Die laufende Diskussion um die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verfolgte Reform der klinischen Versorgung in Deutschland hat wieder einmal den Blick insbesondere auf die kleinen Krankenhäuser gerichtet. Mit ihren 95 Planbetten und 280 Beschäftigten zählt die Geomed-Kreisklinik in Gerolzhofen dazu. Die drängende Frage lautet: Können diese kleinen Kliniken fortbestehen?
Geomed-Geschäftsführer Wolfgang Schirmer macht seinen Job seit 17 Jahren. Während seines Berufslebens hat der 61-Jährige, der zuvor bei einer Krankenkasse gearbeitet hat, manche von der großen Politik angestoßene Reform zur medizinischen Versorgung erlebt und hautnah verfolgt. Vielleicht liegt's an seiner Erfahrung, dass er eigener Aussage nach derzeit keine schlaflosen Nächte hat, wenn er an die bisher bekannt gewordenen Pläne der eingesetzten "Regierungskommission Krankenhaus" denkt. Endgültig entschieden sei da noch nichts. Und die zuletzt angekündigten Änderungen am Reformpaket stimmen Schirmer eher zuversichtlich, dass die einzige Klinik, die der Landkreises Schweinfurt unterhält, auch diese Reform überstehen wird.
Fast alle Häuser sind betroffen
Allerdings, da verheimlicht Schirmer auch nichts, sei die wirtschaftliche Lage der Geomed-Klinik alles andere als entspannt. Doch hier gehe es der Klinik wie sehr vielen vergleichbaren Häusern im Land. Die brenzlige Lage sei "systemisch bedingt", sagt Schirmer.
Zu dieser Einschätzung ist auch die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) gelangt. Während einer Pressekonferenz Ende März hat deren Geschäftsführer Roland Engehausen aktuell erhobene Daten von 179 Krankenhäusern – das ist gut die Hälfte der Kliniken in Bayern – vorgestellt. Demnach erwarten 71 Prozent der Kliniken ein Defizit im noch nicht vollständig abgerechneten Geschäftsjahr 2022. Für dieses Jahr sieht die Prognose noch schlechter aus: Annähernd 90 Prozent der Kliniken erwarten rote, teils sogar tiefrote Zahlen.
Die Geomed-Klinik sieht für dieses Jahr laut Schirmer ein Defizit von "deutlich über zwei Millionen Euro" auf sich zukommen. Wobei er hinter diesen Zahlen ein großes Fragezeichnen setzen möchte. Viele Faktoren seien einfach noch nicht klar, etwa die Höhe der Abschlüsse in der laufenden Tarifrunde für die Klinik-Beschäftigten. Auch wie es mit den Energiepreisen weitergeht, könne noch niemand wirklich sicher vorhersagen.
Klarer Trend beim Defizit
Klar ist aber die Richtung der Entwicklung in den zurückliegenden Jahren. Im Jahr 2020 lag das Defizit der Geomed-Klinik noch bei 0,57 Millionen Euro, im Jahr 2021 bei 0,96 Millionen Euro und vergangenes Jahr dann bei 1,6 Millionen Euro. Und dabei habe es in den Corona-Jahren 2020 bis 2022 noch staatliche Ausgleichszahlungen gegeben, die Defizite teilweise aufgewogen haben. Sonst wäre das Minus noch größer ausgefallen.
Über die Gründe für die wirtschaftliche Misere, in der fast alle Kliniken stecken, ließe sich viel schreiben. Für Schirmer stecken die Kliniken in einer "besorgniserregenden allgemeinen wirtschaftlichen Lage". Ihm ist wichtig festzustellen: Keine Klinik habe schlecht gewirtschaftet. Es liege vor allem an den laufenden Kosten, die den Kliniken davonrennen. Er erwähnt die inflationsbedingten Kostensteigerungen in quasi allen Bereichen. Diese lägen deutlich über den um 4,4 Prozent angehobenen Fallpauschalen durch die Krankenkassen. Hinzu käme ein Rückgang der Patientenzahlen. Diese dürften in der Geomed-Klinik laut Prognose in diesem Jahr gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 um bis zu acht Prozent niedriger sein.
Nothilfe für klamme Kliniken
Woran das liegt, lasse sich nicht endgültig klären, sagt Schirmer. Klar sei jedoch: Weniger Patientinnen und Patienten bedeuten einen Umsatzrückgang – bei quasi gleich bleibenden Fixkosten für die Klinik. Da helfe es zumindest etwas, dass das Bundesgesundheitsministerium mit Milliarden-Zuschüssen zumindest die Belastung durch steigende Energiekosten für die Krankenhäuser abfedern möchte. Für die Geomed-Klinik erwartet der Geschäftsführer dadurch Zahlungen von 400.000 bis 500.000 Euro.
Wichtig sei zudem, dass das Gesundheitsministerium jüngst angekündigt habe, kurzfristig Geld für besonders hart betroffene Kliniken freizugeben, damit diese wenigstens bis zum Einsetzen der Reform überleben können. Dies hatte auch die Kitzinger Landrätin Tamara Bischof als Vorsitzende der Bayerischen Krankenhausgesellschaft Ende März eindringlich gefordert.
Was die im Raum stehenden Reformpläne der Klinik-Strukturen angeht, sieht Schirmer zuletzt ebenfalls eher positive Signale aus dem Ministerium von Minister Lauterbach. Gegenüber ursprünglich bekannt gewordenen Ideen zu noch stärkerer Zentralisierung von Klinikleistungen in großen Kliniken sei mittlerweile erkannt worden, dass es bei der flächendeckenden klinischen Grundversorgung keinen Kahlschlag geben dürfe. Diese Meinung vertritt auch die Klinik Kompetenz Bayern (KKB) eG in einem Positionspapier zur Krankenhausreform. Die KKB ist ein Zusammenschluss von 25 nordbayerischen Krankenhäusern, der auch die Geomed-Klinik angehört.
Wege zu Kliniken würden weiter werden
Schirmer geht mit der KKB konform, wenn er einen grundsätzlichen Reformbedarf im Bereich der Krankenhausvergütung erkennt. Doch dürfe dies eben nicht dazu führen, dass überwiegend die ländliche Bevölkerung darunter leidet, weil für diese die Wege zu den Versorgungszentren immer weiter werden und sie länger auf OP-Termine warten müssen. Auch der Rettungsdienst würde darunter leiden, wenn kleine Kliniken komplett schließen müssten oder zumindest keine Notfälle mehr behandeln dürften.
Dahinter steckt auch die vorgesehene Reglementierung von medizinischen Leistungen, die Kliniken erbringen dürfen. Diese soll gegenüber den jetzigen Einstufungen noch strikter ausfallen. Schirmer schätzt, dass die Geomed-Klinik als Haus der Grundversorgungsstufe künftig als Klinik des Levels "1n" geführt wird. Dies hieße, dass es dort eine Abteilung für Innere Medizin, eine Chirurgie und eine Basis-Notversorgung geben würde. Bestimmte weitere Teilbereiche wie Gastroenterologie, Orthopädie oder Unfallchirurgie dürfte die Klinik fortan nicht mehr im gewohnten Umfang fortführen.
Dies schmälert nicht nur das medizinische Angebot in der Region. Auch Ärzte – die überall gesucht werden – könnten gewogen sein, kleinen Kliniken verstärkt den Rücken zu kehren. Sie könnten lieber in größeren Kliniken arbeiten, wo es mehr Leistungsbereiche und Fortbildungsmöglichkeiten gibt, gibt Schirmer zu bedenken.
Mehr Geld ist nicht das Wichtigste
Sorgen bereitet ihm nicht nur der Blick aufs ärztliche Personal. Im Pflegebereich fehlt es an allen Ecken und Enden. Und: Die Zahlen der Berufsbewerber gingen laut Schirmer zurück. Für ihn müsste es bei jeder anstehenden Krankenhausreform auch immer darum gehen, wie Personal gehalten oder neues gewonnen werden kann. "Die Diskussionen drehen sich viel zu sehr ums Geld", sagt er.
Seinen Erfahrungen nach gehe es vielen Beschäftigten eher um die Arbeitsbedingungen, die verbessert werden müssten. Er nennt beispielhaft die überhand nehmenden Dokumentationspflichten und der Umstand, dass häufig kurzfristig angefragt werde, ob Dienste für ausgefallene Kolleginnen und Kollegen übernommen werden könnten. Hier müsse es dem Pflegepersonal leichter gemacht werden.
Was den Geomed-Geschäftsführer trotz allem zuversichtlich stimmt ist der Umstand, dass der Landkreis als Gesellschafter sich bislang immer klar hinter der Klinik und deren Standort sowie deren Funktion als Grundversorger in der Region positioniert hat. Ein gewisses Potenzial sieht Schirmer auch in weiteren Kooperationen mit anderen Kliniken, ob auch über Landkreisgrenzen hinweg, müsse die Zukunft zeigen.
Bereits seit einigen Jahren arbeitet die Geomed-Klinik mit dem Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt in mehreren Bereichen eng zusammen, etwa mit Dr. Matthias Blanke in der Unfallchirurgie, beim Einkauf, in der Ausbildung des Personals oder über die Krankenhaus-Apotheke. Dies funktioniere laut Schirmer sehr gut. In wenigen Notfällen habe das Leopoldina-Krankenhaus sogar schon bei Personalengpässen in Gerolzhofen ausgeholfen.