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Garstadt/München
Toter Polizeischüler: Strukturelle Fehler in der Waffenausbildung?
Haben Mängel in der Organisation der Bereitschaftspolizei mit zum Tod des 21-Jährigen aus Garstadt geführt? Das vermuten die Grünen. Nun äußert sich das Innenministerium.
Ein Polizeischüler im Unterricht am Ausbildungsstandort der Bereitschaftspolizei III. Abteilung Würzburg.
Foto: Daniel Karmann, dpa | Ein Polizeischüler im Unterricht am Ausbildungsstandort der Bereitschaftspolizei III. Abteilung Würzburg.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:24 Uhr

Wie konnte es dazu kommen, dass der 21-jährige Polizeischüler Julian Konrad im Februar 2019 von einem Kameraden in der Kaserne der Bereitschaftspolizei in Würzburg erschossen wurde? Auch nach dem Prozess gegen den zur Tatzeit 19-jährigen Schützen im Juli 2020 blieben aus Sicht von Julians Eltern und in der öffentlichen Wahrnehmung zahlreiche Fragen unbeantwortet. Inzwischen ist der Fall auch Thema im Landtag.

Der unterfränkische Grünen-Abgeordnete Paul Knoblach, ein Cousin der Mutter des getöteten Polizeischülers, kritisiert, dass es im Prozess – an dessen Ende der Schütze wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden war – "zur Verantwortlichkeit der Ausbilder und denkbaren Fehlern in der polizeilichen Organisationsstruktur kaum Aussagen" gegeben habe. Deshalb schickte Knoblach einen 23 Punkte umfassenden Fragenkatalog an das bayerische Innenministerium. Das hat nun geantwortet. Die zentrale Aussage: An einigen Stellen wurde nachgebessert.

Neu: Vorgesetzte überwachen jetzt Wachwechsel

So müsse nun "bei jedem Wachwechsel" ein sogenannter Führungsbeamter anwesend sein. Der Schütze hatte am Tattag um 14 Uhr, nach dem Ende einer ersten Wachschicht, seine Magazine abgegeben, aber eine Patrone im Lauf der Waffe gelassen. So kam es, dass er am Abend, als er sich mit Julian auf eine weitere Wachschicht vorbereitete, bei einem – laut Anklage – "simuliertem Schusswaffeneinsatz" eine geladene Pistole auf seinen Kameraden richtete und abdrückte.

Im Februar 2019 war es laut Ministerium "nicht vorgesehen", dass ein Vorgesetzter das Entladen der Waffen kontrolliert. Die Polizeischüler übernahmen das untereinander. Auch ein Kontrollschuss, etwa in eine Sandkiste, sei damals nicht angeordnet gewesen, heißt es auf Nachfrage der Redaktion. Das sei auch künftig nicht vorgesehen.

Zeuge nicht vor Gericht gehört

Was bei dem Wachwechsel am Tattag geschah, scheint indes tatsächlich noch nicht restlos aufgeklärt. Wie das Ministerium gegenüber der Redaktion bestätigt, habe ein Polizeibeamter, der den späteren Schützen am Nachmittag abgelöst hatte, in einer Vernehmung ausgesagt, er habe den Angeklagten aufgefordert, die Waffe zu entladen. "Auf mehrmalige Nachfrage, ob er die Waffe entladen habe", sei dies durch den damals 19-Jährigen "bejaht worden". Der Zeuge war vom Gericht allerdings nicht gehört worden, wie Jürgen Scholl, Anwalt der Familie Konrad, kritisierte.

Laden, Entladen, Sicherungsprüfung: Neues Training an der Waffe eingeführt

Insgesamt habe eine "Expertengruppe", die nach Julians Tod "die gesamte Waffen- und Schießausbildung der Bereitschaftspolizei überprüft" habe, "keine strukturellen Problemfelder in der Waffen- und Schießausbildung festgestellt", so das Innenministerium auf die Anfrage der Grünen. Dennoch sah man offenbar Handlungsbedarf: So sei etwa "ein weiteres verpflichtendes Handhabungstraining mit der Dienstwaffe durchgeführt" worden, teilt das Ministerium mit. Auf dem Stundenplan: Laden, Entladen, Sicherheitsüberprüfung. Und: "Im Rahmen der Waffenausbildung wurde das theoretische Prüfungswissen überprüft und stellenweise angepasst."

Ein Widerspruch? Aus Sicht des Innenministeriums nicht. "Das zusätzliche Handhabungstraining" solle die "bereits bestehenden Aus- und Fortbildungsinhalte" ergänzen, heißt es auf Nachfrage der Redaktion. Es sei "als unmittelbare Reaktion der Behördenleitung auf den tragischen Unglücksfall" angeordnet worden - und zwar "deutlich vor der Berichtsvorlage durch die Expertengruppe".

"Man hat den tragischen Todesfall zum Anlass genommen, Dinge zu ändern, schafft es aber nicht, sich einzugestehen, dass diese Maßnahmen auch vorab schon erforderlich gewesen wären", kritisiert indes Paul Knoblach. "Es muss aus meiner Sicht dringend umfassend geklärt werden, ob die Staatsregierung eine Mitschuld am Tod des Polizeischülers trägt", so der Abgeordnete aus Garstadt (Lkr. Schweinfurt).

36-mal versehentlich geschossen

36 unbeabsichtigte Schussabgaben hat es laut Ministerium bayernweit seit Anfang 2019 gegeben. Fünf davon in Unterfranken, die meisten – 21 – in Oberbayern. Alle Fälle würden entweder straf- oder disziplinarrechtlich verfolgt.

Wie es juristisch im Fall um den Tod von Julian Konrad weitergeht, ist offen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil von Juli Berufung eingelegt. Wann erneut verhandelt wird, steht noch nicht fest. Außer gegen den Schützen wurden laut Ministerium gegen zwei weitere, am Wachwechsel beteiligte Beamte dienstrechtliche Verfahren eingeleitet. Eines davon sei bereits abgeschlossen. Der Schütze selbst sei auf eigenen Antrag zum 30. September aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden.

 
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Kommentare
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  • festoessel@gmail.com
    Könnte man denn eine Pistole durchleuchten, um zu überprüfen, ob die Patronenkammer wirklich leer ist? Welches Verfahren käme in Frage? Oder ist in Augenscheinnahme des Waffeninhabers die einzig mögliche Methode der diesbezüglichen Sicherheitsüberprüfung?
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