zurück
Würzburg
Kommentar: Zu wenig Öffentlichkeit im Polizeischüler-Prozess
Nur zwei Journalisten konnten die Verhandlung im Gerichtssaal verfolgen. Aus Platzgründen, wie das Gericht sagt. Das darf nicht kritiklos hingenommen werden.
Im Justizzentrum Würzburg fand am Dienstag der Prozess gegen den Polizeischüler statt, der seinen Stubenkameraden versehentlich erschossen hatte.
Foto: Thomas Obermeier | Im Justizzentrum Würzburg fand am Dienstag der Prozess gegen den Polizeischüler statt, der seinen Stubenkameraden versehentlich erschossen hatte.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 19:47 Uhr

Dass in Corona-Zeiten aufgrund der Abstandsregeln die Zahl der Plätze in den Gerichtssälen begrenzt ist, ist klar. Dass am Dienstagmorgen, vor dem Prozess gegen den Polizeischüler, zunächst Angehörige in den Raum gelassen wurden, war richtig. Doch dass das Würzburger Amtsgericht dann nur zwei Medienvertreter die Verhandlung beobachten ließ, während ein knappes Dutzend Journalisten aus Platzmangel vor verschlossener Tür auf Informationen der im Saal sitzenden Reporterkollegen wartete und auf Meldungen eines Gerichtssprechers angewiesen war – das darf nicht sein, das darf nicht kritiklos hingenommen werden.

Es war klar, dass bei diesem Prozess das Interesse der Öffentlichkeit groß sein würde. Schließlich ging es nicht nur um eine menschliche Tragödie, sondern auch um die Frage, wie es zu der Abgabe des Schusses hatte kommen können. Und um die Frage, ob ein Fehler im System mit Schuld hatte: Wenige Tage bevor der jetzt verurteilte Polizeischüler seinen Stubenkameraden erschoss, hatte ein Bereitschaftspolizist in Würzburg schon versehentlich einen Schuss in einem Büro abgegeben. Vor diesem Hintergrund war dieser Prozess einer, der nach Öffentlichkeit geradezu schrie.

Ein Akkreditierungsverfahren hätte helfen können

Das Gericht hat das nicht erkannt, unterschätzt – oder ignoriert. Der lapidare Kommentar des Richters: "Ich hätte auch die Flyeralarm Arena füllen können. Was soll man machen?"

Ganz einfach: Zum Beispiel ein Anmeldeverfahren für Journalisten durchführen, wie es in anderen großen Prozessen üblich ist. Oder man hätte die Verhandlung in einem größeren Raum ansetzen können, selbst wenn er nur fünf Plätze mehr bietet.

2013 hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem Beitrag zum Thema "Öffentlichkeit und Berichterstattung im Strafprozess" zusammengefasst: "Als Verhandlungsraum ist eine Räumlichkeit von ausreichender Größe zu wählen. (...) Soweit dies aufgrund der örtlichen Gegebenheiten möglich ist, sind für Medien- und Presseorgane besondere Plätze bereitzustellen." Weil diese, so die Begründung, laut Grundgesetz "einen Anspruch auf Informationszugang haben". Beides ist am Dienstag am Würzburger Amtsgericht nicht geschehen.

Zugegeben: Das Gericht hat die Öffentlichkeit nicht grundgesetzwidrig ausgesperrt. Es hat ihr die Tür aber nur einen Spalt breit geöffnet. Die Frage, wie viel Öffentlichkeit ausreichend ist, ist schwer zu beantworten. Bei diesem Prozess war es zumindest aus Beobachtersicht viel zu wenig - und der Spalt blieb zu klein. Bleibt zu hoffen, dass man – auch in Corona-Zeiten – für anstehende Verhandlungen bessere Lösungen findet.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Benjamin Stahl
Amtsgerichte
Deutscher Bundestag
Fehler
Gerichtssäle
Journalisten
Tragödien
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Albatros
    Früher ging das Volk zu öffentlichen Hinrichtungen, heute geht man, sofern die Sitzung öffentlich ist, zu Gerichtsverhandlungen. Für mich ist es die gleiche Art von Voyeurismus wie das Fotografieren von Unfällen oder sonstigen außergewöhnlichen Ereignissen. Die Presse hat zweifellos ein legitimes Interesse an derartigen Prozessen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • uwe.luz@t-online.de
    Die Öffentlichkeit des Verfahrens ist - im Gegensatz zur "Kabinettsjustiz" im 18. Jahrhundert - ein ganz wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaats. Die Öffentlichkeit muss kontrollieren können, ob die Justiz sich regelkonform verhält. Das kann so weit führen, dass ein ganzer Prozeß wiederholt werden muss, nur weil die Zugangstür zum Zuhörerraum versehentlich abgeschlossen blieb - obwohl keine Zuhörer beim Gericht erschienen waren!

    Auf der anderen Seite finden über 90 % der Verfahren ohne jegliches Zuschauerinteresse statt. Die meisten Sitzungssäle der Justiz sind daher von begrenzter Größe. Es waren ja Journalisten zugegen und daher ein Rechtsverstoß des Amtgerichts nicht gegeben.

    Grundsätzlich problematischer ist, dass die pingeligen Zugangskontrollen bei den Gerichten die interessierte Öffentlichkeit von vorn herein davon abhält, Gerichtsverhandlungen zu besuchen. Früher waren oft ein paar Rentner in den Zuhörerbereichen, doch heute gibt sich keiner mehr die Leibesvisitation.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • juergenmagic@t-online.de
    Öffentlichkeit sind nicht nur die Medienvertreter, sondern auch die Bürger. Wenn eben alle Plätze besetzt sind, dass hat man Pech gehabt. Wie heißt es so schön: "Wer zu spät kommt, …" Dass die Angehörigen ein Vorrecht hatten, ist ja wohl mehr als verständlich. In der heutigen Zeit sind halt mal überall die Plätze begrenzt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Arcus
    Ich kann Herrn Stahl nur zustimmen. Gerichtsverfahren brauchen mehr Öffentlichkeit auch in Corona-Zeiten. Öffentlichkeit verhindert auch das ein oder andere hanebüchende Urteil. Gerade auch, weil der Gesetzgeber das Strafrecht inflationär ausgeweitet hat und der Grundsatz Strafe als äußerstes, nicht Nächstliegendes Instrument, umgekehrt wurde.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • harryamend@outlook.de
    @Arcus
    Ein Urteil fällt der Richter und nicht Öffentlichkeit. Irgendwas bringen Sie hier gehörig durcheinander.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • thomashemmerich@web.de
    @ Arcus
    Und wenn die MP auch keinen der zusätzlichen 5 bzw 7 Plätze bekommen hätte, wäre dann eine Halle etc gefordert worden?
    Es war Öffentlichkeit vorhanden sowie Vertreter der Presse. Viele Meldungen .... auch in der MP werden durch Reuters, DPA usw verbreitet und abgedruckt, ohne dass ein Vertreter der MP dabei war. Ich verstehe hier die Kritik des Redakteur überhaupt nicht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Winfriedvath@web.de
    "Das Gericht hat die Öffentlichkeit nicht grundgesetzwidrig ausgesperrt" schreibt Benjamin Stahl. Andererseits beklagt er, dass die Reporter auf aus angewiesen waren, was der Gerichtssprecher weitergab. Fünf Plätze mehr hätten immerhin sieben Pressevertreter bedeutet anstatt nur zwei. Vielleicht sollte sich die Mainpost halt mal getrauen, gegen die Entscheidung des Richters zu klagen. Dann könnte, letztendlich wahrscheinlich durch das Bundesverfassungsgericht, entschieden werden, ob dies rechtmäßig war.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • info@ehrbar-weinstube.de
    Mal wieder ein sehr gut geschriebener Artikel des Redakteurs. Sachlich, Informativ, mit feinschliff einzelne Punkte schlüssig zusammengefasst, verständnissvoll abgewogen, unaufgeregt kritisiert und den gesamten Zustand nüchtern ohne unnötige Emotionen oder Parteiergreifung dargestellt. Solche Artikel sind eine Freude zu Lesen. Weiter so!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Winfriedvath@web.de
    Der Kommentar ist in sich nicht schlüssig. Erst lange beklagen, weil der Zutritt beschränkt war und dann zur Schlussfolgerung gelangen, dass es nicht grundgesetzwidrig war, ist etwas überraschend. Eigentlich hätte der Kommentator zu diesem Zeitpunkt seinen Kommentar wegschmeißen müssen. Das ist ja so als ob ein Richter in der Urteilsbegründung viele Gründe anführt, die für die Schuld des Angeklagten sprechen, ihn dann aber doch freispricht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • daniel.englbauer@churchsol.de
    Spricht da vielleicht die Enttäuschung eines Medienvertreters, der es nicht bis in den Saal geschafft hat?
    Der Redakteur führt an, man hätte den "großen Sitzungssaal" für den Prozess auswählen können. Fünf Plätze mehr. Garantie für einen MainPost-Platz?
    Der Redakteur zitiert den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages: "Soweit dies möglich ist..." Ganz offensichtlich war es nicht möglich. Das Gericht hat den Saal genutzt, in dem es offenbar - so die eigene Berichterstattung - gewohnheitsmäßig tagt.
    Alternative? Vielleicht doch die Flyeralarm-Arena?
    Ja, das öffentliche Interesse war/ ist groß. B5 aktuell hat daher berichtet, SPIEGEL online auch. Das zeigt doch, dass aus dem Gerichtssaal umfassend an die Medienvertreter relevante Informationen weitergegeben wurden - es sei denn, die Reporter von B5 und SPIEGEL waren die einzigen Glücklichen, die beiwohnen durften.
    Ist das also wirklich ein Problem der Öffentlichkeit (wer immer das sein mag) oder eher die Kränkung eines Einzelnen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • harryamend@outlook.de
    @wiggins
    Genau das war auch mein Gedanke denn der Fall war ja sonnenklar. Bei der Verhandlung ging es ja nur darum wie das ganze zu bewerten und einzuroden ist und das geht auch Medienvertreter wie ich finde. Viele Medienvertreter machen sich meiner Meinung einfach zu wichtig und spielen dann den beleidigten wenn sie nicht so dürfen wie sie wollen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten