Schon während des Stadtratswahlkampfs wurden in Gerolzhofen Vorwürfe laut, warum denn der Bauunternehmer Rosentritt das Grundstück südlich der Freien Tankstelle mit Firmen- und mit CSU-Plakaten "in Besitz" nehmen könne, wo doch die Stadt an dieser Fläche ein Vorkaufsrecht habe. Stimmt das? Wie stellt sich die Rechtslage tatsächlich dar?
Von der Deutschen Bahn zum Kauf angeboten wurde die freie Fläche südlich der Freien Tankstelle an der Kolpingstraße, wo früher das Agrar-Center der Firmengruppe Wolf stand (wir berichteten). Käufer dieser Fläche ist der Gerolzhöfer Bauunternehmer Christoph Rosentritt, der sich selbst als solcher geoutet hat, indem er neben den inzwischen wieder entfernten Wahlplakaten auch eine großflächige eigene Firmenwerbung auf dem Grundstück aufgestellt hat.
Bei der zweiten Fläche, die - wie ebenfalls berichtet - von der Deutschen Bahn verkauft wurde, handelt es sich um den 5800 Quadratmeter großen Streifen auf der Westseite des Bahngeländes. Käufer hier ist die Firma Kirchner, die in unmittelbarer Nähe schon ihr großes Betriebsgelände hat. Das Grundstück ist inzwischen eingezäunt und mit einem Kirchner-Firmenschild versehen worden. Bei beiden Grundstücken hatte laut Bürgermeister Thorsten Wozniak auch die Stadt Gerolzhofen mitgeboten, allerdings keinen Zuschlag erhalten.
Satzung in Kraft getreten
Zum rechtlichen Hintergrund: Der Gerolzhöfer Stadtrat hat bereits im August 2019 im Ferienausschuss eine Satzung beschlossen, in der bestimmte Flächen aufgelistet sind, an denen der Stadt zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung ein Vorkaufsrecht zustehen soll. Dies ist nach Paragraf 25 des Baugesetzbuches auch für noch nicht überplante Gebiete, zum Beispiel das bisherige Bahngelände, möglich. Zu den in dieser Satzung aufgeführten einzelnen Grundstücken gehören auch die beiden jetzt von der Bahn verkauften Flächen westlich und östlich der Gleise. Mit der Veröffentlichung im Gerolzhöfer Amtsblatt ist die Satzung ordnungsgemäß in Kraft getreten.
Die Grundstücke wurden von der Deutschen Bahn an die beiden Gerolzhöfer Unternehmer verkauft. Für seinen Bereich bestätigt Gerd Kirchner auf Anfrage, dass das Geschäft bereits im November über die Bühne ging. Das Grundstück wurde bezahlt und er ist als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Gleiches sagt auch der Bauunternehmer Christoph Rosentritt: "Das Grundstück gehört inzwischen mir."
Notar weist Käufer auf Vorkaufsrecht hin
Bei einem Verkauf eines Grundstücks, das mit einem Vorkaufsrecht belegt ist, weist der Notar den Käufer auf diesen Umstand hin. Dies sei so auch geschehen, bestätigen übereinstimmend die beiden Unternehmer. Gleichzeitig informiert der Notar dann auch denjenigen, der das Vorkaufsrecht innehat (in diesem Fall die Stadt Gerolzhofen), schriftlich über den geplanten Kauf und setzt eine Frist, in der das Recht ausgeübt wird oder nicht.
Leidenschaftliche Diskussion
Nach Informationen dieser Redaktion hat sich der Stadtrat in einer komplett nichtöffentlichen Sitzung am 3. Februar ausgiebig für annähernd zwei Stunden mit dem Vorkaufsrecht an den zwei ehemaligen Bahngrundstücken beschäftigt. Stadtrat Christoph Rosentritt (derzeit noch "Die Jungen", ab Mai dann CSU-Fraktion) musste als Beteiligter die Sitzung verlassen und sich fast zwei Stunden lang im kühlen Treppenhaus des Alten Rathauses die Zeit vertreiben.
Wie die Sitzung abgelaufen ist und welche Entscheidungen getroffen wurden, will Bürgermeister Thorsten Wozniak mit dem Verweis auf die Nichtöffentlichkeit nicht sagen. "Was nichtöffentlich ist, bleibt nichtöffentlich." Von Sitzungsteilnehmern ist allerdings zu erfahren, dass leidenschaftlich über die zukünftige Verwendung der Grundstücke gestritten wurde, insbesondere ob die Flächen zum Beispiel ganz oder teilweise als Pendler-Parkplätze benötigt werden, falls es zu einer Wiedereröffnung der stillgelegten Bahnstrecke kommt.
Neue Straße
Bauunternehmer Christoph Rosentritt hat die Fläche südlich der Tankstelle gekauft, um sie für eine Bebauung zu nutzen. Von der CSU stammt ein Gestaltungsvorschlag, der auf der betreffenden Fläche ein Misch- beziehungsweise ein Wohngebiet vorsieht, das von einer neuen Straße erschlossen wird. Diese Straße soll zugleich eine neue Verbindung schaffen vom unteren Schießwasen hinüber zum bisherigen Abzweig an der Nikolaus-Fey-Straße bei der Einfahrt zum Betriebsgelände der Firma Kirchner. Die Straße würde das Rosentritt-Grundstück in zwei Hälften zerschneiden.
In der nichtöffentlichen Abstimmung im Stadtrat konnten sich - etwas überraschend - diejenigen nicht durchsetzen, die das Grundstück für die Infrastruktur der Steigerwaldbahn nutzen wollten. Die Entscheidung soll sehr knapp ausgefallen sein. Beschlossen wurde stattdessen, dass die Stadt beim Rosentritt-Grundstück nur ein Vorkaufsrecht an einer Teilfläche von rund 290 Quadratmeter geltend macht. Diese Fläche würde für den möglichen Straßenbau benötigt. Bei Rosentritt verbleiben - links und rechts von der möglichen Straße - zwei Teilflächen von je 2200 Quadratmeter.
Möglicher Fußweg
Auch beim neuen Grundstück von Gerd Kirchner auf der Westseite der Bahngleise soll sich die Stadt in der nichtöffentlichen Sitzung nur kleinere Teilflächen reserviert haben. Zum einen dreht es sich um die Fläche, die die neue Verbindungsstraße Schießwasen/Nikolaus-Fey-Straße benötigen würde, falls sie kommt. Und an der Nordspitze des Grundstücks in Richtung Frankenwinheimer Straße hat man eine kleine Fläche mit dem Vorkaufsrecht belegt, die künftig möglicherweise für einen Fußweg vom Busbahnhof direkt hinüber zu den Einkaufsmärkten gebraucht wird, falls die Eisenbahn-Trasse entwidmet wird.
Das Vorkaufsrecht der Stadt wurde fristgerecht bei der Deutschen Bahn geltend gemacht, die sich um eine teilweise Rückabwicklung der Grundstücksgeschäfte kümmern muss. Allerdings, so ist zu erfahren, bleibt die konkrete Rückabwicklung noch ausgesetzt. Es wurde ein Schwebezustand vereinbart, bis sich die Zukunft der Steigerwaldbahn abschließend geklärt hat.
Art. 52
Öffentlichkeit
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(3) Die in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit bekanntzugeben, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind.
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Mein Kommentar: Man muss sich hier wirklich fragen, wieso es für andere Städte und Gemeinden in Bayern überhaupt kein Problem darstellt den gesetzlichen Vorgaben in puncto Veröffentlichung nachzukommen, dazu im Gegensatz Gerolzhofen der normal sterbliche Bürger konsequent im Dunkeln gehalten wird.
Positivbeispiele für Gemeinden und Städte die die Gemeindeordnung respektieren gibt es zuhauf, z.B. München
https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_sitzung_dokumente.jsp?risid=5065348
Schwebheim: https://www.schwebheim.de/aktuelles/sitzungsniederschriften