Jetzt kann Hubert Hauck nur noch hoffen – darauf, dass andere ihr Wort halten und alles daran setzen werden, dass sein Milchviehbetrieb nördlich von Gerolzhofen jederzeit erreichbar bleiben wird. Denn trotz der vom Landwirt vorgetragenen Bedenken hat der Stadtrat am Montagabend beschlossen, den asphaltierten Weg zum Rosen- sowie zum benachbarten Lindenhof zu entwidmen. Die vorgesehene Ersatzzufahrt über eine Schotter- und Graspiste würde ohne Ausbau ausreichen, um die Gehöfte zu erreichen. Auch bei Schnee und Matsch.
"Natürlich habe ich gehofft, dass das anders ausgeht", blickt Hauck am Dienstagvormittag auf Nachfrage dieser Redaktion auf den am Vorabend vom Ferienausschuss des Stadtrats mit 8:2 Stimmen gefassten Beschluss. Nur Burkhard Wächter (CSU) und Stefanie Döpfner (Geo-net) hatten dagegen votiert. Wie berichtet, fürchtet Hauck, dass die ausgewiesene Ersatzzufahrt zu seinem Hof entgegen der Annahme von Fachleuten nicht bei jedem Wetter für Lastwagen befahrbar bleibt. Die Folge wäre, dass der notwendige Transport von 7000 Litern Milch alle zwei Tage ausfiele. Ein existenzbedrohendes Szenario für den Landwirt.
Statements der Fraktionen: Landwirt spricht von "Show"
Was ihn am Verlauf der Stadtratssitzung gestört und letztlich "frustriert" hat, wie er sagt: Die dem Beschluss vorausgehende Debatte erfolgte hinter verschlossener Türe. Denn wie bereits in der Woche zuvor hatte Zweiter Bürgermeister Erich Servatius als Sitzungsleiter die Zuhörerinnen und Zuhörer des Saals verwiesen, für rund 40 Minuten.
Was dann folgte, bezeichnet Landwirt Hauck als "reine Show". Beginnend mit Arnulf Koch (CSU) äußerten sich alle Fraktionen in Statements zu den nicht öffentlich abgewogenen Argumenten. Koch sprach offen davon, dass der Stadtrat die Bedeutung des bisherigen Zufahrtswegs zu den Höfen Richtung Mönchstockheim "nicht auf dem Schirm gehabt habe".
Letztlich habe der Stadtrat jedoch die Aufgabe, die Stadt so zu entwickeln, dass unterschiedliche Interessen berücksichtigt werden. Man müsse sicherstellen, dass der Neubau des Logistik-Standorts des Unternehmens Schäflein wie beabsichtigt voranschreiten kann. Hierfür müsse der Flurweg, der mitten durch den Baugrund führt, entwidmet, beseitigt und an anderer Stelle ersetzt werden. "Dies dauert vielleicht zehn Monate", warb Koch um Geduld.
Urteil der Experten: Vorhandener Weg genügt den Vorgaben
Doch während dieser Zeit müsse zugleich verhindert werden, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb seine Existenz verliert, "dies wäre eine Katastrophe". Koch versprach im Namen des Stadtrats, dass der Ersatzweg durch engmaschige Kontrolle in einem allzeit befahrbaren Zustand bleiben werde. Dass dies möglich ist, hätten Experten festgestellt. "Und ich glaube, dass die Verwaltung das hinbekommt, wie sie uns versichert hat."
Die Aussagen von Fachleuten und des Stadtbauamts zum akzeptablen Zustand der Interimszufahrt "können wir nicht ignorieren", befand auch Thomas Vizl (Geo-net). Kritisch merkte er mit Blick auf die Verwaltung an, dass dort für ihn bis jetzt nicht alle rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Entwidmung des gut 150 Meter langen Abschnitts des Flurwegs geklärt wurden. Auch habe der Stadtrat darüber im Vorfeld nichts erfahren. Und durchaus selbstkritisch fügte Vizl an: "Wir müssen uns fragen, warum wir das vergangene halbe Jahr nicht genutzt haben, um die Fragen rechtzeitig zu klären."
"Vollendete Tatsachen": Finster kritisiert Beschlusszeitpunkt
Der Stadtrat sei in der Sache "vor vollendete Tatsachen gestellt worden", bedauerte Norbert Finster (SPD). Auf dem Schäflein-Areal sind Baumaschinen bereits aktiv und der Flurweg zu den Höfen ist seit 28. Juli gesperrt. Um die Ansiedlung des Logistikers, der, was Finster wichtig ist, auch akademische Arbeitsplätze in die Stadt bringen möchte, nicht zu gefährden, sieht Finster für den Stadtrat nur einen Ausweg: "Wir müssen den Weg entwidmen."
Vor dem Hintergrund der bis heute nicht ganz geklärten Rechtslage begrüßte Günter Iff (Freie Wähler), dass die Besitzer des Linden- und Birkenhofs rechtliche Schritte eingeleitet haben. Fakten – über die der Stadtrat heute nicht entscheiden könne – müsste notfalls ein Gericht klären. Auch für Iff ist klar: Die Zufahrt zu den Höfen müsse sichergestellt sein, wie es der Stadtrat in seinem Beschluss extra ausformuliert hat.
Dokument aus dem Jahr 1969: Noch rechtskräftig oder wertlos?
Für Alfred Weigand, den Besitzer des Lindenhofs, bleibt es, wie er gegenüber dieser Redaktion sagt, spannend, ob die Sache vor Gericht entschieden wird. Er und Hauck würden sich auf die ausstehende Einschätzung ihres Rechtsanwalts verlassen. Es gehe um die Frage, welche Rechtskraft eine Passage in der im Oktober 1969 gefassten Schlussfeststellung zur Flurbereinigung heute noch hat.
In diesem Dokument, das der Redaktion in Kopie vorliegt, heißt es, dass die Stadt Gerolzhofen "über das Eigentum an den Straßen und Wegen nur in Übereinstimmung mit den Interessen der an der Flurbereinigung beteiligten Grundeigentümer oder deren Rechtsnachfolger verfügen" kann. Fest steht: An diese Vorgabe hat die Stadt sich nicht gehalten. Mit den den betroffenen Landwirten wurde über die geplante Entwidmung des Flurwegs nicht gesprochen.
Doch das alles hat ein "Gschmäckle": Zusagen an den Käufer, Ausschluß der Öffentlichkeit während einer öffentlichen Sitzung, fehelende Beteiligung der unmittelbar Betroffenen und die dringende Entscheidung im Ferienausschuß und und...
Ein Schelm, wer hier Böses denkt oder gar illegale Absprachen vermutet.
Liegt das "Wohl der Allgemeinheit" an der Gewinnmaximierung bei Schäflein, an den über Jahre fehlenden, weil druch Abschreibungen ausfallenden Steuereinnahmen oder dem großzügigen Flächenfraß?
Oder ist es nicht so, dass die Fa. Schäflein schon jetzt an ihrem Betriebssitz zu wenig Arbeitskräfte findet (siehe Stellenanagebote auf der Webseite der Firma)?
Und bitte, welche akademischen Berufe kann ein Logistiker zur Verfügung stellen? BWL'ler, Kommissionierer und ???
Was ist zudem mit Auflagen, z.B. Photovoltaik auf dem Dächern der Gebäuden?
Das wäre zum Wohle der Allgemeinheit.