15 Monate Haft für den tödlichen Leichtsinn, der dem Kumpel und Mitschüler das Leben gekostet hatte: So lautet das Urteil im Prozess gegen einen 21-jährigen Polizeischüler am Dienstag in Würzburg.
Das Gericht um den Vorsitzenden Bernd Krieger setzte die Strafe zur Bewährung aus. Es blieb damit nach Angaben von Gerichtssprecher Jürgen Reiher unter dem Antrag des Oberstaatsanwalts, der 22 Monate nach Erwachsenen-Strafrecht gefordert hatte. Der Angeklagte habe „völlig unnütz und sinnlos“ abgedrückt, so Thorsten Seebach in seinem Plädoyer.
Verteidiger Peter Auffermann plädierte „für eine Jugendstrafe in bewährungsfähiger Höhe", die seinem Mandanten "eine Chance für ein weiteres Leben" gebe. Der Anwalt der Nebenklage sagte, er könne „nicht feststellen, dass der Angeklagte zu seinen Verfehlungen steht“. Eine WhatsApp des Angeklagten an seinen Bruder am Tat-Abend - rund 40 Minuten nach dem Schuss - zeige dies: "Mein Leben ist zu Ende. Ich gehe jetzt für zehn Jahre in den Knast", heißt es darin. Der Anwalt sprach sich für eine Strafe in nicht mehr bewährungsfähiger Höhe aus, also für mindestens zwei Jahre.
Jugendgerichtshilfe sieht Reife-Defizite
Eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe hatte im Handeln des zur Tatzeit 19-jährigen Angeklagten Reife-Defizite gesehen. „Für ihn ist es die größte Strafe, dass er mit der Schuld leben muss“, betonte sie in der Verhandlung. Ob das stimme, fragte der Vorsitzende den Angeklagten. Der rang sich nur ein Wort ab: „Richtig.“
Am Endes des Verfahrens ergriff er, sichtlich mitgenommen, doch noch selbst das Wort: „Das alles tut mir sehr leid“, versicherte er den Angehörigen. Und: „Ich werde mich meiner Verantwortung stellen.“
Nach dem tödlichen Schuss in der Unterkunft der Würzburger Bereitschaftspolizei im Februar 2019 hatte der Polizeischüler den Ermittlern gegenüber so ausgesagt: Er und sein Stubenkamerad hätten vor Beginn ihres Wachdienstes das schnelle Ziehen der Waffe aus dem Holster geübt. Sein Mitschüler sei vorangegangen, habe die Pistole gezogen und „Deutschuss“ gerufen. „Hierauf zog auch der etwa 1 bis 1,5 Meter hinter dem Geschädigten stehende Angeklagte seine Dienstwaffe und legte Richtung Fenster an“, zitierte Oberstaatsanwalt Seebach im Prozess.
Gegen alle Dienstvorschriften habe der Angeklagte dann auch noch abgedrückt, obwohl sein Kollege im Streubereich der Waffe stand. Ein Schuss krachte, der damals 21-Jährige wurde in den Hinterkopf getroffen und starb kurz darauf.
Tödlicher Fehler am Ende des Wachdienstes
Einem Ermittler zufolge war der grundlegende Fehler am Ende des vorangegangenen Wachdienstes passiert. Da habe der damals 19-jährige Angeklagte das Magazin seiner Dienstpistole mit 14 Schuss abgegeben, ohne die 15. Patrone aus dem Lauf zu nehmen. In der Unterkunft simulierten er und sein Stubenkamerad dann vor ihrem nächsten Dienst den Schusswaffeneinsatz.
Dabei hätten sie gewarnt sein müssen. Wenige Tage vorher hatte sich in der Kaserne schon einmal versehentlich ein Schuss aus einer Dienstpistole gelöst, dabei aber nur ein Fenster getroffen. Auch der Angeklagte und sein Kumpel waren danach zum Einhalten der Vorschriften beim Handhaben der Waffe ermahnt worden.
Das öffentliche Interesse am Prozess war - wie erwartet - groß. Doch die Verhandlung war in einem kleinen Sitzungssaal mit nur zehn Zuschauern angesetzt worden. „Ich hätte auch die Flyeralarm-Arena füllen können“, hört man den Vorsitzenden sagen, „was soll man machen?“ Die Wachtmeister ließen zuerst die Angehörigen in den Raum. Fast alle Medienvertreter und zwei Dutzend Zuschauer blieben ausgesperrt.
Großer Auflauf, kleiner Sitzungssaal
Laut Pressesprecher Jürgen Reiher war der große Sitzungssaal anderweitig belegt gewesen - „und da haben wir wegen Corona auch nur fünf Plätze mehr“. Er wies Spekulationen zurück, dass man absichtlich einen kleinen Saal gewählt habe. Das Gericht tage "wie immer" im zweitgrößten Saal.
Den Aushängen zufolge fand im großen Sitzungssaal am Dienstagvormittag ein Drogenprozess statt - ohne Publikum. Am Prozess gegen den Polizeischüler nahm schließlich der Gerichtssprecher selbst teil, um die Wartenden vor der Türe immer wieder über den Verlauf zu informieren.
Zum Prozessauftakt hatte der Angeklagte die Vorwürfe in vollem Umfang eingeräumt. In einer schriftlichen Stellungnahme, die sein Verteidiger vor Gericht vorlas, gestand er beim Entladen und der Kontrolle seiner Dienstwaffe nachlässig gehandelt zu haben. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass sich im Lauf der Dienstwaffe noch eine Kugel befand.
Schon mehrfach hätten er und sein Freund mit der Waffe posiert, gab der Angeklagte während der Verhandlung zu. Die weiteren Ermittlungen hätten nichts ergeben, was seiner Erklärung zum Ablauf widerspräche, sagte der Beamte des Landeskriminalamts. Damit schloss gegen Mittag die Beweisaufnahme, zwei Stunden später fiel das Urteil.
Vater des Opfers: "Er soll ein Leben lang an die Tat denken"
Die Eltern des Opfers zeigten sich hinterher unzufrieden mit dem Prozess. "Es ging mehr um seine Befindlichkeiten als um die Aufklärung der Tat", sagte der Vater über den Angeklagten. "Er soll ein Leben lang an die Tat denken, so, wie wir es müssen." Zusätzlich zur Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung muss der Angeklagte 2400 Euro in Raten von 100 Euro an die Eltern des Verstorbenen zahlen.
Der Angeklagte verzichtete auf Rechtsmittel, die anderen Beteiligten gaben zunächst keine Erklärung ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Ladestand eines Magazins ist normalerweise mit einem Blick zu erfassen - es gibt speziell dafür Löcher oder Schlitze im Magazin, um das visuell erkennen zu können.
Würde mich überraschen, wenn das bei Dienstwaffen der Polizei anders wäre …
Müssen zehn Reporter das Urteil des Richters unterschiedlich dokumentieren?
Bitte denkt auch mal an die beiden Familien
Übrigens attestiere ich nur den wenigsten Polizeischülern eine ausreichte Reife um einen gewissenhaften Dienst auszuführen. Schlimm nur, dass unreife Jungpolizisten dann auf die Bevölkerung losgelassen werden.
Ach? Sie kennen alle Polizeischüler? Sind Sie dort beschäftigt?
Besten Dank für Rückmeldung.
vielleicht sollte man bei manchen Artikeln einfach die Kommentarfunktion abstellen...
Es bringen auch nicht alle Menschen die für den Umgang mit einer Schusswaffe erforderlichen Persönlichkeitsmerkmale mit.
Auf jeden Fall sollte die Polizei ihr Auswahl- und ihr Ausbildungskonzept überdenken.
Und das Nachzählen der zurückgegeben Munition wäre sicher auch keine schlechte Idee …
Jeder vermiedene Unglücksfall ist ein Erfolg. Aber ein Restrisiko wird immer bleiben … wie gesagt: Menschen machen Fehler.
Das spielt aber nicht wirklich eine Rolle! Denn auch beim Bund hast Du nämlich was gelernt:
Wichtigster Satz: "Die Schußwaffe ist stets als geladen zu betrachten bzw. als geladene Waffe zu behandeln". Und das MUSS sitzen!
Als nächstes: "Die Waffe ist kein Spielzeug. Sie darf, auch in entladenem Zustand, niemals auf Menschen gerichtet werden. Einzige Ausnahme ist der gezielte Schuß im Einsatz, um Gefahr für Leib und Leben abzuwenden, sofern alle anderweitigen Maßnahmen ohne Erfolg sind."
"Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass sich im Lauf der Dienstwaffe noch eine Kugel befand."
Schwer zu sagen wer hier versagt hat. Aber ich tendiere schon in Richtung Ausbildung.
Die Regel beibringen ist einfach. Reines Auswendig lernen. Die Einhaltung im täglichen Umgang kann man aber beobachten und Nachlässigkeiten im Verhalten lassen sich recht einfach erkennen. Das ist meine Aufgabe als Ausbilder. Und die nehme ich ernst!
Wenn man ihn so dasitzen sieht, möchte man ihn am liebsten in den Arm nehmen und trösten :‘(