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Gerolzhofen
Unangenehme Post aus Gerolzhofen: Geomed-Klinik fordert 600.000 Euro von Gesundheitsminister Karl Lauterbach
Bis zum 23. März hat das Bundesgesundheitsministerium noch Zeit, die Rechnung zu begleichen. Warum sich das Kreiskrankenhaus zu diesem Schritt entschlossen hat.
Zwei Aktenordner voll mit Ideen des Bundesgesundheitsministers zur Krankenhausreform hat Wolfgang Schirmer von der Geomed-Kreisklinik abgeheftet, aber eine ausreichende Finanzierung ist darin nicht geklärt. Dem Geschäftsführer reicht es nun, weshalb er eine saftige Rechnung nach Berlin geschickt hat.
Foto: Josef Lamber | Zwei Aktenordner voll mit Ideen des Bundesgesundheitsministers zur Krankenhausreform hat Wolfgang Schirmer von der Geomed-Kreisklinik abgeheftet, aber eine ausreichende Finanzierung ist darin nicht geklärt.
Stefan Pfister
 |  aktualisiert: 15.07.2024 14:14 Uhr

Am 27. Februar ging das außergewöhnliche Schreiben der Geomed-Kreisklinik per Post raus, adressiert ans Bundesgesundheitsministerium in Berlin. Dessen Inhalt dürfte Gesundheitsminister Karl Lauterbach wenig erfreuen. Dem Brief liegt eine Rechnung bei, über 600.000 Euro, zahlbar bis zum Samstag, 23. März. Als Grund führt die Einrichtung eine derzeit unzureichende finanzielle Ausstattung an.

Wie viele andere Mitglieder des Verbundes Klinik-Kompetenz-Bayern (KKB) hat sich auch das Krankenhaus in Gerolzhofen aufgrund der immer schwierigeren wirtschaftlichen Lage dafür entschieden, vom Ministerium Schadensersatz einzufordern. Im Laufe des Februars hatte sich die Mehrheit der im KKB zusammengeschlossenen Krankenhäuser zu diesem Schritt entschlossen.

Geschäftsführer Schirmer: "Es ist ein Signal"

Wolfgang Schirmer, Geschäftsführer des in Trägerschaft des Landkreises Schweinfurt stehenden Hauses mit rund 300 Beschäftigten, will gar nicht die öffentliche Aufmerksamkeit als einen Grund für diese außergewöhnliche Maßnahme bestreiten. "Es ist ein Signal", sagt er, betont aber zugleich die Notwendigkeit.

Es gehe darum, dem Gesetzgeber zu verdeutlichen, dass er die Krankenhäuser durch seine Untätigkeit in finanzielle Nöte bringt. Vor allem, so Schirmer weiter, weil dieser die Betriebskostenführung der Kliniken nicht sichert, wofür er verantwortlich sei. Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht ihm zufolge immer weiter auseinander.

Es sind nicht die ersten Hilferufe von Kliniken. Im Vorjahr hatten sich zahlreiche Häuser an bundesweiten Protesttagen unter dem Motto "Alarmstufe Rot!" beteiligt, weil vielen Einrichtungen mittlerweile das Wasser finanziell bis zum Hals steht. Auch die Geomed-Kreisklinik und das Leopoldina-Krankenhaus sowie das Krankenhaus St. Josef aus Schweinfurt machten damals mit.

Bislang ist noch kein Geld geflossen

Die beiden Schweinfurter Kliniken haben ebenfalls vor einigen Wochen dem Gesundheitsministerium teure Rechnungen zukommen lassen: Das Leopoldina fordert von Lauterbach über fünf Millionen Euro, das St. Josef die gleiche Summe wie die Gerolzhöfer Kreisklinik. Bezahlt wurde bislang kein Cent. 

Bis 2019 habe die Finanzierung noch auf einigermaßen finanziell stabilen Beinen gestanden, obwohl der Krankenhausbetrieb nach Ansicht des Geomed-Geschäftsführers seit der Einführung des DRG-Systems mit Fallpauschalen seit jeher unterfinanziert gewesen sei. Spätestens seit dem Auslaufen der Corona-Ausgleichszahlungen von Bund und Land 2023 sowie mit dem Ende der Energiepreisbremse hat sich laut Schirmer die finanzielle Situation von vielen Kliniken nochmals verschärft.

Rund 300 Beschäftigte versorgen die Patientinnen und Patienten in der Geomed-Kreisklinik. Zum Jahresdefizit von fast einer Million Euro tragen, neben der Unterfinanzierung durch den Bund, die erheblich gestiegenen Personalkosten bei.
Foto: Josef Lamber | Rund 300 Beschäftigte versorgen die Patientinnen und Patienten in der Geomed-Kreisklinik. Zum Jahresdefizit von fast einer Million Euro tragen, neben der Unterfinanzierung durch den Bund, die erheblich gestiegenen ...

Einerseits hätten die allgemeine Teuerung durch die Inflation und die höheren Personalkosten den ökonomischen Druck verstärkt. Der Klinikchef spricht von über einer Million Euro Mehrkosten allein durch den Tarifabschluss mit über zehn Prozent. Bei einem Jahresumsatz von zuletzt 19 Millionen Euro stellt dies eine nicht unerhebliche Belastung dar.

Der Geomed-Klinik droht ein Defizit von 1,6 Millionen Euro

Besonders schwierig ist die seit langem umstrittene Finanzierung von Behandlungskosten der Patientinnen und Patienten mittels DRG-Pauschalen. Dabei werden stationäre Behandlungen nicht mehr nach individuellen Sätzen, sondern nur nach diagnosebezogenen Fallpauschalen abgerechnet. Jährlich werden diese Behandlungsbudgets neu mit den Krankenkassen verhandelt.

Im Jahr 2022 hat die Geomed-Kreisklinik ein Defizit von 912.000 Euro erwirtschaftet. Für 2023 geht man von einem Minus von rund 1,6 Millionen Euro aus – Tendenz weiter steigend. Ein Grund dafür: Viele aus gesetzlichen Vorgaben resultierende Kosten sind nicht über die fallbezogenen Pauschalen abgedeckt, zum Beispiel Nachtdienst, Notaufnahme, Bereitschaft, Geräteausstattung oder Qualität. "Die Kosten werden höher, die Anforderungen werden höher, aber das alles wird nicht adäquat gegenfinanziert. Das macht vielen Kliniken sehr zu schaffen", ärgert sich Wolfgang Schirmer.

Weil zugleich die Patientenzahlen nach der Pandemie von knapp 4200 auf rund 3800 in Gerolzhofen gesunken sind, fehlen der Kreisklinik wichtige Einnahmen. Die Krankenhausleitung rätselt ob der genauen Gründe. Jedenfalls erschweren diese Zahlen die Finanzierung zusätzlich.

Kosten mit Fallpauschalen-System nicht refinanzierbar

Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten, die die Fallpauschalen den Kliniken lassen: entweder mehr stationäre Aufenthalte oder mehr komplexere medizinische Eingriffe, die besser bezahlt werden. Aus Sicht von Wolfgang Schirmer krankt das System besonders an dieser Stelle. 

Das alles und weitere Aspekte haben dazu geführt, dass die finanzielle Situation immer schwieriger wird. Die von Gesundheitsminister angekündigte Krankenhausreform hält der Geschäftsführer zwar für notwendig. Jedoch würden Maßnahmen wie zum Beispiel die geplante Vorhaltefinanzierung nicht den erhofften Erfolg, sprich mehr Geld bringen. 

Noch kommt die Kreisklinik in Gerolzhofen einigermaßen über die Runden. "Bei uns eskalieren die Defizite zum Glück nicht so wie teilweise in anderen Häusern." Mancherorts drohen Insolvenzen oder es gab schon welche, wie in Wertheim.

Folgt eine Schadensersatzklage bei Nichtzahlung?

Vermutlich bis zu einem Viertel der Kliniken werden verschwinden, glaubt der Geschäftsführer, wobei er seine Klinik, auch dank Kooperation mit dem Leopoldina-Krankenhaus, für die Zukunft noch recht gut aufgestellt sieht. Ein Ausdünnen des Kliniknetzes hält Wolfgang Schirmer einer flächendeckenden Grundversorgung für abträglich. Auch deshalb hätten viele KKB-Mitglieder und das Gerolzhöfer Krankenhaus nun reagiert und Schadensersatzforderungen verschickt.

Mit einer Zahlung des Gesundheitsministeriums bis zur gesetzten Frist rechnet der Geomed-Chef jedoch nicht. Seiner Kenntnis zufolge gab es bislang noch nicht einmal eine Reaktion aus Berlin auf die verschickten Schreiben anderer Kliniken. 

Offen ist auch, ob eine Schadensersatzklage folgt, falls die Rechnungen nicht beglichen werden. Das weitere Vorgehen werde man im Verbund absprechen, so Schirmer. Bis dahin wird der Träger der Geomed-Kreisklinik, also der Landkreis Schweinfurt, das Defizit weiter ausgleichen müssen.

 
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Kommentare
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  • Edith Kram
    @GF:

    Ich empfehle: https://www.deutschlandatlas.bund.de/DE/Karten/Unsere-Gesundheitsversorgung/129-PKW-Krankenhaeuser-Maximalversorgung.html

    Dort wird man schnell feststellen, dass bei weiteren Einschränkungen bei den Krankenhäusern eigentlich nur Brandenburg und Teile von Schleswig-Holstein schlechter versorgt sind als Bayern.

    Dass Minister Lauterbach offenbar kein Menschenfreund ist, hat Corona gezeigt.
    Er ist zwar Mediziner, aber eben nur Wissenschaftler.

    Unter https://www.gehalt.de/beruf/sachbearbeiter-krankenkasse lesen wir, was ein Sachbearbeiter bei der Krankenkasse vedient.
    Aber für Ärzte und Krankenhäuser, vorallem aber für das Pflegepersonal ist kein Geld da.

    Für abhängig Arbeitende in Deutschland ist die Krankenversicherung Pflicht. Dafür darf man dann auch medizinische Versorgung nach "dem Stand der Technik" erwarten.

    Wenn sie denn rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung steht, was nach der Reform wohl mehr als fraglich ist.
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  • Dietmar Eberth
    "Um die Krankenhäuser wirtschaftlich zu sichern, wurde mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) eine duale Finanzierung eingeführt. Dabei übernehmen die Krankenkassen die laufenden Betriebskosten der Krankenhäuser. Für die Investitionen sind dagegen die Bundesländer zuständig. "
    https://www.aok.de/gp/verwaltung/investitionsfinanzierung

    "Die Deutsche Krankenhausgesellschaft schlägt Alarm: "Die seit Jahrzehnten anhaltende chronische Unterfinanzierung, vor allem durch Ausbleiben ausreichender Investitionskostenfinanzierung der Länder, droht die bisher gute Krankenhausversorgung zu gefährden", so ihr Präsident Gerald Gaß."
    https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/krankenhaeuser-finanzierung-105.html

    Sehr hohes Niveau bei Klinikbetten pro 1000 Einwohner:
    Deutschland 7,8
    Schweiz 4,5
    Italien 3,2
    USA 2,8
    Dänemark 2,5
    https://www.zeit.de/2023/28/krankenhausreform-medizinische-versorgung-personalmangel

    Wirklich weiter so?
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  • Dietmar Eberth
    "Für abhängig Arbeitende in Deutschland ist die Krankenversicherung Pflicht "

    Um dieses Problem - einige Gruppen haben sich aus der GKV verabschiedet - zu lösen, müssen ALLE (Beamte, Selbständige, Landwirte, Handwerker, uvm) in die gleiche Krankenkasse GKV einzahlen. Eine große Gemeinschaft kann solche Verschiebungen in einzelnen Berufsgruppen viel besser auffangen. Und jetzt dürfen Sie raten welche Parteien sich dagegen seit Jahrzehnten wehren und welche Parteien das fordern.

    "Dass Minister Lauterbach offenbar kein Menschenfreund ist, hat Corona gezeigt."

    Können Sie das belegen? Mit Doktor Spahn gab es während Corona die längsten und härtesten Lockdowns (gegen die Menschen).
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  • Dietmar Eberth
    Sturm im Wasserglas?

    Bayern hat vor einem 1/2 Jahr als einziges Bundesland gegen eine Krankenhausreform gestimmt und will vermutlich durch so eine Aktion weiterhin Aufmerksamkeit erreichen. Warum sind sonst nur bayerische Krankenhäuser bei dieser Aktion beteiligt?

    https://www.tagesschau.de/inland/krankenhausreform-einigung-100.html
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