
Nach monatelangen Ermittlungen der Kripo hat die Staatsanwaltschaft Schweinfurt beim Amtsgericht Anklage gegen den früheren Leiter des Schweinfurter Theaters und des städtischen Kulturamts erhoben. Der Vorwurf lautet Verdacht der Untreue, erklärt der leitende Oberstaatsanwalt Axel Weihprecht in einer Mitteilung. Das Amtsgericht Schweinfurt entscheidet nach Anhörung des Angeschuldigten über die Zulassung der Anklage.
Dem Angeschuldigten, dem die Stadt Schweinfurt Mitte Mai nach Einsicht in die Ermittlungsakte fristlos gekündigt hatte, wird laut Weihprecht unter anderem zur Last gelegt, "im Zeitraum von 2016 bis 2020 gegenüber der Stadt Schweinfurt private Aufwendungen als dienstlich veranlasste bzw. seitens der Stadt vertraglich geschuldete Bewirtungskosten geltend gemacht zu haben". Den entstandenen Schaden beziffert die Staatsanwaltschaft auf rund 10 500 Euro.
Die Ermittlungen zu den Bewirtungskosten erstrecken sich nach Recherchen dieser Redaktion auf die vergangenen fünf Jahre. Geprüft wurden sowohl der Verzehr in der Theaterkantine als auch über 100 Bewirtungsbelege, bei denen der frühere Amtsleiter Essen im In- und Ausland mit Geschäftspartnern des Theaters in Höhe von gut 3300 Euro abgerechnet haben soll und sich erstatten ließ. Die Kripo fand offenbar heraus, dass mehrere Dutzend dieser Belege nicht korrekt waren: Die darauf genannten Geschäftspartner hatten bei den Ermittlungen demnach angegeben, gar nicht mit dem Theaterleiter beim Essen gewesen zu sein. Mit wem er stattdessen Speisen und Getränke konsumierte, ist derweil offen.
Früherer Theaterleiter äußert sich nicht zu den Vorwürfen
Es gilt als "branchenüblich" in der Kulturszene, sich mit Geschäftspartnern zu treffen und über Verträge oder neue Engagements zu sprechen. Dafür hatte das Theater Schweinfurt auch einen eigenen Bewirtungsetat. Ob und warum Belege abgerechnet wurden, bei denen die notierten Gesprächspartner gar nicht dabei waren, wird das Gericht klären müssen - wenn die Anklage zugelassen wird. Offiziell äußert sich der frühere Theaterleiter nicht zu den Vorwürfen.
Außerdem erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen eines weiteren Sachverhaltes: "Der Angeschuldigte soll im Jahr 2018 ohne erkennbaren eigenen Vorteil einem gemeinnützigen Verein zu Lasten der Stadt Schweinfurt zirka 4800 Euro zugewandt haben, indem er statt eines Verlusts, der durch eine von dem Verein im Stadttheater veranstaltete Aufführung entstanden war, einen Gewinn abrechnete", schreibt Axel Weihprecht in der Mitteilung von Montag.
Abrechnung der Veranstaltung im Theater auch von Rechnungsprüfung kritisiert
Diese Veranstaltung und einige weitere waren auch von der städtischen Rechnungsprüfung kritisiert worden. Bei einer Sonderprüfung des Theaters wurden zahlreiche Probleme in dem Amt aufgelistet, wie Teilnehmer der nicht-öffentlichen Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses im März bestätigten.
Bei der von der Staatsanwaltschaft nun angeklagten mutmaßlich falsch abgerechneten Veranstaltung geht es darum, dass Kosten, die das Theater hatte, nicht in Rechnung gestellt wurden. So wurde zunächst ein niedriger vierstelliger Gewinn ausgezahlt, obwohl der Veranstalter eine niedrige vierstellige Summe hätte an die Stadt zahlen müssen. Bislang unklar ist, ob die Stadtverwaltung mittlerweile die Abrechnung korrigiert und das Geld zurückgefordert hat.
Ermittlungen gegen andere Führungskraft gehen weiter
Nach Informationen dieser Redaktion wird gegen eine zweite Führungskraft in der Stadtverwaltung weiterhin ermittelt. Ende März hatten Kripo und Staatsanwaltschaft bei einer Bürodurchsuchung in der Stadtverwaltung Akten und E-Mails sichergestellt. Im Mittelpunkt der Ermittlung soll unter anderem jene Veranstaltungsabrechnung stehen, wegen der der frühere Theaterleiter nun angeklagt ist.
Die betroffene Person in der Verwaltung äußert sich nicht offiziell zu den Ermittlungen wegen des laufenden Verfahrens, weist die im Raum stehenden Vorwürfe aber zurück. Nach Informationen dieser Redaktion wurde das Verfahren gegen die frühere Pächterin der Theaterkantine inzwischen gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Noch kein Termin für eine Güterichterverhandlung festgelegt
Der zum 19. Mai fristlos gekündigte Theaterleiter hat vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage eingereicht. Der Stadtrat stimmte kürzlich einem so genannten Güterichterverfahren zu, das das Arbeitsgericht vorgeschlagen hatte. Ein Termin dafür ist noch nicht festgesetzt.
Am Tag der Kündigung am 19. Mai hat der frühere Amtsleiter auf Facebook eine Aussage des römischen Dichters Catull gepostet: "Perfer et obdura!", übersetzt "Halte durch und sei hart". In seinem Facebook-Steckbrief bezeichnet er sich nach wie vor als Kulturamtsleiter und Theaterleiter der Stadt Schweinfurt, auch wenn die Kulturamtsleitung Mitte Mai an die Leiterin der Kunsthalle, Andrea Brandl, übertragen wurde und die Theaterleitung derzeit bundesweit neu ausgeschrieben ist.