In Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt herrscht Ernüchterung. Beim bundesweit dritten "Forum Endlagersuche" mit etwa 500 Vertreterinnen und Vertreter von Bundesbehörden, Wissenschaft und Kommunalpolitik in Würzburg wurde gerade erneut klar: Die Suche nach einem Endlager für Deutschlands hochradioaktive Abfälle ist kompliziert und extrem langwierig.
Doch so lange kein Endlager existiert, müssen Gemeinden wie Grafenrheinfeld als Zwischenlager-Standort des gefährlichen Atommülls eine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe von ganz Deutschland schultern", sagt Christian Keller, Bürgermeister von Grafenrheinfeld (CSU). Er gehörte bei der Veranstaltung in Würzburg zur Delegation der Arbeitsgemeinschaft ASKETA, in der sich 25 Kommunen mit kerntechnischen Anlagen zusammengeschlossen haben.
Was diese Gemeinden jetzt fordern, sagt Christian Keller im Interview.
Christian Keller: Alle Teilnehmer stehen hinter einem Ziel. Aber ich bin dennoch nicht ganz zufrieden. Zwar wollen alle den Prozess der Endlager-Suche beschleunigen, aber der Zeithorizont hat sich extrem verschoben. In den 60er-Jahren wurde uns versprochen: Wenn ein AKW bei euch gebaut wird, wird die Lagerung des Atommülls zentral geregelt - nach dem Motto "darüber müsst ihr euch keine Gedanken machen". Als Deutschland beschlossen hat, aus der Kernkraft auszusteigen, wurde uns felsenfest versichert, dass das Endlager spätestens in den 40er-Jahren existiert. Mittlerweile sprechen Bundesbehörden von 2070, andere von 2100. Die Geschichte ist eine Aneinanderreihung gebrochener Versprechen.
Keller: Ja. In Grafenrheinfeld sind 54 Castorbehälter mit insgesamt 509 Tonnen Schwermetall eingelagert. Am 27. Februar 2006 wurde das Zwischenlager in Betrieb genommen. In ganz Deutschland gibt es 16 solcher Zwischenlager. Die Genehmigung in Grafenrheinfeld ist eigentlich auf 40 Jahre befristet. De facto fühlen wir uns aber als Endlager. Denn wer jetzt ein Endlager verspricht, muss sein Versprechen wohl nicht mehr selbst halten. Auch ich werde die Räumung des Zwischenlagers in unserer Gemeinde vermutlich nicht mehr erleben.
Keller: Es ist eine Frage der gefühlten Sicherheit. Natürlich vertrauen wir darauf, dass mit dem Atommüll ordentlich umgegangen wird. Was bleibt uns auch anderes übrig? Mit den zuständigen Bundesbehörden sind wir in einem vertrauensvollen Austausch. Aber wir wollen erreichen, dass die Neugenehmigungsverfahren für alle Zwischenlager-Standorte unverzüglich beginnen - mit Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung. Weil dann alle Fragen neu geprüft werden: Wie lange halten die Castorbehälter? Ist alles auf dem neuesten Stand der Technik?
Keller: Vor allem einen hohen Flächenbedarf. Die Fläche, die unserer Gemeinde für gewerbliche Nutzung nicht mehr zur Verfügung steht, beträgt alleine für das Zwischenlager inklusive aller Sicherungsmaßnahmen 3,7 Hektar. Aus dieser Fläche können wir künftig keine Gewerbesteuer generieren. Dass Grundstückspreise verfallen, hoffe ich nicht. Grafenrheinfeld ist eine sehr attraktive Gemeinde.
Keller: Diese Frage blendet einen wesentlichen Aspekt aus: Die Gemeinde hat auch hohe Umlagen an den Landkreis bezahlt. Die ganze Region hat vom AKW profitiert. Das Kernkraftwerk hat 333 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt und damit einen Großteil der ansässigen Industrie und Firmen weit darüber hinaus versorgt.
Keller: Wir fordern pro Zwischenlager-Standort einen Nachteilsausgleich von einer Million Euro im Jahr. Zusätzlich 5000 Euro jährlich pro eingelagertem Castor. Vergleichbare Summen bekommen die Zwischenlager-Standorte Ahaus und Gorleben seit vielen Jahren. Deutschland steht vor der Mammutaufgabe, Atommüll aus 60 Jahren angemessen zu entsorgen und schafft es nicht mal ansatzweise, seinem Ziel spürbar näherzukommen. Die Endlagersuche gestaltet sich extrem schwierig und unsere kleinen Kommunen sollen das einfach so nebenbei mitmachen. Unsere Planungshoheit wurde übergangen. Uns wurde der hochradioaktive Müll aufs Auge gedrückt. Wir ducken uns ja nicht weg vor dieser Aufgabe. Aber wir wollen ernst genommen werden! Ein Nachteilsausgleich für alle Zwischenlager-Standorte würde sicher auch die Endlagersuche beschleunigen. Und die Standorte, die später einmal für ein Endlager infrage kommen, werden sehr genau schauen, wie man mit den heutigen Zwischenlager-Standorten umgegangen ist.
Keller: Nein. Atomkraft hat uns in Deutschland den wirtschaftlichen Aufstieg ermöglicht. Aber es war ein Fehler, nicht von Anfang die Entsorgung der kerntechnischen Abfälle zu klären. Und wir in Grafenrheinfeld müssen aufpassen, dass man uns nicht vergisst - jetzt, wo die Kühltürme nicht mehr sichtbar sind.
Bestimmt sind wieder die "Sozen" und Grünen dran Schuld.
Leider lässt sie uns immer erst an ihrem umfassenden Wissen und ihrer immensen Erfahrung teilhaben, wenn es bereits zu spät ist. Am Timing müsste sie also noch arbeiten.
Tja, kann man nix machen...
Und ja, die Grünen sind sowieso immer schuld. Wer sonst? ;-)
Das ist für sich alleine zunächst einmal Fakt. Warum er es aber tat - darüber wird dann meist geschwiegen, weil dann sieht die Sache auf einmal doch ganz anders aus.
Es sind aber eben nicht einfach „Schwermetalle“, die in diesen Behältern lagern.
Jeder CASTOR Behälter darf ca. 200kg höchstradioaktiven Müll aufnehmen. Die zulässige Strahlung darf 1.200.000.000.000.000.000 (1,2 Trillionen) Bq (Bequerel) betragen. Das bedeutet, pro kg der im CASTOR gelagerten „Schwermetalle“ dürfen pro Sekunde 6.000.000.000.000.000 Atome zerfallen. Die Temperatur im Inneren des CASTORs beträgt dabei maximal 400C und es wird eine Wärmeleistung von maximal 39 kW (!) abgegeben.
Zum Vergleich:
Nach der Tschernobyl-Katastrophe wurde ein Grenzwert für Milchprodukte festgelegt, der bei 370 Bq pro kg liegt.
In Tschernobyl wurde (geschätzt) Radioaktivität in der Größenordnung mehrerer Trillionen Bq freigesetzt. In Grafenrheinfeld lagern 54 CASTORen mit jeweils 1,2 Trillionen Bq in ihrem Inneren…
Vielleicht ist es der Umgang damit - den Menschen wie Sie offensichtlich praktizieren - wirklich der einfachere.
Bloß nicht drüber nachdenken!
Gefressen zu werden dagegen schon. Daher der Aufschrei über die Verbreitung des Wolfes. Das ruft die ganzen Hosenscheißer und Panikmacher auf den Plan, bevor überhaupt etwas passiert ist und obwohl auch in anderen Ländern in Europa nichts passiert ist, wo der Wolf nie weg war. Fakten zählen da nichts. Das verhindert der Neandertaler in uns.
Das ändert aber absolut nichts am Inhalt meines Kommentars.
Lassen Sie sich nicht provozieren und bleiben Sie sich treu
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass in Grafenrheinfeld ein Vielfaches der Radioaktivität lagert, die bei der Katastrophe von Tschernobyl freigesetzt wurde.
Das ändert auch nichts daran, dass dieses gefährliche Material schlecht geschützt lagert, und dass die Lebensdauer der Behälter - auf 40 Jahre ausgelegt - schon 2046 abläuft.
Das ändert auch nichts daran, dass keiner weiß wohin damit und dass es wahrscheinlich sehr lange in Grafenrheinfeld bleiben wird.
Und das ändert schon gar nichts daran, dass ein Wiedereinstieg in die Atomkraft angesichts dieser Fakten völlig unverantwortlich ist.
Der CSU-Mann Bürgermeister Keller hat ja quasi den Offenbarungseid geleistet. Er fordert einen finanziellen Ausgleich für die Gemeinde. Wie hilflos ist das denn. Mehr kann er seiner Bevölkerung aber ja gar nicht in Aussicht stellen.
Das zeigt auch Ihr Kommentar, in dem Sie das Erzgebirge mit seinen höheren Radon-Konzentrationen heranziehen. Sie vergleichen die natürliche radioaktive Strahlung mit dem, was da in Grafenrheinfeld lagert.
Sie übersehen dabei, welche unvorstellbaren Größenunterschiede hier vorliegen.
Wie ich oben schon geschrieben hatte - in einem Kilogramm des Atommülls im CASTOR Behälter liegt die Zerfallsrate bei ca. 600.000.000.000.000.000 (600 Billiarden) Bq (Bequerel). Pro Sekunde zerfallen also 600.000.000.000.000.000 Atome und setzen dabei radioaktive Strahlung frei.
Die natürliche Strahlung durch Radon liegt dagegen in Deutschland bei maximal 1000 Bq pro Kubikmeter Erdreich.
https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/radon/karten/wohnraeume.html;jsessionid=A55200356FAC6F9476674E2B8B910986.internet592
Man kann sich die Problematik des Atommülls mit solchen Vergleichen schönzureden versuchen, helfen tut es nicht!
D.h. der deutsche Staat müsste mit einigen 100 Milliarden Euro in Vorleistung gehen um 20-30 AKWs zu finanzieren. Wo soll das Geld herkommen?
Norbert Heßdörfer
Bitte einen Link auf (produktive) AKWs.