen klimatischen Stress geraten. Auch eine Überspannung des Waldes schaffe einen unnatürlichen Zustand. Aus forstlicher Sicht wäre daher eine Trassenführung um den Wald herum die beste Wahl.
Bürgerreferent Wagner kann die "hohe emotionale Bedeutung" des Waldes für die Bergrheinfelder verstehen. Letztendlich müsse man eine "vernünftige" Abwägung treffen, welche Variante die beste sei. Ziel sei dabei, eine einvernehmliche Lösung mit den Eigentümern zu finden. "Das schaffen wir fast immer." In letzter Konsequenz allerdings könnte Tennet auch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit erzwingen, weil SuedLink als Bundesplanung von übergeordnetem Interesse ist.
Informationsveranstaltung am Dienstag in der Turnhalle
Nun sind SuedLink und Konverter keine unbekannten Vorhaben für die Gemeinde Bergrheinfeld. Warum fällt erst jetzt auf, was Tennet vorhat? "In dieser brutalen Art hat man uns die Planung noch nie gezeigt", findet Bürgermeister Werner drastische Worte. Scheibchenweise werde der Gemeinde seit Jahren immer mehr aufgebürdet: zuerst das neue Umspannwerk West, dann SuedLink, danach die Konverterhalle, zuletzt die Wechselstromleitung P43 und jetzt die SuedLink-Freileitung durch den Wald. "Wir werden verhackstückelt und am Ende alle Lasten des Netzausbaus zu tragen haben", ist Bürgermeister Ulrich Werner frustriert.
Bürgerreferent Wagner versucht eine Erklärung zu finden: Weil in Bergrheinfeld viele Projekte verschiedener Firmen mit unterschiedlichem Planungsstand aufeinandertreffen, könne dieser Eindruck entstehen. Deshalb wird es am kommenden Dienstag, 16. März, eine umfassende Information von Netzbetreiber und Netzausbauer für den Gemeinderat geben.
Thomas Wagner informiert für Tennet über die Konverteranlage, die Anbindung des Konverters an das Umspannwerk West sowie die Fulda-Main-Trasse P43, und sein Kollege Christopher Göpfert von TransnetBW wird den SuedLink-Verlauf im Bereich der Gemeinde Bergrheinfeld vorstellen. Die öffentliche Sitzung findet um 19 Uhr in der Turnhalle der Julius-Echter-Grundschule statt.